Ein glitschiger Plan die Welt zu retten

Die gute traditionelle Seife rutscht immer mehr in den Mittelpunkt unserer Sauberkeitswelt. Dieses harte, eckige Etwas soll die Mikroplastikschleudern wie Duschgel und Shampoo ablösen. Ich mag Bäume. Ich mag unsere Meere und ja, ich mag unsere Welt. Daher werde ich diese Reinigungsmethode in unserem Haushalt integrieren. Das ist der Plan.

Die erste Maßnahme: Ich schiebe meinen langjährigen Begleiter „Abschminkgel“ vorerst weit nach hinten in den Badezimmerschrank und begutachte den Ersatz. Ein schönes weißes Stück Seife, das mich mit einem dezenten Seifen-Aroma betört. Ich drehe den Wasserhahn auf, befeuchte mein Gesicht mit lauwarmen Wasser. Nehme die Seife in die nassen Hände und schäume alles schön auf. Lege die Seife auf den Waschbeckenrand. Schwupp, rutscht sie direkt ins Waschbecken. Na komm her. Sie wehrt sich mit aller Kraft. Eine kleine glitschige Herausforderung. Jedes Mal wenn ich sie fassen will schlüpft sie aus meinen Händen und surft planlos im Waschbecken herum. Mein Plan: Ich kreise sie ein. Eine Hand kommt von rechts, die andere von links. So zwinge ich sie in die Enge. Jetzt hab ich Dich! Schwupp hüpft sie nach oben weg, kollidiert mit dem Wasserhahn und springt direkt auf den Fußboden. Über Bande quasi. Drecksstück! Ich habe jetzt echt keine Lust auf hektisches Fangenspielen im Badezimmer. Komm her du schlüpfriges kleines Scheißerchen! Ich brauche dringend einen Plan B. Also Hand auf die Seife gelegt und mit den Fingern vorsichtig umschließen. Ha. Jetzt aber. Und nun wohin damit? Mit triefenden Fingern entnehme ich aus der Kleenex-Verpackung ein Tuch. Lege es auf den Waschbeckenrand und lege die Seife darauf. Da gehörst du hin, du kleines Monster. Dann machen wir mal weiter mit unserem Plan. Jetzt endlich das Gesicht reinigen. Nur leider kein Seifenschaum mehr an meinen Händen. Da muss ich erst nochmal nachlegen. OK. Also noch einmal von vorne. Ich nehme die Seife und habe das Kleenex auch gleich mit dabei. Denn, das Tuch klebt wie Pech an der Seife. Als ich es mit den Fingern abziehen will bleibt das Kleenex auch an diesen kleben. Ich fasse es nicht. Komme mir vor wie in einer Comedy Show. Vorsichtig versuche ich es von den Fingern zu lösen. Da reißt es. Jetzt klebt ein Teil an der Seife und der andere an meinen Fingern. Durchatmen. Einfach nur atmen. Ich lasse die Seife ins Waschbecken fallen. Trockne mir die Hände. Kurze Überlegungspause. So funktioniert das irgendwie nicht. In meiner Erinnerung wandere ich kurz in meine Kindheit zurück. Wie war das damals noch? Stimmt, wir hatten eine Seifenschale. Bereits nach dem ersten Mal ablegen hinterließ das Reinigungsstück einen völlig ekeligen Seifen-Schleimfilm der in jeder noch so mini kleinen Ritze fest saß. Wenn diese Mischung aus Wasser und Seifenschaum dann auch noch angetrocknet ist, wurde es echt richtig ekelig. Ich glaube diese Lösung will ich nicht.

Aber wir sind ja nicht mehr in den 80gern sondern im umweltbewussten 2021. Heute gibt es gehäkelte Bio-Baumwollsäckchen in denen die Seife gesteckt wird. Entweder für den Transport, zum Trocknen aufgehängt oder mit dem Beutel als Hautpeeling unter der Dusche einsetzbar. Leider gibt es auch hier einige Nachteile. Erstens: wenn du die nasse Seife hineinrutschen lässt um sie trocknen zu lassen, trocknet sie auch an dem Beutel fest. Ein leichtes Rupfen lässt sich bei dem nächsten Einsatz nicht vermeiden. Ist aber ein kleines Übel. Zweitens: Der Beutel muss irgendwo hängend gelagert werden. Und ggf. sollte man auch bedenken, dass dieses Seifenlaugenzeug da raustropft. Folge ist eine große Sauerei. Drittens: Das Säckchen sollte regelmäßig ausgespült werden. Am besten sogar abgekocht. Damit sich keine Bakterien festsetzten und das Netz nicht gleich bei der kleinsten Berührung in eine Bakterienschleuder mutiert.

