Horizonterweiterung mit Aussicht (Womo-Tour Teil 3)

Kühe in Leidenschaft – pic by Achim Matschiner

Die Strecke zu unserem nächsten Halt, haben wir leider etwas unterschätzt. Nach etlichen Kilometern, Stau und einer äußerst kurvigen Straße mitten in der Pampa, sind wir völlig entnervt, hungrig und suchen in der hügeligen Natur nach dem auserkorenen Stellplatz. Nach dem Weingut und dem „Jachthafen“ fiel unsere Wahl auf ein Reitgestüt. Nach gefühlten hundert Kurven und etlichen Kilometern haben wir den Platz endlich erreicht. Ganz toll: wir sind die Einzigen hier! Und wir sind auch die Einzigen hier mit einem Mordshunger. Leider ist weit und breit kein Restaurant in Sicht. Die ganze Strecke wieder zurück zum nächsten Ort? Nein, danke. Ich will endlich in dem bequemen Campingstuhl sitzen. Einen Vino in der Hand und mit Wackel-Jesus auf dem Tisch, die phänomenale Aussicht genießen. Bleibt nur der Pizzaservice.

Der Pizzamann braucht ewig. Er kennt das Reitgestüt nicht und hat erst recht keine Ahnung von dem Womo-Stellplatz, erklärt er entschuldigend. Mal davon abgesehen, hat er auch noch nie gehört, dass sich Camper eine Pizza beim Lieferservice bestellen. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Auch für dich mein Freund. Dieser Tag hat dir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Ist doch toll. Unsere gute Tat des Tages – Horizonterweiterung vom Pizzamann.

Wir sitzen an diesem herzlichen Flecken Natur. Zwischen Äpfel- und Birnbäumen. Der Blick auf eine Weide, auf der Pferde und Kühe grasen. Im Hintergrund sind noch Schafe und Ziegen unterwegs. In dieser Idylle genießen wir unsere lauwarme Pizza mit noch kühlerem Riesling. Wir beobachten die Tiere und stellen fest, sie kommen immer näher. Entweder haben sie keine Scheu oder der Pizzageruch lockt sie an. Gerade die Kühe kommen überraschend nahe. Unserem Hund gefällt das überhaupt nicht und erst nach längerem gut zureden legt er sich wiederstrebend auf seine Decke. Er lässt die großen Tiere aber nicht aus den Augen und beobachtet sehr konzentriert. Was sich da so hinter dem Holzzaun abspielt. Denn da passiert eine ganze Menge. Obwohl die Pizzen bereits vernichtet sind, kommen die Kühe immer näher. Sie sind extrem zutraulich. Ich genieße den Wein und habe nebenbei ein Auge auf unseren Hund. Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich eine riesen Kuh, die sich nur ein paar Meter vor mir heftig bewegt. Ich schaue genauer hin und kann es kaum glauben. Das ist keine riesen Kuh. Das sind zwei riesen Kühe die heftig miteinander kopulieren. Spricht ja erst einmal nichts dagegen. Sollen ja auch ihren Spaß im Leben haben. Das unglaubliche daran ist: die beiden schauen mich dabei an! Ich werde knallrot und fühle mich, warum auch immer, ertappt. Obwohl ich doch gar nichts gemacht habe. Ich bin kein Spanner. Kaum ist die Gesichtsfarbe zur vollen und tiefsten Röte angelaufen, hören die Zwei abrupt auf, drehen sich um und gehen ihres Weges. Was war das denn? Das glaubt mir doch keiner! Mein Mann war in der Zwischenzeit auf Hygienetour und kommt frisch geduscht mit Kulturbeutel unterm Arm wieder zurück. „Alles ok mit Dir? Oder warum bist du so rot?“ Ich berichte und er grinst mich an. „Die haben dich doch nicht angeschaut während sie …..!“ Doch. Habe sie. Ich bin mir ziemlich sicher.

