März 2021
Februar 2021
Als Kinder konnten wir gewisse Tage im Jahr kaum erwarten: Weihnachten, Ostern und Geburtstag. Das waren soooo große Tage und es dauerte sooo lange, bis sie endlich da waren. Als ob man ein riesiges Nutella Glas in den Händen hält und es trotz aller Anstrengung nicht aufbekommt. Wenn der Tag dann endlich da war, schwebte das Konfetti zusammen mit Seifenblasen schon morgens durch das Zimmer. Die Luft roch nach Zuckerwatte. Man fühlte sich, als ob man eine Fee, ein Einhorn und den Regenbogen gleichzeitig entdeckt hat. Es war einfach alles rosarot und glitzerte.
Je älter wir werden, desto weniger erinnern wir uns. An dieses Gefühl, etwas kaum erwarten zu können. Diese leider unschöne Veränderung passiert nicht von heute auf morgen. Das geht Stück für Stück. Von Jahr zu Jahr wird es irgendwie anders. Wenn heute der nächste Geburtstag naht, schaue ich in den Spiegel und suche den optischen Verfall anstelle mich auf ein weiteres Jahr voller neuer Eindrücke, glückliche Momente und neue Lebenserfahrungen zu freuen. An Weihnachten mag ich vor allem die Vorweihnachtszeit. Nicht die drei Tage an sich. Die sind irgendwie immer ein bisschen anstrengend. Jedes Jahr aufs Neue habe ich Spaß daran die Weihnachtsdeko auszupacken und überall in der Wohnung zu verteilen. Aber ich freue mich mehr, wenn es wieder vorbei ist und ich die kitschigen Engelchen und Kügelchen wieder in ihre Kisten packen kann. Ab in den Speicher damit. War wieder schön mit euch. Sehen uns dann Ende November wieder.
Unser wichtiger Tag, den wir seit nun mehr 2,5 Jahren fast täglich herbeisehnen, ist der 15. Februar 2021. Er ist fest im Kalender eingetragen. Denn das wird ein ganz großer Tag! Würde es einen Adventskalender mit 880 Türchen geben, er würde hier hängen. Ein Maßband mit 8,80 Meter Länge und jeden Tag um ein Zentimeter gekürzt, es würde mir gehören. Und, es wäre jetzt gaaaanz kurz.
Am 15. Februar 2021 wird nämlich alles anders. Alles ruhiger. Alles entspannter. Alles leichter. Denn unser Gibson hat Geburtstag. Gibson wird ENDLICH fünf (5) Jahre alt. Fünf Jahre ist für diese Rasse ein wichtiges Alter. Denn mit Fünf wird ein Deutsch Kurzhaar (DK) ruhiger, entspannter, gelassener. Mehrere erfahrene DK Halter haben uns das versprochen. Hoch und heilig. Wir beten inständig, dass auch nur ein bisschen Wahrheit hinter dieser Ankündigung steckt.
Das liest sich jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig. Bitte nicht falsch verstehen. Wir lieben ihn so wie er ist. Mit allen Eigenschaften. Egal ob gute, schlechte oder ungestüme. Wir sind stolz auf ihn. Sehr stolz. Er hat in den letzten drei Jahren so viel gelernt. Er gibt sich so viel Mühe, die Emotionen und seine Impulsivität im Griff zu halten. Trotzdem ist es manchmal echt anstrengend, wenn ein Eichhörnchen in unserem Hof spazieren geht. Die Amseln sich einen Spaß mit ihm erlauben. Sie sitzen dann im Baum über ihn. Starren auf ihn hinab während sie ihn anzwitschern und dann irgendwann fliegen sie ganz nah an ihm vorbei. Er dreht dann völlig durch. Wird zum Wirbelsturm. Ein Hund auf ADHS. Getoppt wird dieses Verhalten nur noch bei Katzen. Bevorzugt, wenn sie uns beim Gassi gehen begegnen. Dann ist er ganz raus. Früher haben wir umgehend abgebrochen und ihn am Halsband direkt nach Hause gezerrt. In der Zwischenzeit können wir es im Freien aussitzen. Es dauert (zirka fünf bis zehn Minuten) bis er wieder ein bisschen Gibson ist. Ein bisschen Gibson mit ein bisschen ADHS. Zumindest solange keine weitere Katze, Eichhörnchen oder Amsel unseren Weg kreuzt.
Am Anfang dachten wir es liegt an uns. Wir haben alles gelesen. Sämtliche Möglichkeiten in Betracht gezogen. Vieles ausprobiert und trainiert. Mit minimalem Erfolg. Dann war die nächste Schlussfolgerung: Es liegt an Gibson. An sein Leben vor uns, bzw. das nicht-Leben, das er gezwungen war zu führen. In diesem drei mal vier Meter großen Freilandzwinger ohne Auslauf. Ohne Ansprache. Ohne Zuwendung. In der Zwischenzeit wissen wir aber: Es ist eine Kombination. Seine ersten Jahre in der Zelle und seine Rasse. Der Deutsch Kurzhaar hat es nämlich faustdick hinter den Ohren. Er ist ein Treibauf. Ein Hund auf Speed. Und dieser kann ums Verrecken nicht an der Leine gehen. Schon gar nicht bei Fuß. Sie wollen laufen, laufen, laufen. Und die Welt erkunden. Alles ist interessanter. Wirklich alles. Selbst ein im Wind segelndes Blatt. „Impulskontrolle? Da war was. Stimmt. Da vorne liegt doch aber ein Stein – da muß ich hin. Egal ob du ein Leckerli in der Hand hältst. Oder am Ende der Leine hängst. Ich weiß du hast die Macht über mein Frühstück und Abendessen. Aber ich will zu diesem Stein! Ich MUSS zu diesem Stein!“ Und das tut er auch. Mit allen Konsequenzen.
Ein DK Halter hat viel zu tun. Training. Spielen. Kopfarbeit. Nasenarbeit. Bewegung. Und wieder von vorne. Vor 2,5 Jahren haben wir nicht gedacht, dass wir das Schaffen. Es ist Arbeit. Viel Arbeit. Sicher, es macht Spaß sich mit seinem Hund zu beschäftigen. Aber geht das nicht auch mal ein bisschen ruhiger? Ein bisschen konzentrierter? Ein bisschen entspannter? Ab dem 15. Februar 2021 wird unser Leben anders. Garantiert. Das ist der Tag der Tage. Wir glauben fest daran. Und dann gibt es ein riesen Glas Nutella. Und um uns rum fliegt Konfetti, gleiten Seifenblasen und die Welt wird rosarot glitzern!
© by Marita Matschiner