Nicht jede Firma kann es sich heutzutage leisten und seine Mitarbeiter einmal im Jahr zu einer großen Weihnachtsfeier einladen. In den meisten Unternehmen bedeutet Weihnachtsfeier: ein Essen beim Italiener, Griechen oder dem Restaurant mit der guten deutschen Hausmannskost. Hier sitzt man eng mit seinen Kollegen beieinander und quält sich von Aperitif über das Standard-Drei-Gänge-Menü. Einer abschließenden italienischen Kaffeespezialität (egal in welchem Lokal) begleitet durch einen Schnaps seiner Wahl. Man lauscht den gleichen Geschichten wie im letzten Jahr – denselben anzüglichen Witzen und Bemerkungen wie 2015, 2014, 2013….
Ich habe das Glück in einem großen, globalen Unternehmen tätig zu sein. Dieses lässt es einmal im Jahr krachen. Das Social Committee (Freiwillige, die Spaß daran haben, interne Events zu organisieren und zu koordinieren) gibt alles. Es versucht möglichst viel unterzubringen und möglichst jeden Wunsch und jede Vorliebe zu berücksichtigen. Das Credo: dieser Abend wird für jeden Mitarbeiter ein voller Erfolg! Der Event ist mit Herz und Liebe geplant und durchdacht. Daher auch meistens ein voller Erfolg. Aber eben nur meistens. Denn am nächsten Tag hört man die einzelnen „Verbesserungsvorschläge“:
- Keine Parkplätze, Parkhaus zu teuer, Haltestelle zu weit weg
- Veranstaltungsort zu klein, zu groß, zu weit weg
- Essen zu kalt, zu wenig, keine laktosefreie Zone, Büffet zu weit weg
- Zu wenig Cocktails, Bier schlecht eingeschenkt und überhaupt – die Bar war zu weit weg
- Zu viel/wenig Spiel, Spaß, Spannung und Überraschungen und dafür war man eh viel zu weit weg
- Rede(n) zu kurz, zu lang, zu leise, wie immer und den Redner konnte man gar nicht sehen – war ja zu weit weg
- Musik zu laut, zu leise, falsche Auswahl, Tanzfläche zu klein und die war dann auch noch zu weit weg
Die Gäste sind Menschen. Individuen. Und jeder von diesen einzelnen Personen hat seine eigenen Vorstellungen, Vorlieben und Befindlichkeiten. Jeder sieht seine eigenen Vorstellungen, Vorlieben und Befindlichkeiten als selbstverständlich an. „Das sieht doch schließlich jeder so!“ Es fällt einem schon manchmal schwer, etwas toleranter den Mitmenschen gegenüber zu sein. Wenn man dann einmal innehält und einfach das Gespräch sucht, stellt sich schnell heraus warum diese Einstellungen und Wünsche vorhanden sind. Oft sind diese Gründe lebenssituationsabhängig oder sogar zwangsbedingt. Es macht durchaus Sinn, dass es Gerichte ohne Milchprodukte gibt, für die Kollegen die eine Laktoseintoleranz haben. Sonst verbringen sie die ganze Nacht im Zimmer mit den vielen Kacheln. Die Kollegin, die zu Hause zwei kleine Kinder hat, will einfach keine lauten Gespräche und bassvibrierende Musik hören. Der Kollege der von 220 Arbeitstagen im Jahr circa 200 Tage auf Reisen ist: er freut sich darauf, endlich mal wieder auf einen Austausch mit seinen Kollegen. Die früheren Partygänger, die jetzt verheiratet sind und mit Kind und Hund jeden Abend daheim sitzen, wollen bei lauter Musik einfach mal wieder das Tanzbein schwingen.
Man könnte jetzt erwidern: dann bestell doch einfach Salat mit Essig und Öl. Treff dich mit deinen Kollegen außerhalb der Firma und Privat. Junge Mami, geh doch einfach mal in ein Spa. Und wenn du tanzen gehen willst, ab in die Disco mit dir.
Aber wenn ein Unternehmen Geld und Ressourcen zur Verfügung stellt, ist es das Mindeste dieser Einladung auch zu folgen. Aus Respekt und Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber. Wenn man das dann auch mit den angenehmen Dingen im Leben verknüpfen kann – hey – rein in die schicken Klamotten und los geht’s. Auf einen schönen, entspannten, lustigen oder interessanten Abend. Man hat es in der Hand. Man kann den Abend mitgestalten. Ob mit Milchprodukten oder ohne. In Gesprächen oder stillschweigend. In Tanzschuhen oder ohne.
Ich habe einen riesen Respekt vor dem Social Commitee. Die Kollegen, die sich freiwillig diesen Diskussion stellen. Im Vorfeld viele Tipps und Anregungen bekommen. Im Anschluss viel Kritik und Kommentare der Unzufriedenheit erhalten. Sie tun dies freiwillig! Sie haben diesen Job aus Freude und Goodwill übernommen. Denn einer muss diesen Job machen. Ansonsten heißt es am Ende:
Pro Abteilung gibt es ein kleines Budget: ein Essen beim Italiener, Griechen oder dem Restaurant mit der guten deutschen Hausmannskost.
© by Marita Matschiner