Mein zu-Nachbar

Grafik by Achim Matschiner

Vor ein paar Jahren meinte eine liebe Kollegin zu mir: „Mit 40 Jahren fangen die Zipperleins an!“. Das habe ich mit einem Lächeln abgetan und genau genommen völlig ignoriert. Jetzt, ein paar Jahre später, bin ich in einem Alter wo ich auf mich achte. Auf meine Ernährung, so oft es geht Sport in freier Natur und die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen. Ich bin zwar deutlich fitter als mit 20 Jahren, allerdings sehe und fühle ich, wie sich das Alter langsam in meinem Körper ausbreitet. Stetig und unaufhörlich. Hier ein paar Beispiele was auf euch zukommen kann, oder was ihr gegeben falls auch schon kennt.

Nach einem netten Abend mit Freunden und der einen oder anderen Flasche Wein, sehe ich morgens völlig zerknittert aus. Die Augen sind verquollen und haben an den merkwürdigsten Stellen Falten. Wenn der Abend dann noch etwas länger dauert, wird der nächste Morgen schwierig. Mein Körper benötigt heute mindestens 48 Stunden Regeneration, um wieder 100% im Leben zu sein. Früher war das nicht nötig. Höchstens mal ein Mittagsschläfchen. Das reichte schon aus. Zu viel Essen am Abend? Da bin ich wach wie ein Turnschuh und finde den Weg zum Sandmännchen nicht. Wenn das Essen dann auch noch fettig, schwer und salzig war, ist es ganz vorbei. Dann ist der Anblick morgens im Spiegel wie ein Gruselkabinett. Da kann selbst meine super Notfall-Augenschmiere nichts mehr ausrichten. Da hilft nur noch der Gang zum Kühlschrank und ein Griff ins Eisfach. Gott segne die Kühlpads und seinen Erfinder. Ab auf die Augen damit.

Unvernünftiges, aber leckeres Essen klebt heute leider an Hüfte, Hintern und Bauch. Wenn ich dann versuche, diesen unerwünschten Ballast wieder wegzubekommen, artet es in Frust und Anstrengung aus. Früher habe ich ein paar Tage kürzergetreten und schwupp – waren die überschüssigen und unnötigen Pfunde wieder weg. Heute muss ich mir ein paar Wochen Schmalkost (Frust) auferlegen und echt viel Sport treiben (Anstrengung). Sonst passiert da einfach mal gar nix.

Apropos Sport. Wenn mich heute mal ein Muskelkater oder eine Muskelzerrung trifft, mache ich ein innerliches herzzerreißendes MIMIMI (Tim Melzer ist hier mein Vorbild). Ich bade dann nicht nur in Selbstmitleid – ich gehe Apnoetauchen. Das war früher irgendwie auch anders. Vielleicht wird man einfach empfindlicher im Alter?

Also, wie ich es dreh und wende, es läuft alles auf meinen lieben, weisen Nachbarn hinaus. Seine Lebensweisheit: „Alles was ein Zu davorstehen hat, ist nicht gut!“.

Also, auf den ersten Blick, bin ich völlig bei ihm: Zu wenig Schuhe, ganz schlecht! Auf dem Zweiten: Zu viel Schuhe ist alles andere als nicht gut!

Pause. Mal kurz sinnieren. Das meint er nicht.
Zu wenig Essen ist einfach eine blöde Idee. Dann bin ich nicht leistungsfähig und mutiere zur Prinzessin auf der Erbse. Mein Mann kann davon ein Liedchen singen. Aber zu wenig Essen wird noch durch schlechtes Essen getoppt. Denn schlechtes Essen ist super doof. Aber zu schlechtes Essen ist eine Katastrophe! Zu viel Essen hat bei mir gleich zwei Folgen: schlaflose Nächte und Übergewicht (siehe oben). Ist somit keine Option. Weiter im „zu“- Land. Zu wenig Alkohol: Das kann zu einer blöden und langweiligen Party führen. Zu viel Alkohol bedeutet Kühlpads auf die Augen (siehe nochmal oben). Das führt manchmal zu äußerst schmerzhaftem Hirnfrost. Zu wenig Geld ist einfach super kacke. Braucht kein Mensch. Zu viel Geld macht unausgeglichen, überheblich und egoistisch – wenn man es oberflächlich auslebt. Zu wenig Wissen im Bereich Politik und Wirtschaft, dann gilt man als dumm und ungebildet. Zu viel davon lässt einen durchdrehen und man findet nie wieder seine innere Zufriedenheit. Zu wenig Urlaub geht gar nicht. Zu viel Urlaub gibt es nicht.

Es gibt noch unzählige Beispiele. Aber im Groben hat mein Nachbar Recht, finde ich. Also schließe ich mich ihm an. Ich formuliere es nur etwas anders: Alles in Maßen! Dann passt es. Damit komme ich ganz gut durch das Leben und das Alter. Genau an diesem Punkt stelle ich mir jetzt die Frage, was mache ich denn in einem Jahr? Werden die Zipperlein schlimmer und schmerzhafter? Oder treten einfach nur häufiger auf? Brauche ich nach einer durchzechten Nacht eine Badewanne voll Eiswürfel, in der ich dann 96 Stunden schlafen muss, um wieder die Alte-Neue zu werden? Oder werde ich zu einer Frozen Marita (Wortspiel: Frozen Margarita Cocktail)? Und was ist mit meinem Blog? Nenne ich ihn in www.roaring50s.eu um? Ich weiß es noch nicht. Aber ich habe ja noch Zeit. Ist ja noch ein Jahr hin. Noch ein weiteres Jahr um ganz viele Zus zu sammeln.

 © by Marita Matschiner

Kokosexplosion

Im Büroalltag ist für mich eine kleine Nachmittagssünde in Form von etwas Süßem ganz wichtig. Es muss nicht immer ein Stück Kuchen sein. Es geht auch mal eine Tafel Schokolade. Ich bevorzuge in den meisten Situationen tatsächlich die leider Umweltbelastenden, ewig haltbaren und möglichst portioniert eingepackten Süßigkeiten (und ja, ich schäme mich dafür!). Der Schokoanteil sollte bitte möglichst hoch sein. Und wir reden hier jetzt nicht von der Zartbitterschokolade. Bei der rollen sich meine Fußnägel auf und gleichzeitig weigern sich meine Geschmacksknospen im Mund partout ihren Job zu erledigen. Sieht ja noch nicht mal lecker aus. Dunkel und matt. Steinhart ist sie meist auch noch. Meilenweit entfernt von der mir bevorzugten Version: ein leichtes, weiches Braun mit einem dezenten Glanz. Im Mund wird es dann ganz doll cremig und langsam zerläuft dieses schmierige Etwas und erreicht jede Geschmackszelle. Wie ein Lavastrom, der langsam einen Berg runterschmilzt. Jeder erreichte Millimeter veranstaltet umgehend eine Superparty. Mhhhh. Yamyam. Akuter Speichelfluss.

Besonders praktisch an der portionierten Nascherei: sie ist relativ sauber. Ausnahme: Kinder bekommen sie in ihre unkontrollierten Hände. Dann könnte es völlig ausarten. Von den Händen übers Gesicht bis runter zum Shirt und Hose. Mal vom Fußboden ganz abgesehen. Aber ich bevorzuge ja die kleinen verpackten Leckereien. In der Größe einer Mundportion. Ein Happs und alles ist fein und sauber. Regulär funktioniert das auch ganz gut. Bis auf, ja bis auf.

Gestern fiel meine Aufmerksamkeit an der Lebensmittelkasse auf Raffaello. Diese weißen Strand-Kokos-Hut-Pralinen mit einer ganzen Mandel in der Mitte. Viererpack. Perfekt für einen Nachmittag. Um 14:30 Uhr war es dann so weit. Der Nachtisch zum Nachmittag. Habt Ihr schon einmal so eine Packung aufgemacht? Der superkreative Diplomingenieur, der sich das ausgedacht hat, gehört entlassen. Fristlos.

