Frisch gestärkt dümpeln wir am nächsten Morgen los Richtung Niedersachsen. Das angekündigte Familienfest steht an. Wir sind nur ein paar Stunden davon entfernt. Wie es das Schicksal will, landen wir wieder einmal im Stau. Um es dann auch noch ganz unschön werden zu lassen, wird aus dem Stau eine Totalsperrung. Die Polizei lotst uns von der Autobahn runter. Wir haben das große Glück mit vielen anderen Autofahrern auf einer Landstraße vor uns hin zu stauen. Stop-and-Go fahren macht echt Spaß! Ich habe lange nicht mehr so viele unzufriedene Gesichter auf einem Haufen gesehen.
Nach etlichen Kilometern dürfen wir endlich wieder auf den Highway und die erste Ausfahrt, ein Autohof, gehört uns. Ein großer Cappuccino wird die Stimmung in unserem schönen grünen selbst lackierten Womo, der kurz davor steht ein Oldtimer-Kennzeichen zu erhalten, erheblich aufhellen. Daher gar nicht lange rum hampeln. Sondern direkt auf den Parkplatz vor einem Fastfood-Laden zusteuern. Während wir uns noch sortieren, Geldbeutel aus der Tasche, Navi verstecken, erscheint Besuch an der Beifahrertür sowie auch an der Fahrertür. Wir zucken zusammen. An jedem Fenster steht ein uniformierter Polizist.
Durch das Fenster geben sie uns zu verstehen: sitzenbleiben und die Fenster runter kurbeln. Ich glaube, ein Bitte kam in den Gesten nicht vor. Bin mir aber nicht ganz sicher. Also gut, Fenster runterlassen. Da das Womo ja etwas älter ist, erst einmal kräftig die Oberarme anstrengen und kurbeln was das Zeug hält. Kaum sind sie zur Hälfte unten, schallt es von beiden halboffenen Fenstern: „Nicht mit einander reden oder anschauen! Schauen Sie nur den Polizisten an, der an ihrem Fenster steht!“ Huch. Dieser Ton in Kombination mit der Uniform löst in meinem Körper erst einmal einen Reflex aus: er stellt sich umgehend in den Modus „Stillgestanden und Haltung annehmen“. Ein leichtes Kopfnicken kriege ich gerade noch so hin.
Die erste Frage erschlägt mich umgehend: „Guten Morgen. Nehmen Sie Drogen?“ „Äh – nein, tu ich nicht.“ „Haben Sie schon einmal Drogen genommen? Oder verschreibungspflichtige Medikamente?“ – „Äh –Aspirin und Ibuprofen fallen nicht unter Drogen und sind frei erhältlich.“ (Meine Sicherheit kommt langsam wieder.) „Haben Sie heute Alkohol getrunken? Wenn nein, wann das letzte Mal?“ „Nein, heute noch nicht. Mmhhh… gestern Abend. Weißwein um genau zu sein.“ „Nehmen Sie sonst irgendwelche Rauschmittel zu sich?“ (Ich denke: Was gibt es denn noch?) „Nein. Zigaretten sind ja keine Rauschmittel.“ Ich hebe eine Schachtel und zeige sie ihm. „Diese hier.“ Auch wenn ich mich sicher anhöre, innerlich bin ich alles andere als das. Ich fühle mich total unter Beobachtung und bin überzeugt ein völliges Fehlverhalten an den Tag zu legen. Genauso wenn ein Polizeiwagen hinter mir her fährt. Ich schaue dann schlagartig auf den Tacho und kontrolliere ob das Licht an ist. Überlege wo der Verbandskasten ist und ob ich eine Warnweste dabei habe. Es ist alles ok. Das weiß ich. Aber das Gefühl, gleich in Untersuchungshaft zu laden, geht auch dadurch nicht weg. Ich habe keine Ahnung warum, aber mein Puls und mein Bauch sind sich jetzt auch auf diesem Parkplatz einig: ich lande hinter Gittern.
Mein Mann zeigt seinen Führerschein und die Autopapiere. Die sind schon mal in Ordnung. Puuhhh. Nach der Klärung, wo das Womo hingehört (denn es passt optisch gar nicht zu den Insassen und läuft anhand der Papiere ja auch nicht auf unseren Namen), was unser Ziel sei und was wir hier auf dem Autohof wollen, lächeln die Polizisten. Nach der „Präsentation“ des Verbandkastens, Warndreiecks und unserer Warnwesten (sogar eine eigene für unseren Hund), waren sie völlig entspannt. Entschuldigen sich lächelnd für das ruppige Verhalten. Auch für ihre Vorurteile dem Wagen bzw. den angenommenen Insassen gegenüber. Sie haben ganz andere Menschen in dem grünen Oldtimer-Womo erwartet. Ich tippe auf besoffene Drogensüchtige die auf dem Autohof Leute ausrauben wollen und im Anschluss eine wilde Sexpartie feiern. Die Beamten verhalten sich jetzt total freundlich und zuvorkommend. Eigentlich würde mich eine Einladung auf einen Kaffee nicht wundern. Kaffee auf Staatskosten, auf einem Autohof, in einem Fastfood-Laden und in Begleitung zweier junger Polizisten. Das wär ne Nummer!
Sie wünschen uns noch eine gute und sichere Fahrt. „Und viel Spaß auf dem Familienfest!“ Einer dreht sich noch einmal um und ruft uns zu „Lassen Sie sich mit dem Kaffee Zeit. Oder vielleicht trinken sie gleich zwei und essen noch was. Auch wenn Ihre Feier nur ein paar Kilometer entfernt ist, es gab einen Unfall und die Autobahn ist schon wieder gesperrt!“.
© by Marita Matschiner