Nach einer kurzen Aufräumaktion und nachfüllen des Vinos, wollen wir die letzten Sonnenstrahlen ausnutzen. Setzten uns, schmeißen die Musik an und stellen Wackel-Jesus in die Tischmitte. Da kommen doch tatsächlich wieder zwei Kühe angesneakt. Stellen sich hintereinander, schauen uns an und legen umgehend los. Und ja, sie schauen uns dabei an. Direkt in die Augen. Ich kann jede einzelne Wimper sehen. So nah sind sie. Wir grinsen, feuern die Kühe an. Können uns ein paar dreckige Bemerkungen nicht verkneifen. Aber kaum geben wir Aufmerksamkeit, hören die beiden auf, drehen sich um und gehen wieder weg. Was für komische Kühe. Oder ist das normal? Wollen Kühe Zuschauer? Sind sie exhibitionistisch veranlagt?

Mit einigen derben Witzen, Vino und Wackel-Jesus lassen wir den Abend bei Kerzenschein ausklingen. Der Plan, am nächsten Morgen zur Familie zum Familienfest zu fahren, mit dieser Geschichte in petto, lässt uns frohlocken. Alleine diese Story jetzt meine nennen zu können, war die ganze Reise schon wert. Welches Stadtkind kann das schon von sich behaupten. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Nicht nur für einen Pizzalieferanten. Auch für mich. Dieser Tag hat auch mir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Die gute Tat zweier Kühe – für mich eine Horizonterweiterung.

© by Marita Matschiner

Laute Türen und Feinripp (Womo-Tour Teil 2)

Wackel-Jesus – pic by Achim Matschiner

Die Fahrt zum nächsten Stopp am Jachthafen, beginnt erst einmal mit einem Stau auf der Autobahn. Was mich in einem Wohnmobil erst einmal relativ kalt lässt. Die Toilette funktioniert ja trotzdem. Nimmt den Stress und den Druck. Am Nachmittag treffen wir in dem Örtchen ein und finden den Jachthafen relativ schnell. Den Begriff „Jachthafen“ für diese paar Boote und den kleinen, schmalen Fluss zu verwenden, ist etwas übertrieben. Um dem Namen „Jachthafen“ aber eine Daseinsberechtigung zu geben und zusätzlich mehr Pepp zu verleihen, hat man eine kleine Anlegestelle gebaut. Ergänzt wurde diese mit einem „Clubhaus“. Das nennt sich nun Jachthafen. Das sind echt große Buchstaben für diese kleine leicht improvisierte Anlegestelle.

Der Stellplatz ist umzäunt und der Boden ist aus altem geraspeltem Straßenteer. Was uns trotz 28 Grad Außentemperatur abhält, barfuß durch die Gegend zu laufen. Die ersten Camper stehen schon. Merkwürdig ist nur: alle haben geschlossene Fenster und Türen. Na gut, vielleicht sind sie gerade mit ihren Booten unterwegs.

Wir suchen uns eine freie Ecke. Direkt an einer kleinen grünen Hecke und ein Stückchen Wiese. Nach einem Besuch im Lebensmittelladen haben wir unser Refugium dann komplettiert. Markise ausgefahren. Stühle aufgestellt. Und ganz wichtig, ein Wackel-Jesus kommt direkt auf die Mitte des Esstischs. Diesen Wackel-Jesus hatten wir unseren Freunden als Glücksbringer zum Erwerb des Womos geschenkt. Dieses unglaublich kitschige Dekoteil begleitet jetzt das Womo überall hin. Von uns wird er bei jedem Halt ausgepackt und darf die Zeit mit uns gemeinsam verbringen. Ein kleines Stück Glückseligkeit gepaart mit Humor, in diesem skurrilen Umfeld.