Man startet mit der äußeren Verpackung. Um diese aufzubekommen nimmt man den überlappenden Plastikfalz der Verpackung und zieht diesen vorsichtig in die entgegengesetzte Richtung. Nur ist diese Lasche an der unteren Seite angebracht. Ich möchte noch einmal kurz in Erinnerung rufen: Raffaello ist von innen nach außen wie folgt aufgebaut. Eine ganze Mandel – Milchcreme – Waffel – Kokosraspel. Gebettet wird diese Superkalorienbombe auf einem kleinen weißen Pralinenpapier mit Riffelchen an der Seite. Wollen wir jetzt noch einmal kurz Eins und Eins zusammenzählen? Kokosraspel außen auf der Praline und damit auf Papier in einer Plastikhülle. Die Zellophanverpackung reißt man unten auf. Was passiert dann? Genau: der Schreibtisch sieht aus wie Sau! Überall fliegen diese kleinen Kack-Kokosraspel durch die Gegend. Unter dem Mausepad. Auf dem Tisch. Und sogar auf und in der Tastatur! Jetzt die nächste Herausforderung: ich will unbedingt an die Kugeln kommen. Da ich ruckartig aufgehört habe, das Zellophan weiter auseinanderzureißen (denn es wären alle Kugeln von ihrem Papiertellerchen unkontrolliert in dem Großraumbüro herumgekugelt), versuche ich schnell und jetzt auch noch sabbernd, an diese Köstlichkeit zu gelangen. Mir bleibt die Wahl. Entweder die Packung ganz aufreißen und damit die ganzen losen Kokosflocken ungewollt durch die Gegend fliegen zu lassen (die Kugeln wären dann zumindest noch heile). Oder die Verpackung jetzt so zu lassen wie sie ist (Öffnungsgröße entspricht einer Kugel ohne Papierteller) und die Kugeln einzeln rausgepuhlt zu bekommen. Ich entscheide mich für das zweite Vorgehen. Ich puhle und puhle und versuche mit möglichst wenig Verlust vom Kokoskram an eine heile Kekskugel zu kommen. Sie zerbröselt leider in viele kleine Teilchen. Die auftauchende Milchcreme könnte auch als Kleber dienen. OK. Bei der nächsten muss ich noch behutsamer vorgehen. Neue Strategie: von unten die Tüte leicht drücken und die Kugel damit nach oben schieben. Shit. Der Druck war wohl zu groß. Die Kugel schießt an mir vorbei. Direkt auf den Fußboden. Auf dem Teppich bleibt ein kleiner Kreis von weißen Raspeln als Hinterlassenschaft. Die Dritte schieße ich mir direkt in den Mund und kriege einen Hustenkrampf von den losen Kokosraspeln. Die sind direkt in meinen Rachen geflogen und haben dann brav der Schwerkraft nachgegeben. Sie rutschen mir die Luftröhre runter. Die Kugel folgt den Kokosflocken im Sturzflug hinterher. Ich fange an zu würgen und versuche durch kräftiges Husten die Kugel wieder hervor zu bekommen. Mit Erfolg. Ich kann sie gerade noch vor dem ungewollten Sturzflug auf den Boden retten. Die Nummer Vier wird wieder mit der ersten Methode versucht. Was mehr schlecht als recht funktioniert.

Das Ende vom Lied: Die Milchcreme hat sich auf meinen Lippen und dem Kinn verteilt. Die Finger kleben wie Hölle von der Milchcreme. Ich glaube ein bisschen hängt sogar in meinen Haaren. Der größte Teil des schmierigen Zeugs ist auf der Laptoptastatur gelandet, zusammen mit diesen Raspeln. Um mich herum sieht es aus, als ob einige Kokosnüsse explodiert sind. Ich und mein Umfeld sehen aus wie eine 3-Jährige, die unkontrolliert versucht hat, ihr erstes Milcheis zu verschlingen. Ist mir egal. Ist nun mal mein Laster. Ich trage gerne die Konsequenz. Denn ich bin seelig. Ein paar Kugeln – leider nicht alle vier – gehören mir und haben mir den Tag versüßt.  Ich lächle zufrieden und mit Endorphinen gestärkt in meinen Bildschirm und gehe meiner Verpflichtung nach.

© by Marita Matschiner

 

Traumerfüllung, stinkende Glückseligkeit und ein Putzschwamm

Augenfunkeln – pic by Achim Matschiner

Es gibt Menschen, die vertrauen einem so sehr, dass sie dich bitten die Patenschaft ihrer Kinder zu übernehmen. Das passierte uns vor sechs Jahren. Wir waren sehr gerührt. Soviel Vertrauen wird uns entgegengebracht. Soviel Verantwortung überträgt man uns. „Wir möchten, dass Ihr in guten und in schlechten Tagen für unsere Kinder da seid.“ Das sind kleine Worte, die einen großen Job beinhalten. Wir waren uns dessen sehr bewusst. Zusätzlich zu der Verantwortung, die man uns übertragen hat, stand für uns fest: Die ersten Schuhe, die erste Handtasche und auch die ersten Ohrringe bekommt die Kleine von uns. Wir haben bei der zwei Jahre älteren Schwester schon einmal damit angefangen. Die Mädels sind jetzt acht und sechs Jahre alt.

Ein festes Gesetz der Mama: Ohrringe erst bei Schuleintritt. Gesagt, getan. Ein Tag vor der Einschulung hole ich die kleinere Maus ab und fahre mit ihr gen Einkaufszentrum. Ganz aufgeregt sitzt sie in ihrem Kindersitz auf der Rückbank und lässt mich an ihren Vorstellungen zur Schule teilhaben. Mittendrin wird sie ruhig. Immer ruhiger. Ich frag was los ist. Just in dem Augenblick höre ich, was ihr die Sprache verschlägt. Zwischen den Würgegeräuschen bringt sie ein hilfloses und vorwurfsvolles „Wir haben den Eimer vergessen!“ hervor. Da fällt es mir wieder ein. Autofahren ist nicht gerade ihre Stärke. Es liegt nicht an meinem Fahrstil. Ich also rechts ran und reiße umgehend ihre Tür auf. Da sitzt ein Häuflein Elend im Kindersitz und schaut mich mit großen, traurigen Augen an. Ihr hübsches blaues Kleidchen und die Rückseite des Beifahrersitzes ist von oben bis unten mit ihrem Frühstück dekoriert. Mittendrin klebt ein dicker, rosiger und frisch erworbenen Hubba Bubba. Ich stelle sie erst einmal auf die angrenzende Grünfläche. Sie steht da wie eine Marionette. Leicht breitbeinig und mit weit abgestreckten Armen. Selbst die Finger zeigen verkrampft in alle Himmelsrichtungen. Mit den paar verfügbaren Taschentüchern versuche ich sie vom Schmuddel zu befreien. Gott sei Dank kommt eine Frau mit Kinderwagen vorbei und hilft mir mit einigen feuchten Reinigungstüchern aus. Keine große Rettung, aber ein Anfang.

Weiter ins Einkaufsparadies mit kurzer Planänderung. Die Toilette ist jetzt unser erstes Ziel. Dann ab zum schwedischen Klamottenladen. Die eingesauten Klamotten in neue tauschen. Ergebnis: Jeansshorts und – natürlich – ein Einhorn-Glitzer-Shirt. Vorsichtshalber noch ein Kleidchen. Sicher ist sicher. Ab zur Kasse. Etiketten ab und, ja, ich will eine Plastiktüte. Auch wenn sie 0,25 Cent kostet. Irgendwie muss ich ja dieses übel riechende Etwas, das ursprünglich mal ein Kleid war, wieder nach Hause bekommen. Während wir sie umziehen rümpfen wir beide die Nase. Boah! Was stinkt das hier! Meine Hose hat wohl auch etwas abbekommen als ich sie aus dem Auto und damit aus ihrem Schlamassel gehoben habe. Ihr „Sollen wir dir auch noch eine neue Hose kaufen?“ lässt mich schmunzeln. Aber ich verneine. Ich habe genügend Hosen. Wird schon gehen.

Jetzt zu den Ohrringen. Ohrlochstechen ist angesagt. Sie meistert das tapfer. Ohne zucken. Nur ein kleines „Au“ bei jedem Ohrläppchen. Später gesteht sie mir, dass es ja gar nicht wehgetan habe. Ich frage sie, warum sie dann bei jedem Ohr ein „Au“ von sich gegeben hat? „Ich wollte der Verkäuferin einen Gefallen tun. Sie hat sich so viel Mühe gegeben.“ Wie unglaublich ist dieses Kind? Dann ab in den versprochenen Süßwarenladen. „Zwei Sachen darfst du dir aussuchen.“ Ohne zu zögern sucht sie sich zwei Stück aus und will eines davon sogar ihrer älteren Schwester schenken.

