Ich liebe italienisches Essen. Besonders Pasta bete ich an. Denn Nudeln gehen immer. Morgens, mittags oder abends – egal ob warm oder kalt. Ganz gleich ob im Sommer oder im Winter. Es ist auch völlig schnurz welche Art oder Form. Ich nehme alle an Pasta. Am besten mit Bolognese, gefolgt von Meeresfrüchten. Als Drittes mit Trüffel. Und: für mich bitte immer mit Parmesan obendrauf. Extra viel davon. Denn ohne Käse schmeckt es mir einfach noch viel besser. Dieser Würzkäse ist für mich das i-Tüpfelchen. Die traditionellen Italiener würde mich dafür steinigen und dann erschlagen, wenn es um die Meeresfrüchte mit Pasta geht. Ist mir aber völlig schnurz. Für mich bitte möglichst viel von dem geraspelten Zeug – direkt oben drauf. Danke!
Unser Stammitaliener weiß das. Er kennt uns seit Jahren. Von 52 Samstagen im Jahr gehen wir gefühlte 60 Samstage zu Michele in Oberhaching. Trotz der Häufigkeit sind wir der Küche noch nicht einmal annähernd leid. Denn die Damen und Herren dort haben es so richtig drauf. Natürlich gibt es profane Standard-Pizzakarte. Wobei man sagen muss, das jede einzelne Pizza lecker ist. Für alles Andere wie Pasta, Salat, Fleisch oder Fisch gibt es jeden Tag eine auf einer Schiefertafel handgeschriebene Tageskarte. Je nachdem was der Markt und die Saison so hergibt. Daher ist jeder Besuch eine Überraschung. Mal gucken, was die Küchenmeister Michele und Vincenco (der Sohn) dieses Mal so zaubern und kombinieren. Kürbisrahm mit Speckwürfel? Oder Ravioli gefüllt mit Stracciatella (super weicher Büffelmilchkäse) mit Auberginen? Spagetti mit Shrimps und frischen Tomatenwürfeln gehen immer und stehen auch fast regelmäßig auf der Karte. Unser Leibgericht: Pasta Speciale alla Nonna (ausgesprochen wie der Italiener das nun mal so tut: Schpeeezzijaaahhhleeee). Es ist ein einfaches Gericht. Simpel. Aber einfach göttlich! Vegetarische Carabonara. Anstelle von Schinkenwürfeln kommen Zucchini zum Einsatz. Natürlich reichlich frischer Parmesan. Ich könnte mich reinsetzen. Unser Stammgastvorteil: wir dürfen es immer bestellen. Außer die Zucchini sind alle. Michele, der Papa, versteht unsere Liebe zu diesem Gericht nicht. Aber seine Kinder (Juniorchef und Juniorchefin) lächeln immer bei dieser Bestellung. Anna, die Perle des Hauses, ebenfalls. Alle verstehen unsere Liebe zu diesem Traumgericht. Denn die Nonna hat es für ihre Enkelkinder zuhause in Apulien zubereitet.
Samstag vor zwei Wochen. Es geht auf Mittag zu. Die Sonne scheint, wie immer, wenn wir zu Michele gehen. Ein Tisch mit Stühlen steht vor dem Restaurant und wartet auf uns. Fehlt nur noch, dass hier ein „Nonna-Speciale-Stammtisch“ – Schild aufgestellt wird. Wir setzen uns. Blicken links auf den Kirchturm. Dort bimmeln gerade die Glocken. Es ist 12:00 Uhr mittags. Der Maibaum auf der rechten Seite ist in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Wir sitzen auf unserer kleinen, bayrisch-italienischen Piazza und fühlen uns wie im Urlaub. Wir schauen auf die Tageskarte und mein Appetitsgen macht einen Sprung vor Freude: Fusilli mit Gorgonzola und Trüffelcreme. Das Gericht gehört mir! Die Kombination aus Gorgonzola und Trüffel habe ich noch nie gehört. Hört sich auch spontan merkwürdig an. Warum? Beide Lebensmittel haben ein unheimlich intensives Aroma und jedes dominiert für sich. Was bin ich gespannt. 20 Minuten später wird mir ein reichlich gefüllter und dampfender Teller hingestellt. Erst einmal schnuppern. Was für ein Aroma! Der Speichelfluss startet sofort durch. Der erste Bissen. Das glaubt mir keiner. Was für eine Genussexplosion! Jede einzelne Geschmacksknospe tanzt einen Freudentanz. Vor Glückseligkeit fliege ich gen Himmel. Ich sitze ganz still in der Sonne und genieße das perfekte Mittagessen. Diese wunderbare Kombination. Eine ergänzende Harmonie von Würze, Aromen und Cremigkeit. Jede einzelne Zutat vermengt sich in meinem Mund zum perfekten Happen. Die vollendete Pasta. Ich bin im Nudel-Himmel.
Leider kommt nun das Unausweichliche. Der Teller lehrt sich. Auch wenn ich mir Zeit lasse. Irgendwann ist es einfach so weit. Enttäuscht starre ich auf die letzten Saucenreste. Wie, schon alle? Wie doof! Vorsichtig schaue ich mich um, ob mich jemand beobachtet. Mit meinem Zeigefinger kratze ich die letzten Tropfen vom Teller und genieße hingebungsvoll die Reste dieser Vollkommenheit. Nachdem der Teller wirklich nichts mehr hergibt, überkommt mich ein natürliches Bedürfnis. Ich springe auf und spurte gen Toilette. Ich laufe schnellen Schrittes an Vincenzo vorbei, der mich fragend anschaut. Ich bleibe vor ihm stehen und strahle ihn wie ein Honigkuchenpferd an: „DANKE! Das war die beste Pasta meines Lebens! Ich musste mich sehr zurückhalten, um den Teller nicht auszulecken!“ Er lacht mich strahlend an und erwidert „Das freut mich sehr! Das hat mir bisher noch keiner gesagt!“. Er wirkt sehr zufrieden mit sich und seiner Kochkunst. Genauso wie ich.
Einem Koch reicht ein schlichtes „Danke“ und ein Lob, um ihn glücklich und zufrieden zu machen. Bei mir reicht ein Teller beste Pasta, um mich schweben zu lassen. Übrigens: schon beim schreiben dieses Blogs erinnere ich mich wieder an dieses perfekte Gericht und – schwupp – fliege ich wieder. Dort oben, in den bayrisch-italienischen Wolken und sabbere vor mich hin.
© by Marita Matschiner