So. Was mach ich jetzt? Irgendwie war das mit dem Spender und der flüssigen Seife einfacher. Als ich Kind war haben wir das ja auch irgendwie hin bekommen. Ungefähr 4.500 Jahre hat die Menschheit mit Seife im Stück gelebt und auch überlebt. Deshalb: Nicht aufgeben ist die Devise. Der Weltmeere und der Umwelt zuliebe. Also Seife nach Gebrauch in das Säckchen gesteckt. Neue Saughaken für die Duschwand gekauft und da hängt das Beutelchen jetzt. Interessant wird es, wenn die Seife auch andere Produkte ablöst: Shampoo, Conditioner, sein Duschgel und mein Duschgel. Behält man dann noch die Übersicht und weiß was was ist? Vielleicht sollte ich eine kleine Holzgarderobe nehmen und dort auf jeden Haken den geplanten Einsatz drauf schreiben? Wie wird das erst, wenn die Seife andere Reinigungsdinge verdrängt? Glasreiniger, Bodenreiniger, Geschirrspülmittel, Normalreiniger, WC-Reiniger, und vieles mehr. Die Zukunft der Reinigung und Sauberkeit wird spannend werden. Aber ja, ich mag Bäume. Ich mag unsere Meere und ich mag unsere Welt. Daher stehe ich der Sache offen gegenüber. Auch wenn der Weg dahin manchmal etwas glitschig ist. 

© by Marita Matschiner

Am 15. Februar 2021 wird alles anders

Als Kinder konnten wir gewisse Tage im Jahr kaum erwarten: Weihnachten, Ostern und Geburtstag. Das waren soooo große Tage und es dauerte sooo lange, bis sie endlich da waren. Als ob man ein riesiges Nutella Glas in den Händen hält und es trotz aller Anstrengung nicht aufbekommt. Wenn der Tag dann endlich da war, schwebte das Konfetti zusammen mit Seifenblasen schon morgens durch das Zimmer. Die Luft roch nach Zuckerwatte. Man fühlte sich, als ob man eine Fee, ein Einhorn und den Regenbogen gleichzeitig entdeckt hat. Es war einfach alles rosarot und glitzerte.

Je älter wir werden, desto weniger erinnern wir uns. An dieses Gefühl, etwas kaum erwarten zu können. Diese leider unschöne Veränderung passiert nicht von heute auf morgen. Das geht Stück für Stück. Von Jahr zu Jahr wird es irgendwie anders. Wenn heute der nächste Geburtstag naht, schaue ich in den Spiegel und suche den optischen Verfall anstelle mich auf ein weiteres Jahr voller neuer Eindrücke, glückliche Momente und neue Lebenserfahrungen zu freuen. An Weihnachten mag ich vor allem die Vorweihnachtszeit. Nicht die drei Tage an sich. Die sind irgendwie immer ein bisschen anstrengend. Jedes Jahr aufs Neue habe ich Spaß daran die Weihnachtsdeko auszupacken und überall in der Wohnung zu verteilen. Aber ich freue mich mehr, wenn es wieder vorbei ist und ich die kitschigen Engelchen und Kügelchen wieder in ihre Kisten packen kann. Ab in den Speicher damit. War wieder schön mit euch. Sehen uns dann Ende November wieder.

Unser wichtiger Tag, den wir seit nun mehr 2,5 Jahren fast täglich herbeisehnen, ist der 15. Februar 2021. Er ist fest im Kalender eingetragen. Denn das wird ein ganz großer Tag! Würde es einen Adventskalender mit 880 Türchen geben, er würde hier hängen. Ein Maßband mit 8,80 Meter Länge und jeden Tag um ein Zentimeter gekürzt, es würde mir gehören. Und, es wäre jetzt gaaaanz kurz.
Am 15. Februar 2021 wird nämlich alles anders. Alles ruhiger. Alles entspannter. Alles leichter. Denn unser Gibson hat Geburtstag. Gibson wird ENDLICH fünf (5) Jahre alt. Fünf Jahre ist für diese Rasse ein wichtiges Alter. Denn mit Fünf wird ein Deutsch Kurzhaar (DK) ruhiger, entspannter, gelassener. Mehrere erfahrene DK Halter haben uns das versprochen. Hoch und heilig. Wir beten inständig, dass auch nur ein bisschen Wahrheit hinter dieser Ankündigung steckt.