Auf nach Hause. Die lang ersehnten Ohrringe endlich von der ganzen Familie bewundern lassen. Sie kann es kaum erwarten endlich in den Kreis der Großen aufgenommen zu werden. Im Auto gebe ich ihr vorsichtshalber noch eine Hundekacktüte. Falls sich doch noch das Eine oder Andere aus ihrem Magen den Weg nach draußen bahnt. „Ich kotz‘ doch nicht in eine Hundekacktüte!“ ruft sie mir völlig entrüstet von der Rücksitzbank nach vorne zu. „Dann nimm meine Strickmütze.“ erwidere ich. Die habe ich immer im Auto gebunkert. Falls mal Not an der Frau und draußen saukalt ist. Oder in diesem Fall, Not am Kind. „Die ist viel zu schön!“ kontert sie. „Immer noch besser als auf dein neues Einhorn-Glitzer-Shirt und die neuen Shorts zu kotzen, oder?“ Ein rechtgebendes „Stimmt auch wieder.“ kommt als Antwort. Ihr Fokus wandert nun doch wieder zu den Ohrringen und ihrem neuen Leben, welches morgen beginnt. Kurz vor zuhause wird sie wieder ruhig. Ich frage, ob es wieder soweit ist und ein leises und würgendes „Brröhhheee“ erreicht mein Ohr. Also umgehend wieder rechts ranfahren. Ich öffne ihre Tür und hocke mich neben sie. Streichle ihr über den Rücken, während sie würgend die Hundekacktüte umklammert und sich immer wieder in diesen schwarzen Beutel übergibt. „Es tut mir so leid, Mäuschen!“ versuche ich sie zu trösten. Aus einem vibrierenden Mund stammelt sie „Kannst ja nix dafür!“ – kombiniert mit einem „Brrööhhheee“. Ich muss mir umgehend mein Lachen verkneifen. Was für eine Reaktion von einer Sechsjährigen. „Hast ja doch nicht die Mütze genommen.“ erwähne ich beim Mundabwischen. „Zu schöööööön…“ nuschelt sie und spuckt noch einmal in das Tempo. Was für ein Mädchen!

Daheim angekommen, höre ich schon das Öffnen des Anschnallgurtes vom Rücksitz. Ich will gerade den Motor abstellen, da reist sie schon die Tür auf, hüpft aus dem Auto und ruft mir ein freudiges „Danke fürs Fahren!“ zu und ist weg. Aus dem Augenwinkel sehe ich sie noch, wie sie ihren Roller greift und freudig die Straße entlang ihrer Freundin und ihrer Schwester entgegenfährt. Sie brüllt freudestrahlend: „Schaut mal! Ich habe jetzt auch Löcher in den Ohren und ein Einhorn-Glitzer-Shirt hab ich auch!“

Während ich mein Auto putze und versuche, diesen unausstehlichen Geruch aus diesem zu bekommen, lasse ich mir die Worte der Pateneltern von vor sechs Jahren noch einmal durch den Kopf gehen: „In guten wie in schlechten Zeiten, möchten wir, dass ihr für unsere Kinder da seid.“ Tja, ich würde mal sagen, heute ist so ein Tag, an dem wir für eines der Kinder da waren. Mit allem Drum und Dran. Inklusive Traumerfüllung, stinkende Glückseligkeit und einem Putzschwamm.

PS: Ja, dieser Blog und das Foto sind von den Eltern genehmigt.

© by Marita Matschiner

Die Dunkelheit der Wildnis (Teil 5 Binsen-Land)

Die Dunkelheit der Wildnis – pic by Achim Matschiner

Jetzt geht es ans Eingemachte. Und ich rede nicht von Himbeermarmelade oder Zwetschgenkompott. Die Rede ist vom wilden Campen. Hierzu habe ich eine sehr romantische und weichgezeichnete Vorstellung. Ruhe. Stressfrei. Wenig oder keine Menschen. Natur. Wind. Sternenhimmel. Wenn Bären, dann nur die Him-, Blau- und Erdbeeren. Eine wirkliche Herausforderung sehe ich bei der Planung: alle notwendigen Dinge dabei und eingepackt zu haben. Denn mal eben zum Kiosk an der Ecke gehen, um die vergessene Zahnbürste zu kaufen, ist in diesem Falle etwas schwierig – mitten im Nirwana. Improvisieren kann man ja immer irgendwie. Aber aus Ästen, Blättern und einem Kaugummipapier eine Zahnbürste basteln? Muss ja nicht sein. Wir heißen ja auch nicht Mac Gyver. Daher besser alles vorab geplant und eingepackt.

Morgen ist Feiertag und das Wetter ist perfekt für unseren ersten Wildcamping-Ausflug. Am späten Nachmittag brechen wir auf. Der Weg führt erst einmal über eine Bundesstraße, dann Autobahn. Nach gefühlten 30 Minuten sind wir auf einem einsamen und holperigen Kiesweg gelandet. Jetzt schon weit ab vom Schuss. Vorbei an einsamen, halb verkommenen Bauernhöfen und ausgestorbene Gasthöfen. Durch einen Wald, über Holzbalken mitten hinein in die Einsamkeit. Links von unserem Kiesweg geht es steil Bergab, rechts geht es steil Bergauf. Ich sitze kerzengerade auf meinem Beifahrersitz. Jeder Muskel steht unter Spannung. Meine Nägel verewigen sich völlig unkontrolliert in die Handinnenflächen. „Lieber Herrgott. Bitteee, lass uns kein Auto entgegenkommen!!!“ Jetzt geht es auch noch steil bergab. Oh man, ich komme mir vor wie in einer Achterbahn. Um die Kurve rum und da jauchzt mein Mann neben mir: „Da ist es! Wir sind da! Schau wie schön. Und wir sind ganz alleine.“

So viel Wildnis. Soviel Bäume. Direkt an der schönen Ammer. Dieser Platz ist garantiert für jeden Kanuten ein Traum. Vor uns eine Brücke, die zum stillgelegten Wasserkraftwerk Kammerl führt und die für morgen geplante Wanderung der Startpunkt ist. Die Ammer wird hier rechts mit Wald gesäumt und auf der anderen Seite mit großen Steinen. Hier bleiben wir. Ganz klar.

Stühle und Tisch sind aufgestellt. Markise ausgerollt. Boah, wie schön. Kein Handyempfang. Keine Störungen. Die Natur spielt ein Lied für uns. Bäume quietschen und bewegen sich im Wind. Vögel zwitschern. Grillen zirpen. Da fährt ein WOMO mit zwei Kanus auf dem Dach auf uns zu. Ein junges Pärchen steigt aus. Begutachtet den Wasserstand. Steigen wieder in Ihr Womo ein. Sie fängt an zu kochen, während er Zeitung liest. Danach schließen sie von innen die Tür und schalten das Licht aus. Kurz darauf kommt ein VW Bus um die Ecke. Eine Familie mit zwei Kindern. Schauen sich auch den Wasserstand und die Gegend an. Gehen zum Bus, parken um, essen ein paar belegte Stullen und gehen schlafen. Da sitzen wir wieder in der Einsamkeit. In der totalen Stille mitten im Sonnenuntergang und fühlen uns schon wieder wie Hippies! Nach dem Sonnenuntergang folgt Dunkelheit. Und ich meine Dunkelheit. Kein Licht. Keine Straßenlaternen. Keine Ortsbeleuchtung. Einfach nur pure Schwärze und der Sternenhimmel über uns.

