Unternehmen müssen sich heutzutage richtig ins Zeug legen um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Denn es entscheidet nicht nur die Firma, sondern auch der Bewerber, ob sie zueinander passen. Und die Konkurrenz ist groß. Auf beiden Seiten. Um möglichst attraktiv für die potenziellen neuen Angestellten zu sein, investieren Unternehmen viel Geld, Zeit und jede Menge Kreativität. Denn sie wollen den Besten der Besten für sich gewinnen. Im Idealfall wird das Ergebnis der Firmeneigenwerbung von jedem Mitarbeiter, jeder Führungskraft, jedem CEO, CFO, gelebt, verinnerlicht und nach außen getragen. Mein Arbeitgeber hat sich als Außen- und Innenauftritt eine Parole auf sein Banner geschrieben: „Best Place to Work!“ Das lasse ich jetzt erst einmal kurz sacken. Eins….. Zwei….. Drei….. bei allen angekommen? Noch einmal ganz langsam: „Best Place to Work!„.
Für mich implizieren diese vier Worte (und das klingt jetzt ein bisschen wie im Märchenbuch): Spaß, positives Denken und Überzeugung bei und in der Arbeit. Der Umgang miteinander ist freundlich und respektvoll. Der Mitarbeiter werden von den Kollegen und Vorgesetzten geschätzt. Beide Seiten erhalten Anerkennung. Das Unternehmen hat Werte und handelt auch so. Wird mit Menschlichkeit, Verständnis und natürlich mit Erfolg geleitet. Ein Mitarbeiter geht morgens mit einem positiven Gefühl in die Arbeit und die vertraglich vereinbarte Mindestarbeitszeit wird ohne Murren, vielleicht sogar mit Freude und Stolz erfüllt. Natürlich ist irgendwo schriftlich festgehalten: „Überstunden möglichst vermeiden. Und bei Notwendigkeit bitte vorab die Genehmigung einholen.“ Aber Überstunden werden selbstverständlich als selbstverständlich gesehen und daher nicht mehr als notwendig darüber gesprochen. Aber, at-the-end, sollte jeder für sich entscheiden, ob er diesen Arbeitsplatz als „Best Place to Work!“ ansieht. Was jeder Einzelne dafür tun kann, diesen vier Worten Wahrheit und Leben einzuhauchen. Oder eben auch nicht.
Bei uns gibt es eine Stunde am Tag, in der die vier Worte für mehrere Personen aus unterschiedlichen Abteilungen, Positionen und Hierarchieebenen, wirklich wahr werden. Man fühlt sie. Man lebt sie. Man ist überzeugt davon. Und ja, man hört sie auch. In unserer morgendlichen Kaffeerunde zwischen 8:00 und 9:00 Uhr kann man uns im Atrium – der öffentliche Raum für Kunden, Partner, Lieferanten und Mitarbeiter – sitzen sehen. Hier ist unser italienischer Marktplatz. Hier ist unser „Best Place to Work!“. Wir reden, lachen, diskutieren. Meinungen werden kundgetan. Egal ob privater oder geschäftlicher Natur. Es wird von Urlaubsplänen erzählt. Über mögliche Anschaffungen neuer Autos gesprochen. Wir dürfen an Kindererlebnissen teilhaben und an dem vermenschlichten Verhalten der Haustiere ebenfalls. Es wird über Gartengestaltungen, Firmenpolitik, neue Prozesse und Produkte diskutiert, lamentiert und philosophiert. Es braucht keiner die Hand vor den Mund nehmen. In dieser einen Stunde sind wir einfach nur Menschen, Kollegen, Individuen, die gemütlich bei einer Tasse Kaffee beisammensitzen. Manche kommen später, manchen gehen früher. Bis 9:00 Uhr – dann strömen wir alle davon – jeder in seine Richtung. Jeder zu seinem Arbeitsplatz. Jeder zu seinen beruflichen Verpflichtungen.
Durch die Gruppendynamik und die oft positiven Themen sind wir zu 99% in einer äußerst positiven Stimmung und das bedeutet auch viel Gelächter. Und wenn wir wieder unseren G.I. Schmidt (sein Spitzname wegen seiner Frisur) durch den Kakao ziehen, oder er jemanden in der Runde durch selbigen zieht, kann man nicht anders als lachen und sich aktiv beteiligen.
Bis zu diesem einen Morgen. Von einer Sekunde auf die andere wurde es mucksmäuschenstill. Eine Kollegin stand wie aus dem Nichts an unserem Tisch. Mit einem sehr ernsten und strengen Blick schaute sie in die Runde und öffnete die schmalen bis dahin fest zusammengepressten Lippen und folgende Worte waberten an unser aller Ohren: „Könnt Ihr nicht mal leise sein? Wir arbeiten hier schließlich. Und dieses laute Lachen muss ja nun wirklich nicht sein!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging den Flur entlang in ihr Büro. Wir waren perplex. Wie bitte? Was hat sie da gerade gesagt? Bedeutet „Wir arbeiten hier schließlich!“, dass jeder Spaß gestrichen ist? Bitte nur mit ernster Miene durch die Räumlichkeiten schleichen? Möglichst unhöflich und ohne Verwendung von positiven Zauberworten miteinander reden? Nicht mehr um etwas bitten, sondern als Feststellung oder sogar Befehl fordern? Sind Höflichkeitsfloskeln heutzutage überbewertet?
Gut – zugegeben – wir sind manchmal etwas Laut. Aber muss man deshalb auf ein Lächeln bei einem höflichen Hinweis verzichten? Kann man nicht am Ende einer Formulierung ein Fragezeichen setzen und sich vorab schon einmal für das Verständnis und das Entgegenkommen bedanken?
Es ist jetzt eine Woche vergangen. Und die morgendliche Kaffeerunde wurde nicht eingestellt. Auch die Akustik wurde nicht großartig reduziert. Denn für uns alle bedeutet diese eine Stunde: Spaß. Freundlicher und respektvoller Umgang. Wertschätzung von Kollegen und Vorgesetzten. Anerkennung. Werte. Menschlichkeit. Verständnis und Erfolg. Und einfach Mensch sein zu dürfen. Diese eine Stunde bereichert unseren beruflichen Alltag und sogar unser Leben – jeden Tag. Wir werden uns das nicht nehmen lassen. Im Gegenteil! Neuerdings heißt es: „Psssstttt – leise! Man arbeitet hier! Schließlich sind wir am „Best Place to Work!““ und das herzhafte und ehrliche Lachen von uns allen ertönt erneut.
PS: Danke an jedes einzelne Mitglied und allen Gastmitgliedern unseres „italienischen Marktplatzes“.
© by Marita Matschiner