Auf in das Binsen-Land (das geht in die Binsen) Teil 1

 

Da stehen wir nun: zirka 24 Stunden vor Abfahrt. Der Abfahrt in den Urlaub. Erst einmal nichts Ungewöhnliches. Ist ja nicht der erste Urlaub. Aber der erste Urlaub mit unserem neuen VW Bus. Diesen hatten wir im September letzten Jahres gekauft und in den vergangenen Monaten entsprechend umgebaut. Das Ziel: eine Traumerfüllung von meinem Mann. Genügend Platz, um seinen sportlichen Hobbies ohne große Umbauaktionen des Autos oder der Sportgeräte, nachzugehen. Zusätzlich stehen nun gemeinsame Kurzausflüge mit Übernachtungen auf dem Plan. Um aber erst einmal richtig in dieser für mich neuen Welt anzukommen, starten wir mit einem richtigen Urlaub.

Ich mache gerne Urlaub. Wer auch nicht. Ich gehöre nur nicht zu den Hotelurlaubern. All-inclusive ist auch nicht so meins. Kann ich aber auch durchaus genießen. Aber Campen? Dieser Begriff zusammen mit meinem Namen in einem Satz? Ähh, einfach nur NEIN! Campen steht noch nicht einmal ganz unten auf meiner Wunschurlaubsliste. Da finden eher noch TUI und der Robinson Club einen Platz. Wenn auch ganz, ganz unten.
Ich bevorzuge ein kleines Häuschen oder zumindest eine Wohnung ganz für mich, meinen Mann und meinen Hund. Aufstehen wann man will. Nämlich morgens zwischen 6:00 – 7:00 Uhr. Tun was man will. Essen wann man will. Keine Kämpfe um die Sonnenliegen in der besten Lage oder sogar Handtücher in aller Herrgotts früh verteilen. Sonnenliegen um den Pool herum oder sogar gegen Cash am Strand. Fehlt nur noch das Wiener Schnitzel und das Bayrische Weißbier. Pah. Nein Danke!

Ich möchte dort einkaufen, wo auch die Einheimischen einkaufen gehen. Die Lebensmittel und den Weißwein käuflich erwerben, wie alle anderen die in diesem Ort leben. Lieber in einem kleinen einheimischen Restaurant essen gehen und nicht an der Promenade, wo jeder Touri abgezockt wird. Noch besser ist es allerdings, wenn mein Mann selber kocht. Denn dann habe ich eine Win-Win-Win Situation. Ja, gleich Dreimal. Erstens, weil es sensationell schmeckt. Zweitens verwenden wir nur die landestypische Lebensmittel. Und drittens: er baut noch besser seinen beruflichen Stress ab. Win-Win-Win eben.

Wieder zurück zum Bulli. Dieser wurde nach unserem Traumdomizil „Villa Eda“ benannt. Bulli Eda. Neben Standheizung, kompletter Wärmeisolierung und Parkettboden, hatten wir uns entschieden eine Sitzreihe aus dem 8-Sitzer auszubauen. Stattdessen wurde eine Truhe, L-förmig zur verbliebenen hinteren Sitzreihe, fest mit dem Boden verankert. Als zusätzlicher Stauraum dient ein eigens dafür gezimmerter Korpus im Kofferraum. Die Markise war der vorletzte Schritt. Der letzte war dann das Bett, welches ein stolzes Mas von 1,50 Meter auf 1,90 Meter zur Buhbuhruhe einlädt.

Genau genommen sieht der Bus nun nicht nur von außen schick aus. Auch von innen kann er mit seinem rustikalen Patina-Holzboden und dem grau-schwarz-gelben Innenleben durchaus als irre schick beschrieben werden. Um den ganzen noch einen gemütlichen Touch zu geben: gelbe Kissen auf die Sitzbank dekoriert und ein knallgelber Sonnenblumenkopf auf dem Armaturenbrett. Dieser strahlt nun auch bereits auf den ersten Blick die pure Lebensfreude aus.