Auch Hippies müssen irgendwann schlafen. Daher ist jetzt Sleepiezeit. Man sieht ja eh nix mehr. Mein Mann entscheidet sich, auf der Liege unter freiem Himmel zu nächtigen. Schlafsack ausgerollt und gut ist. Henry und ich schlüpfen in unser Hochbettchen im Bus. Ich genieße noch ein paar Seiten auf meinem Kindl. Immerhin habe ich ihn mir speziell für diese Ausflüge gekauft. Denn mit Stirnlampe zu lesen ist unbequem und lockt unnötig Mücken an. Darum habe ich mich zu dieser elektronischen Lösung durchgerungen (eigentlich bevorzuge ich Papier), um mich in den Schlaf zu lesen. Ist super. Klappt nämlich. Zumindest für zirka eine Stunde. Dann schrecke ich hoch und muss dringend der Natur ihren Lauf lassen. Pippilotta haben wir mit dabei. Aber mitten in der Nacht aufbauen? Ach, da geht doch auch das Waldstück. Schnell nach der parat hängende Stirnlampe greifen und leise die Tür öffnen. Damit der Hund, mein Mann und auch die zeitweiligen Nachbarn nicht wach werden. Soll ja keiner sehen wie ich in Shorts, T-Shirt, Uggs (völlig unterschätzte Campingschuhe) und mit schräg sitzender Stirnlampe auf den zerzausten Haaren in den Wald husche. Aber erst die Stirnlampe anschalten. In dieser unbekannten, dunklen Welt macht es durchaus Sinn ein bisschen was zu sehen. Ich will ja nicht in den Bach stürzen oder gar gegen den nächsten Baum laufen. Hoffentlich sieht auch keiner das Licht. Kaum hab ich diesen Gedanken gedacht, schon geht mein Kopfkino los: Wie sich Vorhänge im WOMO zur Seite schieben, das junge Pärchen mich amüsiert beobachtet. Es gibt nicht so viele natürliche Dinge, die mir wirklich peinlich sind. Aber das irgendwie schon. Warum eigentlich? Ach, die Blase drückt. Kopfkino, aus! Ende! Ich stolpere ein paar Schritte weiter. Bin ich da gerade auf eine Schleimschnecke getreten? Oder war das eine Schlange? Schnell die Stirnlampe auf dem Kopf einschalten. Shitt. Den Knopf habe ich gefunden. Aber bewegen tut er sich nicht! Mann, echt jetzt! Nochmal runter vom Kopf. Konzentriert reiße ich die Augen auf, um in der verdammten Dunkelheit zu sehen, in welche Richtung ich diesen scheiß Knopf bewegen muss! Ah, jetzt bewegt er sich. SCHEISSE! Au! Das tut weh! Der Schmerz bohrt sich wie glühende Nadeln durch die Augen, direkt in meinen Hinterkopf! Die Lampe ist endlich an. Ich Depp habe den Lichtstrahl direkt in die Augen gehalten. Hilfe! Ich bin blind! Jetzt kann ich gar nichts mehr sehen. Ich setzte die Stirnlampe auf und husche schnell in die Richtung, wo der Weg in den Wald gehen müsste. Ich blinzle die Flecken weck, die sich nun langsam ins Sichtfeld schieben. Schnell hinter das Gebüsch und gut ists. Wieder zurück. Die Schuhe lasse ich vorsichtshalber vor dem Bus stehen. Wer weiß in was ich da getreten bin. Bloß nicht drüber nachdenken! Sonst finde ich gar keinen Schlaf mehr. Rosa Elefant. Blumenwiese. Ha, erfolgreich abgelenkt. Zufrieden huschle ich mich wieder zurück ins Bett. Zurück zu meinem Hund.

Nächster Morgen. Kaffee. Unsere Nachbarn schlafen alle noch. Komisch. Die sind gegen 21:00 Uhr alle ins Bett gegangen und schlafen um 7:30 immer noch? Ich dachte immer, der frühe Vogel fängt den Wurm. Gilt wohl nicht für junge Pärchen, die Kanu fahren wollen. Wir machen Katzenwäsche am Fluss, putzen die Zähne. Ziehen die Wanderschuhe an und los geht’s. Auf zu den Schleierfällen. Wir erreichen sie innerhalb kürzester Zeit. Schön sind sie und toll. Beeindruckend, was die Natur von alleine, ohne fremde Hilfe, für Schönheiten erschaffen kann. Irre. Und wir Menschen schaffen es ausnahmsweise auch tatsächlich, diese Schönheit zu erhalten und nicht zu zerstören. Gut so. Weitermachen.

Auf dem Rückweg kommen uns alle 5 Minuten neue Wanderer entgegen. Wo kommen die denn alle her? Zurück am Bus stellt sich uns noch eine weitere Frage: Wann und wie sind die ganzen Busse, Womos und Kangoos hier angekommen? Es müssen um die 30 Autos sein. Alles pilgert entweder mit Rucksack Richtung Wanderweg oder mit Kanu Richtung Wasser. Mein lieber Herr Gesangsverein. Da wird dann auch kräftig was los sein heute.

Während alle anderen jetzt um den besten Platz im Wasser, am Wasserfall oder im Stau kämpfen, gehen wir erst einmal gemütlich Mittagessen. Bis die alle an ihrem Ziel angekommen sind, sind wir schon wieder daheim. So mag ich das. So habe ich mir das vorgestellt, das wilde Campen zu wilden Zeiten. Und hierfür ist Eda auch vorgesehen. Das wird nun einer ihrer Aufgaben sein. Uns sicher und heile an einen ruhigen Platz bringen. Uns in der Nacht Schutz bieten und dann wieder sicher und heile nach Hause bringen. Danke Eda! Du hast mir wieder einmal erfolgreich geholfen, die Welt mit anderen Augen zu sehen und zu entdecken. Und apropos Augen: bei nächsten Trip werde ich vorsichtshalber eine Sonnenbrille neben die Stirnlampe hängen. Sicher ist sicher.

© by Marita Matschiner

    

Blog 2018

November 2018
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Februar 2018
januar 2018

 

Tote Frösche in Gucci-Handtaschen, der lange Lauf mit mir selbst und wie geil ist es auf der Welt zu sein – ein Jahr roaring40s.eu

Juli 2016
Zauberhände
Meine Farbe für das Jahr 2017: WEISS und schön deckend. Aber niemals identisch mit Fingern und Fußnägeln.

The Mall
Keine Zeit für wahnwitzige Shoppingaktionen. Und eigentlich bin ich auch zu geizig geworden. Habe genügend Taschen. Schuhe. Schals. Mhhhhh, obwohl, kann man eigentlich nie genug haben.

Arbeitsloser Mülleimer
Ich rege mich jeden Tag aufs Neue auf. Immer und Immer wieder! Über die Rücksichtslosigkeit und kurze Denke der Bevölkerung.

Sales-Daunenjacke
Haben in der Zwischenzeit auch welche. Mehrere. Weil sie so schön bequem und leicht sind. Irgendwie praktischer als ein langer, schwerer Parker. Aber den liebe ich nach wie vor.

Spieglein, Spieglein an der Wand
Und täglich grüßt das Murmeltier.

Schön ist es auf der Welt zu sein
Bei Dieter war ich dieses Jahr leider nicht. Aber ich summe das Lied nach wie vor sehr gerne vor mich hin.

Was´n für´n Wetter?
Hey, die Wetter-Apps sind gar nicht soooo schlecht. Also hört auf zu jammern! Ich gebe mir ja auch Mühe. Und so eine App ist immer noch besser, als einen Frosch in der Handtasche. Der wäre auch nicht zuverlässiger mit seiner Prognose. Und vermutlich schon längst tot.

 

August 2016
Unkontrollierte Tränen
Kein Kommentar.

Fräulein Tongong!
Der Hund hat in der Zwischenzeit zirka 30 Spitznamen. Und es wird noch weitere geben, da bin ich mir ganz sicher.

45? Scheiß drauf!
Ein Jahr später. Fast ein Jahr älter. Meine Augencreme steht immer noch auf dem Nachttisch. Und meine Einstellung ist immer noch identisch. Nur jetzt merke ich das Älterwerden und verstehe was Mama, Papa und ältere Freunde immer meinen.

Der Schuh, der so ist, wie er ist
Wird immer noch getragen. Jeden Tag im Feierabend. Solange es trocken und warm ist. Leider hat das Leder eine Macke von unserem letzten Urlaub mitgenommen. Auf Grado („Mein Parkplatz. (Teil 3 Binsen-Land)“) habe ich extrem viel Mückenspray benutzt. Nach dem Motto: viel hilft viel. Das Leder ist jetzt matt mit leichter Maserung. Aber mei. A bissi Verlust ist immer.

Deko-Daumen
Wir haben unserem Garten noch eine Chance gegeben. Und geh schau: das Grünzeug wächst! Die Klematis hat momentan 23 riesige lila Blüten. Der Lavendel hat sich von der Höhe her verdoppelt. Nur der Rasen… der schwächelt. Da müssen wir dann wohl nächstes ja mal ran.

 

September 2016
Haarchaos” & Oktober „Haarchaos Reloaded
Sie wachsen wieder. Der Wunsch nach Veränderung wurde durch den langweiligen Wunsch nach einem Pferdeschwanz vereitelt. Privat kann ich jetzt schon wieder ein Pferdeschwänzchen tragen.

 

Oktober 2016
Kopfschütteln
Neue Putzfirma. Hochwertigere Papierhandtücher und keine Stopfaktionen mehr.

Schlechter Scherz
Irgendwie war es dann doch nicht nur ein Spaß. Genau genommen: aus Spaß wurde Ernst und der heißt Trump. Einen großen Vorteil hat die Sache: Europa verbündet sich. Die einzelnen Länder arbeiten enger miteinander als jemals zu vor.