Das liest sich jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig. Bitte nicht falsch verstehen. Wir lieben ihn so wie er ist. Mit allen Eigenschaften. Egal ob gute, schlechte oder ungestüme. Wir sind stolz auf ihn. Sehr stolz. Er hat in den letzten drei Jahren so viel gelernt. Er gibt sich so viel Mühe, die Emotionen und seine Impulsivität im Griff zu halten. Trotzdem ist es manchmal echt anstrengend, wenn ein Eichhörnchen in unserem Hof spazieren geht. Die Amseln sich einen Spaß mit ihm erlauben. Sie sitzen dann im Baum über ihn. Starren auf ihn hinab während sie ihn anzwitschern und dann irgendwann fliegen sie ganz nah an ihm vorbei. Er dreht dann völlig durch. Wird zum Wirbelsturm. Ein Hund auf ADHS. Getoppt wird dieses Verhalten nur noch bei Katzen. Bevorzugt, wenn sie uns beim Gassi gehen begegnen. Dann ist er ganz raus. Früher haben wir umgehend abgebrochen und ihn am Halsband direkt nach Hause gezerrt. In der Zwischenzeit können wir es im Freien aussitzen. Es dauert (zirka fünf bis zehn Minuten) bis er wieder ein bisschen Gibson ist. Ein bisschen Gibson mit ein bisschen ADHS. Zumindest solange keine weitere Katze, Eichhörnchen oder Amsel unseren Weg kreuzt.

Am Anfang dachten wir es liegt an uns. Wir haben alles gelesen. Sämtliche Möglichkeiten in Betracht gezogen. Vieles ausprobiert und trainiert. Mit minimalem Erfolg. Dann war die nächste Schlussfolgerung: Es liegt an Gibson. An sein Leben vor uns, bzw. das nicht-Leben, das er gezwungen war zu führen. In diesem drei mal vier Meter großen Freilandzwinger ohne Auslauf. Ohne Ansprache. Ohne Zuwendung. In der Zwischenzeit wissen wir aber: Es ist eine Kombination. Seine ersten Jahre in der Zelle und seine Rasse. Der Deutsch Kurzhaar hat es nämlich faustdick hinter den Ohren. Er ist ein Treibauf. Ein Hund auf Speed. Und dieser kann ums Verrecken nicht an der Leine gehen. Schon gar nicht bei Fuß. Sie wollen laufen, laufen, laufen. Und die Welt erkunden. Alles ist interessanter. Wirklich alles. Selbst ein im Wind segelndes Blatt. „Impulskontrolle? Da war was. Stimmt. Da vorne liegt doch aber ein Stein – da muß ich hin. Egal ob du ein Leckerli in der Hand hältst. Oder am Ende der Leine hängst. Ich weiß du hast die Macht über mein Frühstück und Abendessen. Aber ich will zu diesem Stein! Ich MUSS zu diesem Stein!“ Und das tut er auch. Mit allen Konsequenzen.

Ein DK Halter hat viel zu tun. Training. Spielen. Kopfarbeit. Nasenarbeit. Bewegung. Und wieder von vorne. Vor 2,5 Jahren haben wir nicht gedacht, dass wir das Schaffen. Es ist Arbeit. Viel Arbeit. Sicher, es macht Spaß sich mit seinem Hund zu beschäftigen. Aber geht das nicht auch mal ein bisschen ruhiger? Ein bisschen konzentrierter? Ein bisschen entspannter? Ab dem 15. Februar 2021 wird unser Leben anders. Garantiert. Das ist der Tag der Tage. Wir glauben fest daran. Und dann gibt es ein riesen Glas Nutella. Und um uns rum fliegt Konfetti, gleiten Seifenblasen und die Welt wird rosarot glitzern!

© by Marita Matschiner

Mein zu-Nachbar

Grafik by Achim Matschiner

Vor ein paar Jahren meinte eine liebe Kollegin zu mir: „Mit 40 Jahren fangen die Zipperleins an!“. Das habe ich mit einem Lächeln abgetan und genau genommen völlig ignoriert. Jetzt, ein paar Jahre später, bin ich in einem Alter wo ich auf mich achte. Auf meine Ernährung, so oft es geht Sport in freier Natur und die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen. Ich bin zwar deutlich fitter als mit 20 Jahren, allerdings sehe und fühle ich, wie sich das Alter langsam in meinem Körper ausbreitet. Stetig und unaufhörlich. Hier ein paar Beispiele was auf euch zukommen kann, oder was ihr gegeben falls auch schon kennt.

Nach einem netten Abend mit Freunden und der einen oder anderen Flasche Wein, sehe ich morgens völlig zerknittert aus. Die Augen sind verquollen und haben an den merkwürdigsten Stellen Falten. Wenn der Abend dann noch etwas länger dauert, wird der nächste Morgen schwierig. Mein Körper benötigt heute mindestens 48 Stunden Regeneration, um wieder 100% im Leben zu sein. Früher war das nicht nötig. Höchstens mal ein Mittagsschläfchen. Das reichte schon aus. Zu viel Essen am Abend? Da bin ich wach wie ein Turnschuh und finde den Weg zum Sandmännchen nicht. Wenn das Essen dann auch noch fettig, schwer und salzig war, ist es ganz vorbei. Dann ist der Anblick morgens im Spiegel wie ein Gruselkabinett. Da kann selbst meine super Notfall-Augenschmiere nichts mehr ausrichten. Da hilft nur noch der Gang zum Kühlschrank und ein Griff ins Eisfach. Gott segne die Kühlpads und seinen Erfinder. Ab auf die Augen damit.