Jetzt aber zum Thema Binsen-Land. Denn meine größte Panik vor so einem Urlaub ist: keine Toilette, wenn ich dringend mal eine brauche. Oder diese besudelt und stinkend vorzufinden. Bei diesen Gerüchen würde noch nicht einmal mein Hund eine Pfote in den Raum setzen. Eine unsaubere Dusche auf irgendeinem Campingplatz, der laut Campingführer aber als großartig angepriesen wird. In Wahrheit aber eine absolute Bakterienkatastrophe ist. Unterstützt durch einzelne fremde Haare, die einsam und verlassen von ihrem Besitzer zurückgelassen wurden. Diese Extremcamper in Feinripp mit Adiletten und einer Bild-Zeitung in der Hand. Die auf ihren Campingstühlen nur darauf warten, neue Nachbarn als Gesprächspartner zu finden. Einen weiteren Grund haben, endlich ein Bier nach dem anderen öffnen. Die sich mit ihren Womos in Reih und Glied auf den Campingplätzen oder Betonflächen stellen. Stühle aufbauen, Wäscheleinen aufspannen und ihren Kaffee aus Thermoskannen trinken und dazu ihre selbstgemachten Stullen schnabulieren. Wie gruselig – allein schon die Vorstellung.

Wichtig für mich für einen solchen Trip sind fünf Bedingungen. Eine tragbare Kühleinheit – denn ich hasse lauwarmen Weißwein. Die Möglichkeit zu kochen, um selbst in freier Wildbahn nicht auf die gigantischen Spagetti verzichten zu müssen und um dieser Stullennummer zu entkommen. Eine Dusche. Auch wenn ich meine täglichen Duschen auf einen zweitägigen Rhythmus reduzieren kann, bin ich nicht wirklich noch kompromissbereiter. Da Urlaub für mich auch bedeutet, ausgiebig meinem Sport nachzugehen, ist eine anschließende Dusche nicht diskutierbar und auch wirklich dringend notwendig. Eine Toilette. Ich kann Pipi auch in der freien Wildbahn erledigen. Ist mir lieber, als an diesen Raststationen, wo es stinkt und schon hunderte andere Damen vor mir ihr Geschäft verrichtet haben. Aber einmal am Tag seinen eigenen Topf zu haben, ist nun wirklich alles andere als dekadent. Und ganz klar: die Stellplätze werden mit großer Präzession vorab begutachtet. Wir vermeiden möglichst zu nahe Campingnachbarn, die uns ein Ohr abkauen. Sollte ja auch kein Problem sein. Gibt ja genügend Flächen in Europa.

Daher. Plan steht. In 24 Stunden geht es los. Auf in das Binsen-Land und zu einer – für mich persönlich größten Herausforderung.

Fortsetzung folgt.

© by Marita Matschiner

Guckst Du Himbeertörtchen

pic by Achim Matschiner

Die Kommunikation der Menschen geht derzeit in zwei Richtungen. Zum einen haben wir die „Hey, Alder!“-Nachwuchsgeneration. Die benutzten Wörter werden hier auf ein Minimum reduziert. Es geht nicht darum, große anspruchsvolle Sätze von sich zu geben. Vielmehr ist das Ziel, mit möglichst wenigen, einfachen und cool klingenden Begriffen die Kommunikation herzustellen. Eben mit „Was kuckst du!“ oder „Was ist, Alder?“.  Gut, man könnte hier tatsächlich eine Wertung verstehen. Ein herablassender Umgang untereinander. Die nicht wertgeschätzte Gesprächsperson. Das ist damit aber gar nicht so gemeint. Sie reden halt einfach so miteinander. Allerdings alleine die Vorstellung, dass das unsere Zukunft sein soll. Die Generation, die sich um unsere Renten und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft kümmert! Und das ist keine Frage. Das ist ein Fakt. Denn genauso ist es. Dieser Nachwuchs werden die zukünftigen Verkäufer, Beamten und Büroangestellten sein.

Wenn man sich dagegen mit anderen Menschen außerhalb dieser oben beschriebenen Generation unterhält, wird mir auch manchmal Angst und Bange. Für viele zählt eine normale Kommunikation nicht mehr. Es heißt, möglichst viele Fremdwörter in einen Satz einzustreuen. Da heißt es dann, um einige einfache Beispiele zu nennen: „Das tangiert mich peripher“ oder „Sie hat so ein urbanes Wesen!“. Wenn man dann auch noch geschäftlich im Gespräch ist, kommen nicht nur Fremdwörter zum Einsatz. Auch Fachbegriffe nehmen Einzug ebenso wie Abkürzungen. Und dann könnte es besonders schwierig werden. Oder wisst ihr sofort was gemeint ist, wenn der Friseur von „effilieren“ spricht?  Oder im Büro die Champagnerkorken knallen, weil einer einen „Pitch“ gewonnen hat. Oder man heute Abend noch ein „RFI“ oder „RFP“ bearbeiten muss?