 

November 2016
Scheiß auf Rollentausch
In dieser Fahrradfahrsaison (2017) sind die Radler noch hemmungsloser. Auf den kleinsten Straßen fahren sie nebeneinander und kommen nicht auf die Idee in Kolonne zu fahren. Egal ob ein Auto von hinten oder ihnen entgegen kommt. Habe bis jetzt zwei Mittelfinger gesehen und einer hat mir was hinterher gebrüllt. Mein Mann (als Beifahrer) wollte sich sogar mit einem Fahrradfahrer „unterhalten“.

Katja, eine Wassermelone und ich
In den letzten 12 Monaten habe ich die Innenstadt seltener besucht, als jemals zu vor. Sprich, online Shopping ist Standard geworden. Hiermit entschuldige ich mich ganz offiziell bei dem Einzelhandel.

 

Dezember 2016
Alles MEINS!
Ich kaufe einfach kein Nutella mehr. Einfach so. Ist von der Einkaufsliste gestrichen. Dafür durfte mein Vater bei seinem letzten Besuch den neuen Bounty-Cremeaufstrich versuchen. Und er war begeistert.

Jetzt mal von Frau zu Mann
Dieser Blog hat tatsächlich etwas bewegt. In meinem Umfeld gibt es Männer, die jetzt ein bisschen mehr auf sich achten. Und die die ich damit meine, wissen wen ich meine. Danke dafür.

Someday At Christmas
Ich höre das Lied auch im Sommer. Immer dann, wenn ich an meinen Mitmenschen, der Weltbevölkerung und der ganzen Welt zweifle. Denn dieses Lied gibt mir Hoffnung. Hoffnung auf Vernunft. Hoffnung auf Menschlichkeit. Hoffnung auf eine bessere Welt. Irgendwann. Nicht nur zur Weihnachtszeit.

God safe the Social Commitee
Bin gespannt, was die nächste Weihnachtsfeier für Gesprächsstoff bieten wird. Die Planungen laufen auf Hochtouren und der Termin steht fest.

 

Januar 2017
Zahnfee
Meine Zahnfee sieht mich nach wie vor regelmäßig und sie hat sich sehr über meine positiven Artikel gefreut. Wir duzen uns auch in der Zwischenzeit.

Und die Chöre singen für mich!
Ich bin gespannt, wann mir mein Sommerhit 2017 aus den Ohren hängt. Die Radiosender geben alles, dass das möglichst bald geschieht.

 

Februar 2017
Er. Wir. Ich!
Es hat sich nichts geändert. Der Mann ist die erste Ansprechperson. Wie gesagt, das wird noch Generationen benötigen, bis das in unser aller Köpfe als Normalität abgelegt ist. Jedoch, ich bin kritischer geworden. Jetzt muss ich mir selber zwischendurch an die Nase fassen.

 

März 2017
No Games – Just Sports!“
Und sie läuft und läuft und läuft. Mal mit Hund. Mal ohne.

 

April 2017
Unser italienischer Marktplatz
Wird jeden Morgen bis zur letzten Minute von jedem genossen. Bis auf eine Person. Um etwas zu ändern führte sie Gespräche mit Führungspersonen, Site Leader und dem Betriebsrat. Jetzt sitzt sie woanders.

 

Mai 2017
Guckst Du Himbeertörtchen
Seit ich „Bitte ein Himbeertörtchen“ sage, geht es ganz schnell. Rumstottern ist nur unnötige Zeitvergeudung. Daher: klare Worte.

Auf in das Binsen-Land (Teil 1)
Vorbereitung zur ersten Urlaubsfahrt mit Eda. In der Vorbereitung sind wir in der Zwischenzeit richtig gut eingespielt. Keine Diskussionen mehr ob eine Rolle Toilettenpapier oder zwei.

 

Juni 2017
Living on the Etsch (Teil 2 Binsen-Land)
Daheim habe ich noch keinen einzigen Maikäfer gesehen. Dafür jede Menge Glühwürmchen. Ist aber eine super gute Alternative.

Mein Parkplatz. (Teil 3 Binsen-Land)
Ich hoffe Gernot und Siegried geht es gut und sie hatten einen tollen Urlaub mit Ihren Kindern und Enkelkindern.

Das ist die Zusammenfassung meiner ersten zwölf Monate online, mit diesem Blog. Wer weiß was das zweite Jahr bringt. Die ersten Erlebnisse stehen ja bereits online. Weitere werden garantiert folgen. Danke an Euch! Für Eure Treue und das positive Feedback, dass mir immer wieder als Motivation dient.

 

© by Marita Matschiner

 

Ode an den Anderwald (Teil 4 Binsen-Land)

Anderwald mit Herz – pic by Achim Matschiner

Oh Anderwald am Faaker See.
Scheiß aufs Dichten. Chardonnay!

Ich versuche möglichst vorurteilsfrei zu sein. Aber gerade bei dem Thema Campingplatz kann ich schlecht aus meiner Haut. Da habe ich eine Menge Vorurteile. Sehr viele! Aber der nächste Halt ist ein Campingplatz mit einer mir sehr zusagenden Gemütlichkeit und das auch noch auf hohem Niveau. Was ich hier vorfinde, lässt mich viele meiner Bedenken und Vorurteile direkt und ohne Umschweife in die Tonne treten. Aber jetzt erst einmal von Anfang an. Gemeint ist der Campingplatz Anderwald direkt am Ufer des Faaker Sees.

Wir fahren mit Schrittgeschwindigkeit durch die Einfahrt der Anlage. Die Anmeldung ist im Haupthaus, auf halber Strecke zum See. Durch eine kleine Allee, die rechts und links mit natürlich wachsenden Kiefern und wilden Büschen die Stellplätze vom Hauptweg trennen, wird der Faaker See immer mehr zum Zentrum der Aussicht. Überall auf dem Platz finden sich kleine nette Dekorationselemente. In einer Ecke steht eine alte Holzgartenbank mit einer Laterne an der Armlehne. Im Baum gegenüber hängt ein alter Alukochtopf mit einer eingepflanzten Geranie. Wie süß. Wir dürfen uns einen Platz aussuchen. Egal wo! Natürlich parken wir in der Nähe vom Restaurant, den Waschräumen, Duschen und Toiletten. Wo sonst? 😉

Ich inspiziere erst einmal die Hygieneräume. Hinein ins Haupthaus. Rechts für Herren, links für die Damen. Ich fühle mich leicht überfordert von den vielen Türen. Ich wähle eine nach dem ene-mene-muh-Prinzip aus und finde mich in einem großen Raum wieder. Mit weiteren Türen. Ich komme mir vor wie Alice im Wunderland. Nur mit dem Unterschied, dass diese Türen zu den Toiletten, Dusch- und Waschräumen führen und nicht in eine neue, fantastische Welt. Naja. Irgendwie dann doch in eine für mich neue und fantastische Welt. Denn dezente, sanfte Musik wabert an meine Ohren. Es riecht ganz leicht nach einer Blumenwiese. Alles ist in warmen, hell orangenen Tönen gehalten. Es ist sauber, ordentlich und auch hier überall dezente, liebevolle Deko. Bin ich wirklich auf einem Campingplatz?

Zurück zum Stellplatz. Jetzt erst einmal schnell aufbauen, einrichten und dann duschen. Endlich duschen! Ohne Zeitdruck. Ohne Aussicht auf Wassermangel. Und vor allem temperierbares Wasser. Jede abschließbare Duschkabine hat einen eigenen Vorraum. In diesem kann man seine Klamotten und den Kosmetikbeutel sauber aufhängen oder auf einen Stuhl legen. So bleiben sie während der Saubermachaktion auch trocken. Da hat einer echt mitgedacht. Nach der Dusche kann man seiner weiteren Körperpflege im Duschvorraum nachgehen oder in den Großraumbereich (Hallenbad ähnlich) umziehen. In Anderwald hat man aber noch eine dritte Alternative: die Waschbeckenräume. Hier gibt es jeweils einen großen Spiegel mit Stromanschluss und genügend Ablage und Platz um sich auszubreiten. Ganz großes Kino: beim Blick in den Spiegel erschrickt man nicht!  Wie in so manchen Bekleidungsläden. Selbst nicht nach einer Woche VW-Camping mit Autospiegel oder dem kleinen Klappbaren aus der Handtasche. Diese beiden zeigten mir in der letzten Woche nämlich nur einen kleinen Teil des realen Wahnsinns. War vielleicht auch gut so, nur einen Ausschnitt zu sehen. Nicht so in Anderwald. Endlich mal ein Spiegel der was kann. Das Licht ist angenehm warm und holt nicht die roten Äderchen und sonstige Mängel hervor. Es intensiviert nicht die Makel an unseren Körpern. Die, die wir so schön zu verdrängen oder zu straffen versuchen. Anderwald hat die perfekte Beleuchtung um sich wohl zu fühlen. Nicht nur in den Räumen, auch in seiner Haut. Großartig. Ein ausdrückliches und persönliches Dankeschön von Frau zu Anderwald.

