Es gibt einen wirklichen großen Vorteil am Herbst. Einen triftigen Grund. Eine Daseinsberechtigung für Wind, Regen und Kälte: wenig oder gar keine Radfahrer auf den öffentlichen Straßen!
Zu dieser äußerst unangenehmen Jahreszeit ziehen sich die Radfahrer in ihr Winterquartier zurück und werden nur noch begrenzt auf den öffentlichen Wegen angetroffen. Wenn man ihnen als Autofahrer dann doch begegnet, sind sie wenigstens da, wo sie auch hingehören: auf dem Radweg. Bedingt durch die schmalen Wege auch brav hintereinander, gut sichtbar und hoffentlich meist beleuchtet.
Im Gegensatz dazu trifft man diese Sorte von Outdoor-Sportlern zu den schönen Jahreszeiten gerne und häufig auf den Straßen an. Leider treiben einige einen manchmal in den Wahnsinn. Sie schaffen es, dass ruhige ausgeglichene Autofahrer plötzlich ihr Gemüt verändern. In der Öffentlichkeit auch mal aus sich raus gehen und lautstark ihre Meinung kundtuen.
Ich bin ein ruhiger Verkehrsteilnehmer. Manchmal ein bisschen – sagen wir mal – zügig unterwegs. Ich Fluche so gut wie nie! Kreische nicht herum. Werde nicht hysterisch. Ebenso vermeide ich tunlichst unschöne, unfreundliche, herablassende und vulgäre Namen für meine Mitverkehrsteilnehmer. Wenn nur diese Fahrradfahrer nicht währen.
Diese Radfahrer, die der Meinung sind, Ihnen gehört der Asphalt. Am schlimmsten sind die „nebeneinander Fahrer“. Natürlich muss man während dem Ausflug miteinander reden. Sich austauschen. Bevorzugt auf den kurvenreichsten, schmalsten Bereichen der Strecke. Mit dem Auto fährt man dann mit ungefähr 25 km/h über eine ewig lange Strecke hinter ihnen her. Wartet auf seine Chance, diese durchgestylten Sportler zu überholen. Dem Anblick der leider meist unförmigen Hinterteile, die auf dem Sattel von rechts nach links schwanken, zu entkommen. Endlich die erwartete Pause vom Gegenverkehr. Man nutzt die Gelegenheit. Gibt durch Blinken dem nachfolgenden Verkehr Signal. Beschleunigt und startet das lang ersehnte Überholmanöver. Sobald man auf ihrer Höhe ist, zuckt plötzlich der zu überholende Radler kurz Richtung Auto. Bedenklich nähert er sich dem rechten Außenspiegel. Die linke Hand löst sich etwas unkontrolliert vom Lenker. Wird zur Faust geballt und dann folgt der Mittelfinger. Der Gesichtsausdruck des Bikers wird aggressiv und er bewegt die Lippen. Es ist ziemlich offensichtlich: er schimpft. Und das bitterböse. Vermutlich benutzt er einige Schimpfwörter, die nicht für minderjährige Ohren bestimmt sind. Dem Autofahrer bleibt nur ein leises stilles Gebet gen Himmel zu schicken und den Abstand zum dem Zweirad möglichst schnell zu vergrößern.
Scheiße! Rollentausch.
Da bin ich nun: Radausflug mit meinem Mann. Wir wollen in den Biergarten. Ich bin mir nicht sicher welche Strecke wir nehmen. Das Auto hinter mir ist noch weit entfernt. Also wage ich es: ich trete beherzt in die Pedale, um kurz neben meinem Mann zu fahren. Frage ihn, welche Strecke wir nehmen wollen. Da setzt ein Auto hinter mir zum Beschleunigen an. Das laute Geräusch des Achtzylinder erschreckt mich und ich schlingere. Aber er war doch eben noch so weit entfernt. Ich muss mich konzentrieren um weiter geradeaus zu fahren. Der Wagen fährt erschreckend nah an mir vorbei. Ich hebe die Hand. Zuerst zur Faust geballt und dann den Mittelfinger gehoben. Es fallen mir hundert vulgäre neue Namen für den Fahrer ein. Und ich brülle sie lautstark in seine Richtung. Der Fahrer schüttelt den Kopf und fährt an uns vorbei.
Mir bleibt es nur ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken und den Abstand zu dem lautstarken Gefährt vergrößern zu lassen. Mit der Hoffnung, der nächste Herbst kommt bestimmt. Und das Fahrrad wird für diese Saison wieder einmal einzumotten.
© by Marita Matschiner
Liebe Marita, auch Deine dritte Kurzgeschichte die ich gelesen habe, hat mich zum Schmunzeln gebracht, ich freue mich auf weitere von Dir!