Mein Mann beginnt die Kochlöffel zu schwingen und kümmert sich um die feste Nahrung. Ich öffne solange eine Flasche Vino. Mal schauen, ob er hier auch so gut schmeckt wie am Herstellungsort. Es geht auf die reguläre Deutsche Abendessenszeit zu. Mit einem Schlag öffnet sich die Tür vom Womo auf der gegenüberliegenden Seite. Ein älterer Mann mit Bauch, Feinrippunterhemd, Unterhose und Adiletten klettert heraus. Er stellt eine Mülltüte vor sein Gefährt und klettert wieder hinein. Schlägt krachend die Tür hinter sich zu. Huch. Wir zucken zusammen. Was war das denn? Wir wenden uns kopfschüttelnd wieder einander zu. Nun geht bei einem anderen Womo eine Tür auf. Und ein Fenster. Die Ehefrau scheint gerade zu kochen, denn der Mann wedelt heftig mit einer Zeitung. In Feinrippunterwäsche. Und Adiletten. Er versucht offenbar irgendeinen Nebel aus dem Auto zu fächern. Der Geruch von zu scharf angebratenen Zwiebeln schwebt nun auch zu uns rüber. Ja, den möchte ich auch nicht in meinem Schlafzimmer haben. Nach einer Minute hat er bereits einen knallroten Kopf und schwitzt stark. Ich nehme vorsichtshalber schon einmal das Handy in die Hand um für einen Notarztanruf gerüstet zu sein. Wenn der Mann diese hektischen Bewegungen weiter macht, wird das wohl auch notwendig sein. Nach einiger Zeit gibt er sich zufrieden. Steigt schwerfällig die Stufen empor und schmeißt mit einem riesen Karacho die Tür hinter sich zu. Die Türen möglichst laut zu schließen scheint hier Gang und Gebe zu sein.

Ein paar Minuten später öffnet sich das große, hintere Fenster eines anderen Wagens. Da sitzt ein Mann direkt am Fenster. Er schreibt wie wild irgendetwas auf. Klopft zwischendurch mit der Faust und dem Kugelschreiber auf den Tisch, kuckte in die Luft als scheint er zu überlegen. Plötzlich geht ihm wohl ein Licht auf. Ich kann richtig sehen, wie es Klick bei ihm macht. Er kritzelt wieder irgendetwas. Allerdings ist er damit wohl nicht zufrieden und er zerknüllt das geschriebene etwas und schmeisst es sehr emotional aus dem Fenster. Er schließt das Fenster, natürlich, mit einem riesen Knall. Es scheint hier normal zu sein, sich nur akustisch bemerkbar zu machen. Na, das können wir auch. Demonstrativ setzten wir uns lautstark auf unsere Stühle. Drehen die Musik auf und lassen den Wackel-Jesus kräftig schunkeln. Er gibt alles! Er bewegt sich im Takt zu der Urlaubsmucke und wir bestärken ihn tatkräftig mit Applaus und Gesang.

Der nächste Morgen. Die Ruhe wird nur durch ein paar zuschlagende Türen und Fenster unterbrochen. Wir fragen uns, warum diese Menschen einen Campingurlaub machen, wenn sie eh nur drinnen sitzen und zwischendurch Fenster und Türen zuschlagen. Geht das zuhause nicht? So ganz schlüssig ist uns das alles nicht. Kaffeeschlürfend kommt der Womo-Führer zum Einsatz. Eine weitere Nacht wollen wir hier garantiert nicht bleiben. Der Ort sowie auch der Stellplatz geben so ganz und gar nicht das her, was der Ortsname und der „Jachthafen“ vermuten lässt. Daher: Augen zu und mit dem Finger auf der Karte.

Jetzt geht es auf in die Pampa. So richtig aufs Land. Das neue Ziel: ein Reitgestüt das wir in ungefähr vier Stunden erreichen können. Das klingt doch mal toll. So richtig toll vor allem, da es nur drei Stellplätze gibt. Das klingt nach unserem Platz. Schnell zusammen gepackt. Wir müssen ja früh dort sein, um wirklich einen Platz zu ergattern. Vorher wollen wir uns aber noch standesgemäß verabschieden. Deshalb: noch einmal kurz mit den Fenstern und der Tür gescheppert. Man passt sich ja an.

© by Marita Matschiner