Die Rundbürste kommt zum Einsatz und ich habe endlich mal wieder eine Frisur. Die Wimperntusche sitzt dort, wo sie sitzen soll. Ich sehe mal nicht aus wie ein Waschbär! Sauber und frisch eingecremt fühle ich mich wieder mit mir im Reinen. Glückselig lächelnd komme ich zurück zum Stellplatz. Selben Gesichtsausdruck finde ich bei meinem frisch geduschten und rasierten Mann. Eine Dusche und ein Spiegel sind nach so einer Urlaubswoche tatsächlich purer Luxus. Witzig, wie selbstverständlich man das im normalen Alltagsleben nimmt. Was viele leider gar nicht zu schätzen wissen.

Von außen ist jetzt alles tippi toppi. Jetzt fehlt noch das innere Wohlsein. Essen gehen! Das Restaurant ist bereits um 17:30 Uhr gut besucht. Wir finden trotzdem einen hübschen Platz auf der Terrasse mit Sicht auf den See. Das Restaurant hat eine gut gemischte Karte. Es findet sich für jeden etwas. Für den Pizzaliebhaber, den Gourmet-Genießer und auch für die kleinen Menschen dieser Welt. Das Essen ist phänomenal. Als Nachtisch bestellen wir uns einen Kaiserschmarrn. Die Bedienung schaut uns etwas verwirrt an. „Ähhh…. Das ist echt viel Kaiserschmarrn! Die meisten schaffen das nicht nach einem Hauptgang.“ Wir lassen uns nicht beirren und sind hocherfreut als eine riesige gusseiserne Pfanne, gefüllt mit der weltbesten Mehlspeise, serviert wird. Wir müssen kämpfen. Kämpfen! Geben nicht auf. Schaffen es gerade mal so. An der bestens sortierten Bar kaufen wir uns im Anschluss noch eine Flasche eiskühlten Wein. Mit Blick auf den Sonnenuntergang am See genießen wir unter unserer Markise noch den guten Tropfen und kriechen anschließend glückselig in unsere frisch aufgeschüttelten Schlafsäcke.

Der nächste Morgen. Erst einmal Laufen gehen. Bietet sich ja an. Auf der anderen Seite der Uferstraße ist ein großer Wald mit einem fantastischen Trimm-dich-Pfad. Dieser ist ein absoluter Träum. Nicht diese halb verrotten Hüpf-Holzbalken und verrosteten Klimmzugstangen. Da haben sich einige kreative Köpfe ausgetobt. Es gibt ungefähr 30 verschiedene Übungseinheiten, die völlig harmonisch ins Waldleben eingebettet sind. Vom Fitnesstest gleich zu Beginn bis hin zum ebenerdigen Trampolin. Nach einer sauber- und glücklichmachenden Dusche, beratschlagen wir bei einem Kaffee den nächsten Schritt.

„Wir können ja doch noch eine Nacht bleiben.“ Wie bitte? Was? Wer? Wie? War das etwa ich? Ups. Die Worte sind einfach so aus meinem Mund geflutscht. Erst denken, dann reden! Aber ja, es ist wahr. Tief in meinem Inneren würde ich gerne noch bleiben. Camping Anderwald hat es geschafft, mir meine Phobien ein bisschen zu nehmen. Die Tür ist einen Spalt geöffnet. Offen für diese Art Urlaub. Dank Anderwald und deren Leidenschaft für Kleinigkeiten. Das Ambiente. Die Herzlichkeit. Die Sauberkeit. Für das Mitdenken und das Verständnis für das, was man(n) und Frau auch im Urlaub brauchen, bevorzugen und auch zu schätzen wissen. Ja, ich stehe dieser Urlaubsmöglichkeit nun etwas offener gegenüber.

Leider zieht es mittags zu. Es wird kalt und regnerisch. Sorry, aber hier ist jetzt meine Camping-Grenze erreicht. Bei strömenden Regen und Kälte mag ich nicht zu zweit, mit einem großen Hund, in einem VW-Bus campieren! Auch nicht in Anderwald. Trotz inbrunstartiger Gebete an Petrus – er zeigt kein Erbarmen. Die Sonne zieht sich immer weiter hinter den Horizont zurück und die Regenwolken verdichten sich. Tja, das Wetter hat man nicht im Griff. Den Standort aber schon. Wie wir bereits in Glurns und auf Grado unter Beweis gestellt haben, nutzen wir die Freiheit des Bully-Lebens und brechen auf. Auf zu neuen Erlebnissen. Auf zu neuen Erkenntnissen. Auf zur neu gewonnenen Freiheit. Denn jetzt geht’s ans Eingemachte: Wildes Campen steht auf dem Plan.

Randinfo: Der Chardonnay war ein Grüner Veltliner aus der Region. Aber wäre „Oh Anderwald am Faaker See. Scheiß aufs dichten. Grüner Veltliner!“ wirklich besser gewesen?

         

         

© by Marita Matschiner

Mein Parkplatz. Mein Stromanschluss. Mein Stein. (Teil 3 Binsen-Land)

Zimmer mit Aussicht – pic by Achim Matschiner

Bella Italia! Genau das trifft es. Ich freue mich jedes Mal auf dieses fantastische Land. Es hat alles zu bieten, was ich benötige. Sonne, Pasta, Vino und Schuhgeschäfte. Im Idealfall auch Strand und Meer. Unser Ziel der dritten Etappe kennen wir in- und auswendig. Dort gibt es viel Strand und viel Meer. Grado. Eine zuckersüße kleine Insel in der Nähe von Triest. Schon die Fahrt ist beeindruckend. Über eine Brücke vorbei an den ersten Fischer- und Segelbooten. Alle Fenster runtergefahren und erst mal kräftig durchatmen. Es riecht nach Salzwasser. Nach Fisch. Nach Abenteuer. Vor allem für uns. Der erste Grado-Urlaub ohne gebuchtes Apartment. Ohne Garten und ohne Pool. Das erste Mal ohne den Luxus einer Küche. Ohne Badezimmer mit der selbstverständlichen Dusche und Toilette. Das erste Mal mit und in unserem umgebauten VW Bus „Eda“.

Orientieren müssen wir uns nicht. Nach regelmäßigen Aufenthalten in den letzten 12 Jahren, sind wir mit der Umgebung vertraut. Der Weg führt direkt zu einem öffentlichen Wohnmobilparkplatz. Es gibt zwei Auswahlmöglichkeiten. Der eine Stellplatz ist supernah am Strand, aber ohne alles. Kostet dafür nur 6 € pro Tag. Der Zweite liegt direkt dahinter. Dieser kostet zwar etwas mehr, bietet dafür aber auch Stromanschluss, Frischwasser und Entsorgungsmöglichkeit der Chemietoilette. Die haben wir zwar nicht, aber den Strom nehmen wir dankbar an. Wir finden den für uns perfekten Platz: direkt am Rand mit einer riesen Rasenfläche. Eine große Hecke am Kanal schirmt uns zur angrenzenden Straße ab. Zwei ausgewachsene Bäume spenden uns Schatten und sind ideal, um unsere Solardusche aufzuhängen. Der Supermarkt ist nur fünf Minuten zu Fuß entfernt. Der Strand ungefähr zehn. Und das Schönste an allem: der Stellplatz ist ziemlich leer und der nächste Wagen steht weit weg. Wir sind quasi alleine. Meine Gedanken überschlagen sich: wir stehen mit Eda auf einem Betonparkplatz für zirka 100 Wohnmobile. Mit nichts weiter als einem Stromanschluss. Und hier wollen wir ein paar Tage Urlaub machen? Habe ich mir das wirklich so vorgestellt? War das der Plan, dem ich zugestimmt habe? Anscheinend. Muss wohl geistig nicht ganz auf der Höhe gewesen sein. Jetzt aber die Gedanken ausblenden und die Arschbacken zusammenkneifen. Auspacken, aufstellen, einrichten und wohlfühlen. Wir sind ja in der Zwischenzeit ein gut eingespieltes Team. Haben aus den ersten Lektionen zu Organisation und Logistik gelernt. Jetzt das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren: ein paar Tage abschalten. Lecker Essen. Entspannen. Ruhe im Dolce-Vita-Land.