Es wird immer komplizierter in dieser Welt. Spätestens wenn man mit Menschen zu tun hat. Denn ich habe nur eine ungefähre Vorstellung von dem, was der Teenager mit seiner Frage „Was kuckst Du?“ meint – oder was er damit ausdrücken möchte. Also 100% sicher bin ich mir mit meiner Erklärung nicht.

Der große Journalist Henri Nannen hat einst gesagt, man soll für Lieschen Müller schreiben. Man sollte seine Texte so formulieren, dass sie jeder versteht. Ich bin der Meinung, das gilt auch für die mündliche Kommunikation (ich wollte jetzt eigentlich verbale Kommunikation schreiben – aber: Selbstreflektion und so. 😉). Allerdings fällt es schwer, auch mir. Denn man will ja möglichst gebildet rüberkommen. Nicht als Landei, Dummkopf oder sogar Wurstbrot dastehen. Daher versucht man möglichst oft, eine anspruchsvolle Formulierung mit möglichst komplizierten Fremdwörtern zu kombinieren. Aber mal ganz ehrlich: „Das interessiert mich einen Scheiß!“ versteht nun wirklich jeder. Dein Gegenüber wird eine ziemlich klare Vorstellung davon haben, wie deine Einstellung zu einem Thema ist.  Damit kann jeder Normalsterbliche etwas anfangen. Sogar die „Hey, Alder!“-Generation.

Ich wollte bei unserem Super-Spezial-Best-Konditor-Ever einen Kuchen per Telefon vorbestellen, da dieses leckerer Schnittchen oft ausverkauft ist. So ein kleines Mürbeteig-Ding, gefüllt mit Pudding, Mascarpone und frischen Himbeeren drauf. Und was da auch sonst noch immer drinnen ist – egal. Es ist hammerlecker und hat für mich pures Suchtpotenzial. Ich wusste nicht wie ich das Zuckerteilchen benennen sollte, damit mir auch genau das richtige Teil reserviert wird. Mr. Google hat mir zwar gesagt, wie man es schreibt. Leider aber nicht, wie man es ausspricht. Ich fragte einen Kollegen (gelernter Bäcker). Aber er ist eben gelernter Bäcker und kein Konditor. Auch andere Kollegen stotterten durch die Gegend. Alle hatten nur ein Bauchempfinden für die Aussprache.

Na gut, dachte ich. Mach ich mich halt zum Obst. Wär ja nicht das erste Mal. Und ich kann ja über mich lachen. Ich wählte tapfer die Nummer. Stammelte meinen Namen und fing an, dieses Teil zu beschreiben. „So ein Mürbeteil-Ding mit frischen Himbeeren drauf und in klein. Und jetzt bitte nicht lachen. Ich bin mir nicht sicher wie man es ausspricht. So ein T-A-R-T-L-E-S. Das mit frischen Himbeeren drauf.“ Ich merkte richtig, wie ich mich bei den Worten kleiner machte und mich genierte. Warum eigentlich? Es gab gar keinen Grund. Die Beschreibung traf es doch auf den Punkt! Durch das Telefon konnte ich ein freundliches Lächeln hören, als die Stimme antwortete: „Sie meinen bestimmt unsere Himbeertörtchen?“. Ich lächelte in mich hinein und nickte tatsächlich zur Bestätigung mit dem Kopf. Himbeertörtchen, na klar. Was sonst. Kein Tartles, auch kein Petit Four. Einfach nur ein Himbeertörtchen.

Tja. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Dieser Konditor hat es einfach drauf! Nicht nur mit Himbeertörtchen. Sie halten es auch wie Henri Nannen empfiehlt: Lieschen Müller muss es verstehen. In diesem Fall eher bestellen können. Hat funktioniert! Auch die „Hey, Alder!“- Generation wird mit Himbeertörtchen etwas anfangen können.

© by Marita Matschiner