The Mall

Shppingerfolg

Shoppingerfolg

2015. Hammer Frühling. Hammer Sommer. Und ein Hammer September. Denn im September sind wir auf eine Hochzeit in der Toskana eingeladen. Donnerstag bis Sonntag. Das pure italienische Luxusleben auf einem alten Weingut. Mitten in der Pampa, ca. 30 km von Florenz entfernt. Übernachtung mit Frühstück, Pool und circa fünf unterschiedliche Schattensitzbereiche auf einem riesigen Grundstück. Was auch wirklich bei einer Personenzahl von circa 40 Hochzeitsgästen inklusive Kinder Sinn macht. So haben die Gäste viele Möglichkeiten, sich in mehr oder weniger zufälligen Gruppen zusammen zurotten. Bei Bier, italienischem Wein und natürlich alkoholfreien Getränken wurde das „Dolce Vita“ ausgiebig gefeiert.

 

Was macht man sonst noch auf einem schönen Landsitz in der Toskana vor den Toren Florenz, außer sich entspannen, gute Gespräche führen, Pasta essen, Vino trinken und Olivenöl testen? Genau. Man geht shoppen. Unzählige Shoppingmalls und Outlets sind ja mehr oder weniger vor der Tür. Freitag war der „freie“ Tag. Direkt nach dem Frühstück sprang die Mehrheit der Frauen auf, griffen ihre Handtaschen, zogen den Lippenstift nach und los ging es. Die unterschiedlichsten Gruppen fuhren zu unterschiedlichen Zeiten in die unterschiedlichen Malls. Für mich besonders nett: eine Gruppe bestand aus der Braut, ihrer Mutter, ihrer Schwiegermama und der Trauzeugin. Ich schloss mich einer dreiköpfigen Gruppe von Schwulen an. Einem Designer fortgeschrittenen Alters aus Salzburg, seinem in einem Blümchenanzug gekleideten Freund und Xaver, mein Lieblingsfriseur. Wir quetschen uns zu viert in einen MINI Cooper Clubman. Gott sei Dank war es dieses Model. Denn ohne Clubman wäre das mit dem Stauraum für die Einkaufstüten am Ende echt schwierig geworden.

 

Da fuhren wir also über die Serpentinen in Richtung Florenz. Die Aussicht auf den einen oder anderen Superschnapper wurde gepusht durch laute Partymusik. Ich hätte nie gedacht, dass vier kreative und musische Menschen so lautstark und vor allem so fürchterlich singen können.
Die Musikpausen wurden mit lautstarken Diskussionen gefüllt, in welchem Store man nun unbedingt erfolgreich sein will – nein, sein MUSS. Und welches neue Designerteilchen man gedenkt in einer entsprechenden Designertüte, zu einem immer noch heftigen Designerpreis, zurück zum Rustiko zu bringen. Als dann Madonna auch noch ihr „Vogue“ im Radio performte, erschien das Ortsschild „Leccio Reggello Florenz“. Ein lautes Gekreische in unterschiedlichen Höhen und Tiefen erfüllte den MINI: „The Mall – DA IST SIE!“.
Der Fahrer konzentrierte sich bereits auf die Parkplatzsuche. Denn wir würden bestimmt nicht die ersten und auch nicht die einzigen Shoppingwütigen sein. Er blieb überraschend ruhig und konzentriert, während die hektischen Rufe „Rechts ist was frei – nein, links auch“, „Hier aber! Nun park doch endlich!“ direkt in sein Ohr gepresst wurden. Er blieb seelenruhig und parkte endlich rückwärts in den letzten Schattenparkplatz ein. Ich habe mich schon ewig nicht mehr so schnell aus einem Auto gepellt. Es kam regelrecht Stress auf. Eigentlich bin ich nur mitgefahren, um eine zeitlose, schwarze Handtasche zu erwerben. Ich kann aber auch ohne leben. Aber irgendwie, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte, bin ich angesteckt von der Hektik, dem Shoppingrausch, der Jagd nach einem Superschnapper.

 

Auf dem Weg zum Eingang trafen wir noch ein weiteres Pärchen der Hochzeitsgäste. Dieses anfänglich ruhige und entspannte Paar zeigte sich als eine enorme Bereicherung beim Ausleben des Shoppingwahns.

 

Zuerst auf zu Gucci. Liegt quasi auf dem Weg. „Wow, die Schuhe!“ „Ich mag die Grünen!“ „DIE sind aber auch total ausgeflippt!“ Dann zu den Schals. Ach, so einen Schal, dachte ich mir, wär ja auch schön. „Oh, der wär toll!“, sagte jemand rechts von mir und hielt sich so ein Kaschmirteil um den Hals. „Oder doch besser der hier?“. Der erste wurde ruckartig von einem neuen abgelöst. Vor lauter Farben, Muster und Testträgern schrak ich zurück. Diese ganze Wühlerei und das Gezerre. Ich bekam wirklich Angst. Und entschied mich, das es geht auch ohne Schal. Ich ging als einzige ohne Designerpapiertäschchen aus dem Laden.
Nun folgte Prada. Hier ist eindeutig eine Steigerung der Shoppingstimmung auszumachen. Um das zu erkennen, benötigt man noch nicht einmal ein minimales Feingefühl. Denn hier ging es richtig ab. Das Ganze hatte eher einen leicht aggressiven Charakter. Frauen prügelten sich fast um Handtaschen. Und jetzt mal ehrlich: es sind Handtaschen! Deren Job ist es, die Frauenutensilien in möglichst schicker und adretter Form zu transportieren. Gut, der Geruch von dem Leder ist sensationell – aber den bekomme ich doch auch woanders. Der Schnitt ist simpel und die Auswahl beschränkt sich auf ein paar kräftige, momentan sehr aktuelle Farben. OK, das goldene Logo ist schon sehr edel und nobel. Aber deswegen in panische Grapschsucht und Aggression zu verfallen? Nein, danke! Das ist es mir nicht wert.
Ich trenne mich von der Gruppe und hake mich bei meinem schwulen Lieblingsfriseur ein. Wir schlendern zu zweit entspannt in ein paar andere Läden. Allerdings ist dieses „Hilfe, morgen gibt es keine Designersachen mehr zu kaufen!“ – Phänomen, tatsächlich überall zu sehen und auch zu spüren. Da stellen sich mich fast die Nackenhärchen auf. Unfassbar!

 

Ein besonders interessantes Phänomen gab es jedoch zu beobachten. Sobald das erste Designerteilchen in einer Designertasche zu einem Designerpreis an der Hand hängt, ist die Hemmschwelle überschritten. Das Ziel: „Die Kreditkarte muss zum Glühen gebracht werden!“  Man kann getrost davon ausgehen, dass sich dort noch mindestens ein, zwei oder drei weitere Designertütchen dazugesellen werden. Am Ende reihe mich in dieses vergnügliche Vorgehen dann doch ein. Und ich hatte an diesem Nachmittag so viel Glückseeligkeit und Zufriedenheit in mir, dass ich nur noch lächelnd durch die Gegend lief und einfach nur noch frohlockend mit anderen Menschen in purer positiver Lebensfreude kommuniziert habe.

Und wen es interessiert: der von Designertüten überfüllte Kofferraum konnte gerade noch so geschlossen werden. Und ich war nicht ganz unbeteiligt. Denn drei von den Designertütchen konnte ich mein Eigen nennen. Der Inhalt meiner drei Tütchen: lebenswichtige Utensilien, die hart erkämpft waren. Eine Handtasche (nicht Prada), ein paar Pumps und natürlich ein Schal. Was sonst? 🙂

 © by Marita Matschiner

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