Nach dem ersten Lebensmittel-Shopping, lassen wir es uns beim Sonnenuntergang mit Oliven, Tomaten, Käse und Brot gut gehen. Bei warmen Temperaturen, ohne Pilgerreisende (Teil 2 vom Binsen-Land) um uns rum. Dafür haben wir dieses Mal andere Action: Mücken. Mein lieber Herr Gesangsverein. Trotz mitgebrachtem Anti-Mücken-Zeug lassen sie uns nicht in Ruhe. Am Abend habe ich die ersten, wie verrückt juckenden Mückenstiche. Ebenso mein Mann. Nur der Hund ist verschont geblieben. Mein Allheilmittel Ouzo (zur inneren und äußeren Anwendung) versagt leider kläglich. Ich verbringe die erste Nacht mit kratzen oder eher mit der Konzentration es NICHT zu tun und einem Surri. „Morgen ist alles wieder gut!“ rede bzw. lalle ich mir ein. Meine Vorfreude auf einen morgendlichen Kaffee im Sonnenaufgang lässt mich die Nacht überstehen.

Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass sich leider nicht alle an meinen Plan halten. Die Mücken sehen die Sache irgendwie anders. Denn im Sonnenaufgang sind die fliegenden Kerlchen lebensfroh und wollen nichts Anderes als Frühstücken. Und da wir wohl die einzigen wachen Menschen auf ganz Grado sind, kommen alle Grado-Mücken zu uns. Sie verzichten darauf, uns einen guten Morgen zu wünschen und starten direkt mit ihrem Frühstück. Ich flüchte in Eda und knalle die Tür hinter mir zu. Den Start in den Tag habe ich mir wirklich anders vorgestellt. Während meiner Schmollphase verabschiedet sich der Sonnenaufgang und ebenso die Mücken. Dafür kommt der neue Nachbar. Ein riiiesen Wohnmobil parkt genau auf dem übernächsten Stellplatz. Bitte jetzt kurz innehalten und sich an den vorletzten Absatz erinnern: der Parkplatz ist ziemlich leer und riesig. Er parkt aber genau bei uns!

Ich gebe der Vernunft nach und komme wieder hervorgekrochen. Mein Mann geht erst einmal mit dem Hund Gassi und lässt mich mit einem Kaffee, zum wach werden, alleine. Nach dem ersten Becher meldet sich mein Darm. Shit. Keine Zeit zur nächsten öffentlichen Toilette zu rennen. Muss jetzt ganz schnell gehen. Da kommt Pippilotta an den Start. Unsere kleine transportable Toilette mit Deckel. Ein bisschen klein, aber in so einer Situation ist mir das scheißegal. Sie hat eine Mülltüte, gefüllt mit Katzenstreu, als Innenleben. So kann man nach seinem Geschäft die Tüte einfach aus der Eimertoilette nehmen und in dem Normalmüll entsorgen. Praktisch. Umweltfreundlich. Sauber. Nur wo stelle ich sie hin? Klar, wir sind ziemlich einsam. Aber Fußgänger kommen trotzdem gelegentlich an unserem Grundstück vorbei. Mal von dem neuen Nachbarn ganz abgesehen. Lösung: Pippilotta darf mit in den Wohn-/Schlafraum von Eda. Während Pippilotta und ich unsere erste nähere Bekanntschaft machen, kommt durch die Hecke ein älteres Paar. War ja klar. Schwupp, den Schlafsack über die Beine gezogen und Kaffeebecher in die Hand genommen. Ich hoffe, ich sehe einfach nur wie eine erwachende Camperin mit Kaffeebecher aus. Jetzt nur keine üblen Geräusche machen. Die beiden grüßen freundlich und ich nicke lächelnd und still zurück. Ich wirke wohl genau wie eine Camperin mit Kaffeebecher in der Hand. Puh, Glück gehabt. Pippilotta hat eindeutig ihre Daseinsberechtigung in Eda unter Beweis gestellt. Trotz Schmunzler von manchen Freunden und Nachbarn bei der Erzählung der Anschaffung. Jetzt wird sie zum Standardinventar befördert. Hat immerhin meinen Arsch gerettet.

In der Zwischenzeit packen unsere neuen österreichischen Nachbarn, Gernot und Siegried, aus. Als die riesige Kofferraumtür nach oben aufgeht, traue ich meinen Augen nicht. Gernot hat seine eigene Werkstatt dabei! Tim Allen aus „Hör mal wer da hämmert!“ wäre neidisch. Alles hängt ordentlich an seinem Platz. Nach Größe und Werkzeugart sortiert. Schmunzler für uns (und der liebe Gott meint es gut mit uns): Gernot ist nicht groß genug um an den Griff vom geöffneten Kofferraumdeckel zu kommen. Er muss hochhüpfen und gleichzeitig versuchen, ein eigens dafür angebrachtes Band zu erwischen, um seine Werkstatt wieder zu schließen. Was er allerdings mehrmals am Tag macht. Und wir haben jedes Mal unseren Spaß.

Gernot ist äußerst redselig und sucht ständig Kontakt. Sie kommen jedes Wochenende und jeden Urlaub hierher. (Aha.) Und stehen dann genau auf dem Platz, auf dem wir eingecheckt haben. (Sorry.) Machen sie schon seit Jahren. (Toll für euch.) Er war früher bei dem Österreichischen Bundesheer – waren tolle Zeiten. Ganz anders als heute. (Ja, ne, klar.) Alles Dinge, die wir gar nicht wissen wollen. Bis auf eine Info: Morgen kommt ihre Tochter mit ihren zwei Jungs und dann werden sie die ganze Woche gemeinsam Familiencampen. Da freuen sich Gernot und Siegried schon seit Monaten drauf. Die Jungs sind richtig tolle und aktive Kinder. Rennen rum und spielen lautstark. (Super. Danke für die Info. Schreit nach einer Planänderung.) Als Gernot uns am Spätnachmittag fragt, ob er einer von unseren großen Steinen von unserem, eigentlich seinem, Parkplatz haben kann (wir haben uns schon gewundert, warum die daliegen), teilen wir ihm mit, dass wir am nächsten Morgen weiterziehen. Er schaut uns leicht enttäuscht an und murmelt ein „Schade, ihr seid so nett.“ und verzieht sich zu Siegried. Insgeheim reibt er sich vor Freude die Hände. Sein Parkplatz wird frei.

Der nächste Morgen. Bei uns ist alles verstaut. Wir verabschieden uns von den Nachbarn. Er drückt uns schnell zwei Abschiedsgeschenke in die Hand. Für meinen Mann einen selbstgebastelten Schlüsselanhänger mit einer Munitionshülse. Ich bekomme ein selbst geklöppeltes Armband mit einem Cent-Stück-Anhänger dran. Hat er gestern Abend für uns gebastelt. Als Erinnerungsgeschenk. Wir bedanken uns artig und sprechen noch bewundernde Worte über seine handwerklichen Fähigkeiten aus. Als wir rückwärts von unserem Stellplatz fahren, lässt Gernot sein riesen Wohnmobil an. Er steuert mit Hilfe von Siegrieds Anweisungen direkt auf unseren ehemaligen Urlaubsplatz zu. So schnell können wir gar nicht schauen, ist unser Betonplatz schon wieder neu besetzt. Sie winken uns kurz und fangen sofort an sich wieder häuslich einzurichten. Stühle raus. Tisch an den gewohnten Platz. Und die Markise wird mit Hilfe von einem stabilen Band erst einmal an dem riesen Stein, der da also nicht einfach so zufällig rumliegt, befestigt – damit ihr ja kein Sturm etwas anhaben kann. (Aha – dafür war der also gedacht.) Sie haben nur drauf gewartet, dass wir wegfahren.

Irgendwie kam ich mir vor, wie in einem All-inclusive Urlaub. Totale Berechnung. Totale Taktik. Totales Selbstverständnis: „Mein Handtuch. Meine Liege. Hier lieg ich immer!“. Gibts wohl auch bei Campern: „Mein Parkplatz. Mein Stromanschluss. Mein Stein.“

Fortsetzung folgt.

PS: Wer etwas mehr über Grado und seine Bewohner erfahren möchte, sollte das Buch von Stefan Maiwald „Laura, Leo, Luca und ich“ lesen.

PS2: Und wer eine Reise  dahin unternehmen möchte, hier gibt es die passende Unterkunft (und zwar nicht auf einem Betonstellplatz).

