Fräulein Tongtong!

Fräulein Tongtong!

Icke. Süß, wa?

Ich weiß nicht, wo ich es her habe. Keiner in meiner Familie tut so etwas. Und auch keiner achtet wirklich darauf, ob es einer tut. Und genaugenommen verstehe ich auch gar nicht, warum der Duden diese von mir so geliebte und für mich positive Angewohnheit verunglimpft! Das Thema geht um Verniedlichung.

Im Duden steht: als unbedeutender, geringfügiger, harmloser hinstellen. Sogar der Begriff „bagatellisieren“ fällt dort. Das kann ich nicht nachvollziehen und ich wehre mich dagegen, dass diese emotionale Eigenschaft von mir als eine Bagatelle abgetan wird.

Bereits kleine Kinder nutzen völlig unbewusst die Form der Verniedlichung. Nicht nur Mami, Papi, Omi und/oder Opi. Auch die Stofftiere und Puppen werden nicht immer nur völlig banal „Peter“ oder „Susanne“ getauft. Bei mir war es das „Peterle“ und die „Susi“. Die Tochter einer Freundin bekam zu Weihnachten ihre erste Puppe geschenkt. Die kleine Maus hat das Wort „Puppe“ einfach nicht über ihre kleine Zuckerschnute bekommen. Und da wurde die Puppe zu „Puppa Jesus“. Es war ja schließlich Jesus Geburtstag. Einschub: es geht auch anders herum. Das niedliche Glubschi (eine neonpinkfarbige Giraffe) der Tochter einer anderen Freundin, wird wiederum „Frau Müller“ genannt. Das bringt einen doch nun wirklich zum Schmunzeln. Wie viel pragmatische Fantasie in Kinderköpfen steckt. Was kann daran bitte unbedeutend, geringfügig oder sogar eine Bagatelle sein?

Meinen ersten offiziellen Spitznamen habe ich übrigens erst vor vier Jahren erhalten. Was will man bei dem Namen Marita auch verniedlichen. Unser Patenkind hat es aber geschafft. Denn Marita war ihr wohl zu schwer. Daraufhin hat sie einfach ein paar Buchstaben weggelassen, und heraus kam Mita. Die ganze Familie des Patenkindes (inkl. ihrer jüngeren Schwester) haben den Spitznamen übernommen und auch heute heißt es z.B. noch „Mita und Achim sind da!“.

Menschen in meinem Umfeld nehmen im Laufe der Zeit bei mir unterschiedliche Plätze ein. Natürlich gibt es die, mit denen ich nicht in den Urlaub fahren möchte. Manche sieht man jeden Tag und man weiß, sie sind nett und sympathisch, aber mehr auch nicht. Bei anderen ist es sofort um einen geschehen und man redet intensiv, öffnet sich. Bei der Verabschiedung wird spontan gedrückt und geknuddelt. Es kommt ein vertrautes Gefühl auf, als ob man bereits als Kinder nackig miteinander gespielt hat. Und natürlich gibt es auch Begegnungen, bei denen relativ schnell klar wird: das positive Karma wird nur von einer Seite empfangen. Aber so ist das halt. Jeder ist anders. Das macht uns zu Individuen. Zu Menschen. Und das macht es doch auch so spannend. Das Leben. Das Miteinander.

Aber es gibt sie! Natürlich gibt es sie. Die Personen, die die ich so richtig gerne mag. Die, die ich gerne um mich habe. Mit denen ich gerne stundenlang rede, lache und auch mal mehr von mir Preis gebe. Ich brauche nicht darüber nachdenken wie ich mich verhalte. Wer ich bin. Ich habe nicht das Gefühl mich verteidigen oder sogar zu verargumentieren zu müssen. Ich kann so sein wie ich bin. Mit denen würde ich gerne Schuhe kaufen gehen (früher nannte man das Pferde stehlen). Genau diese Personen haben irgendwann das Glück oder vielleicht das „Pech“, dass ich anfange ihren Namen in irgendeiner Form zu verniedlichen. Gern angeknüpft an eine winzige Auffälligkeit. Etwas ganz spezielles in ihrem Charakter. Für mich etwas ganz Besonderes an diesem Menschen. Diese Menschen werden nicht nur von mir geherzt, nein, sie kriegen einen liebevollen Kosenamen von mir.

Natürlich gibt es auch die Kosenamen innerhalb einer Partnerschaft. Das wird auch in unserem Umfeld kräftig genutzt. Ein Bärli, Mausi oder Hase stehen doch für Vertrautheit, Sicherheit, Hingabe. Wir haben gleich zwei Hasen zu Hause. Hase und Hasehase (das bin ich). Doppelt gemoppelt hält besser.

Um es dann allerdings etwas spooky zu machen, ich kriege das sogar mit Gebrauchsgegenständen hin. Nicht nur mein Auto hat einen eigenen Namen, nein auch alle vorherigen Autos haben einen. Das Erschreckende daran ist, ich kann den Spitznamen auch noch „begründen“ und „erklären“. Und jedes Mal wenn ich ins Auto steige, wird mein Auto persönlich begrüßt. Morgens auf dem Weg zur Arbeit. Abends auf dem Weg nach Hause. Natürlich hat auch mein Fahrrad einen Kosenamen. Und mein Mann und ich reden sogar in dritter Person von ihm. Ich kenne viele Männer, die ihren Fahrrädern einen gegeben haben. Bevorzugt einen weiblichen Vornamen. Es gibt sogar die, die sich diese Fortbewegungsmittel im Schlafzimmer an die Wand hängen. Da will ich aber mal lieber keinen persönlich nennen. 😉

Von mir erhalten auch ganz normale Dinge gerne ein nettes Ende. Wie z.B. ein Weinchen, ein Gläschen. Gerne auch mal „ich geh dann ins Bettchen“ oder „ich gehe mal Zähnchen putzen“. Selbst der Hund wird liebevoll gefragt ob er ein Leckerli oder ein Sticki möchte.

Apropos Hund. Ich glaube am meisten würde unser Hund unter seinen ganzen Kosenamen leiden, wenn er sie denn auch so verknüpfen würde. Von Mupfel über Frosch zu Cowboy ist alles dabei. Und ganz gerne auch unterschiedliche Kombinationen wie z.B. Mausebär, oder Mausebärchen, wenn ich ganz besonders viel Liebe für ihn empfinde. Und eigentlich nur wenn er „Funktionieren“ soll oder etwas tun bzw. es nicht tun soll, kommt der richtige Name zum Einsatz. Dann auch gerne mit Anrede. Wenn ich so drüber nachdenke, war das bei meinen Eltern eigentlich auch so. Im „lieben“ Leben hatte ich einen süßen, netten Spitznamen. Den kennen übrigens auch nur sehr wenig Menschen außerhalb der Familie. Aber sobald ich etwas angestellt habe, klang die Ansprache ganz und gar nicht mehr liebevoll. Dann hieß es „Fräulein Tongtong!!!!!“. Und ja, mit mindestens fünf Ausrufezeichen. Damals fand ich das gar nicht lustig. Heute kann ich darüber schmunzeln. Aber ich befürchte, wenn er in dem richtigen Tonfall kommen würde… wer weiß, vielleicht würde ich auch heute noch „stramm“ stehen und auf die sicherlich verdiente Schelte warten. Aber selbst dann, ist und wird es niemals eine Bagatelle sein!

© by Marita Matschiner

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