© by Marita Matschiner

Living on the Etsch (Teil 2 Binsen-Land)

Vanlife – pic by Achim Matschiner

Eine unruhige Nacht habe ich hinter mir. Was werden wir in unserem ersten Urlaub mit und in Eda wohl alles erleben? Ich weiß so gar nicht was auf mich zukommt. Meine Gedanken und Bedenken hierzu habe ich ja bereits im ersten Teil von „Auf in das Binsen-Land“ kundgetan. Egal. Zwischendurch muss man auch mal über seinen Schatten springen und Dingen eine Chance geben. Also Augen zu und durch.

Ein Stau auf unserer geplanten Route zeigt gleich einmal die Vorteile von einem VW-Bus Urlaub: wir sind ungebunden, terminlos und völlig flexibel. Daher runter vom Highway und Richtungsänderung. Statt wie ursprünglich angedacht, nach Österreich zu fahren, landen wir in Glurns, Südtirol. Dort gibt es einen kleinen Campingplatz, der nur 5-10 Minuten zu Fuß von der City entfernt ist. Gut der Begriff „City“ ist jetzt ein bisschen übertrieben. Glurns ist ein kleines, supergemütliches Örtchen. Es bietet die Möglichkeiten und Läden, die man im Leben so braucht. Bäcker, Metzger, Eisdiele, Restaurant, Schuhladen. Und eben einen Campingplatz. Direkt an der Etsch.

Den Stellplatz dürfen wir uns selber aussuchen und wir entscheiden uns für einen leicht schattigen, etwas abgelegenen Platz. Natürlich mit schnell zu erreichenden Hygieneräumen. Zuerst der Weg zu genau diesen. Ja, das passt. Sauber. Keine Spinnweben in den Ecken. Ablageflächen für den Kosmetikbeutel und Haken für die mitgebrachten Handtücher. Kein Toilettenpapier. Aber das ist nicht tragisch. Denn als gut vorbereitete Camper haben wir ja unsere eigene, mehrlagige Rolle dabei. Und wenn ich die Wahl zwischen dem selber käuflich erworbenen, weichen Papier und dem kostenfreien, grauen, recycelten habe, weiß ich genau welches meins sein wird.

Vor dem ersten Aufbau eine kurze Abstimmungsrunde darüber, wer wofür zuständig ist. Das mündet dann auch gleich einmal in eine Mini-Diskussion. Was genau wir alles für einen Tag Aufenthalt benötigen. Und was demzufolge ausgepackt werden muss. Wo wir es sinnvollerweise auf- bzw. hinstellen. Was genau kommt aus den zwei Kisten, die in der eingebauten Truhe stehen, überhaupt zum Einsatz? Denn diese zwei Kisten sind genau genommen unsere Küche. Darin befindet sich alles, was der Mensch für Küchenaktivitäten benötigt. Geschirr, Flaschenöffner, Wasserkocher, Töpfe, Kaffee, Nudeln, Öl und zwei Dosen Thunfisch. Im aufgebauten Zustand versperrt unser Bett den Zugang zu dieser Truhe. Daher: erst grübeln – dann dübeln. In einer Beziehung ist Kommunikation ganz oben auf der To-Do-Liste. Und bei einem VW-Bus-Urlaub noch viel weiter oben! Diese Erkenntnisse haben wir schnell begriffen. Der erste Aufbau verläuft nach den anfänglichen – ich nenne es mal Herausforderungen – doch äußerst stressfrei.

Jetzt erst einmal das Ankommen und den erfolgreichen Aufbau genießen. Dazu gehört ein Glas schön gekühlter Weißwein. Denn dieser dürfte während der Fahrt, in unserer tragbaren und strombetriebenen Kühleinheit, seine richtige Temperatur erreicht haben. Gute Investition. Ach, wie schön. Ruhe, Vogelgezwitscher und eine totale Überraschung: Maikäfer-Gebrumme. Die habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Hier wimmelt es von diesen, wie ich finde, traumhaften Brumm-Käfern. Totale Kindheitserinnerung. Leider bereits fast ausgestorben. Nur nicht in Glurns. Da gibt es ganz viele davon.

Nach unserer ersten Kochaktion auf unserer neuen gasbetriebenen Kocheinheit, nehme ich den ersten wirklichen Job einer Camperfrau wahr. Ich marschiere mit den Spülutensilien und dem dreckigen Geschirr zum Geschirrwaschraum. Der Raum ist sauber, riecht nach Spülmittel und ist gekachelt. Warmes Wasser kostet 1€. Damit kann ich leben und spendiere unserem Geschirr erst einmal eine warme Dusche. Ich gehe meinem Job nach und bin begeistert, wie sich umgehend ein lockeres Gespräch mit dem Campingnachbarn entwickelt. Dieser wurde von seiner Frau verdonnert den Salat zu waschen und zu putzen. In den kommenden Stunden sehen wir ihn noch öfter. Ebenso seinen Hund. Seine Frau ward nur in der Ferne gesehen. Wie sie das Küchenhandtuch zum Trocknen über die selbst aufgespannte Wäscheleine hängt und ihre Flipflops vor dem Womo abstellt. Das lässt mein Herz doch gleich höher springen: genau so habe ich es mir vorgestellt. Totales Camping-Klischee. Amüsier!

20:00 Uhr. Der erste Camper steuert mit Handtuch und Kulturbeutel bewaffnet in Richtung Waschraum. Und schon geht die Pilgerei los. Von allen Ecken und Enden, jedes Geschlechts, jeden Alters, laufen unsere Tagesnachbarn zum Waschraum und starten die abendliche Routine. Gesicht waschen. Zähne putzen. Die Akustik, die aus dem Waschraum zu uns rüber wabert, bestätigt meine Vermutung: der Waschraum scheint das Tagblatt vom Campingplatz zu sein. Hier treffen sich alle bei Sonnenuntergang und kommen ins Gespräch. Tauschen sich über ihre Erlebnisse aus. Erzählen Witze, lachen. Selbstredend amüsieren wir uns darüber, wie unsere Vorstellungen sich von Stunde zu Stunde bewahrheiten. Gegen 22:00 Uhr sind wir die einzigen noch wachen Gäste (wir Hippies!). Nach dem stillen Besuch im Waschraum wird alles verräumt und ab in den Schlafsack. Das Sandmännchen sagt ziemlich schnell „Grüß Gott“ und nach ein paar Aufschreckmomenten á la „Was für ein Geräusch?“, „Schleicht da einer um uns rum?“ verbringen wir die erste Nacht in Eda im vollkommenem, wohltuenden Schlaf.

Einen Haken hat der nächste Morgen allerdings. Mein Mann ist Frühaufsteher (5:00 Uhr). Er lehrt den Hund aus, gibt ihm Frühstück und schickt ihn zurück ins Bett. Hierfür haben wir alles soweit bedacht: Frühstück für Hund und Hundekacktüte waren griffbereit. Nun würde sich mein Mann erst einmal einen Kaffee genehmigen. Wenn denn der Kaffee und der Wasserkocher greifbar wäre. Leider haben wir im Planungseifer wohl vergessen, diese aus einer der Kisten in der Truhe zu nehmen. Der Weg dorthin wird leider vom Bett und der schlafenden Ehefrau versperrt. Er sitzt daher mit einem käuflich erworbenen Camping-Automatenkaffee im weißen Plastikbecher (1€) vor Eda und wartet auf seine erwachende Frau. Was sie dann auch eine Stunde später tut. Während wir unseren Wunschkaffee trinken, startet die Pilgerreise aufs Neue. Schlafanzüge und bunt gemusterte Nachthemden schlürfen mit zerzausten Frisuren Richtung Waschhaus. Amüsier. Amüsier.

Nach der sorgfältigen Planung der nächsten Etappe, dem ordnungsgemäßem Abbau und der sicheren Verstauung unserer Stühle, Tisch, Wasserkocher und weiteren Dingen, sind wir startklar. Startklar unsere Erfahrungen bezüglich griffbereiter Utensilien für den nächsten Morgen, beim nächsten Halt, umzusetzen. Während wir von unserem Stellplatz fahren, der für 14 Stunden unser Garten und unsere Terrasse war, winken uns die Nachbarn vom Frühstückstisch aus zu. Sie beißen gerade in ihr selbst geschmiertes Marmeladenbrot, füllen Plastikbecher mit einer dampfenden Flüssigkeit aus einer Thermoskanne. Nette Menschen. Freundliche Nachbarn. Ganz so falsch lagen wir wohl nicht mit unseren Camping-Vorstellungen. Mal sehen, ob diese bei unserem nächsten Stopp in Italien, auch erfüllt werden. Denn: anderes Land, andere Sprache, andere Sitten. Auch andere Camper?

Fortsetzung folgt.


© by Marita Matschiner

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