Unvernünftiges, aber leckeres Essen klebt heute leider an Hüfte, Hintern und Bauch. Wenn ich dann versuche, diesen unerwünschten Ballast wieder wegzubekommen, artet es in Frust und Anstrengung aus. Früher habe ich ein paar Tage kürzergetreten und schwupp – waren die überschüssigen und unnötigen Pfunde wieder weg. Heute muss ich mir ein paar Wochen Schmalkost (Frust) auferlegen und echt viel Sport treiben (Anstrengung). Sonst passiert da einfach mal gar nix.

Apropos Sport. Wenn mich heute mal ein Muskelkater oder eine Muskelzerrung trifft, mache ich ein innerliches herzzerreißendes MIMIMI (Tim Melzer ist hier mein Vorbild). Ich bade dann nicht nur in Selbstmitleid – ich gehe Apnoetauchen. Das war früher irgendwie auch anders. Vielleicht wird man einfach empfindlicher im Alter?

Also, wie ich es dreh und wende, es läuft alles auf meinen lieben, weisen Nachbarn hinaus. Seine Lebensweisheit: „Alles was ein Zu davorstehen hat, ist nicht gut!“.

Also, auf den ersten Blick, bin ich völlig bei ihm: Zu wenig Schuhe, ganz schlecht! Auf dem Zweiten: Zu viel Schuhe ist alles andere als nicht gut!

Pause. Mal kurz sinnieren. Das meint er nicht.
Zu wenig Essen ist einfach eine blöde Idee. Dann bin ich nicht leistungsfähig und mutiere zur Prinzessin auf der Erbse. Mein Mann kann davon ein Liedchen singen. Aber zu wenig Essen wird noch durch schlechtes Essen getoppt. Denn schlechtes Essen ist super doof. Aber zu schlechtes Essen ist eine Katastrophe! Zu viel Essen hat bei mir gleich zwei Folgen: schlaflose Nächte und Übergewicht (siehe oben). Ist somit keine Option. Weiter im „zu“- Land. Zu wenig Alkohol: Das kann zu einer blöden und langweiligen Party führen. Zu viel Alkohol bedeutet Kühlpads auf die Augen (siehe nochmal oben). Das führt manchmal zu äußerst schmerzhaftem Hirnfrost. Zu wenig Geld ist einfach super kacke. Braucht kein Mensch. Zu viel Geld macht unausgeglichen, überheblich und egoistisch – wenn man es oberflächlich auslebt. Zu wenig Wissen im Bereich Politik und Wirtschaft, dann gilt man als dumm und ungebildet. Zu viel davon lässt einen durchdrehen und man findet nie wieder seine innere Zufriedenheit. Zu wenig Urlaub geht gar nicht. Zu viel Urlaub gibt es nicht.

Es gibt noch unzählige Beispiele. Aber im Groben hat mein Nachbar Recht, finde ich. Also schließe ich mich ihm an. Ich formuliere es nur etwas anders: Alles in Maßen! Dann passt es. Damit komme ich ganz gut durch das Leben und das Alter. Genau an diesem Punkt stelle ich mir jetzt die Frage, was mache ich denn in einem Jahr? Werden die Zipperlein schlimmer und schmerzhafter? Oder treten einfach nur häufiger auf? Brauche ich nach einer durchzechten Nacht eine Badewanne voll Eiswürfel, in der ich dann 96 Stunden schlafen muss, um wieder die Alte-Neue zu werden? Oder werde ich zu einer Frozen Marita (Wortspiel: Frozen Margarita Cocktail)? Und was ist mit meinem Blog? Nenne ich ihn in www.roaring50s.eu um? Ich weiß es noch nicht. Aber ich habe ja noch Zeit. Ist ja noch ein Jahr hin. Noch ein weiteres Jahr um ganz viele Zus zu sammeln.

 © by Marita Matschiner

Der frühe Vogel fängt Croissants!

Als Kind und Teenager, wohnhaft in einer Kleinstadt, wollte ich irgendwie von A nach B kommen. Da war das Fahrrad genau das Richtige. Ungebunden. Ohne auf Mamas oder Papas Chauffeur-Service zu warten, darum zu betteln oder zu feilschen. Wenn ich so zurückdenke, habe ich die meiste Zeit meiner jüngeren Jahre auf dem Drahtesel verbracht. Als dann der Motorroller kam, und im Anschluss das Auto, war das Radl Geschichte. Der Aufwand war motorisiert einfach geringer. Die Kosten im Gegenzug leider höher. Aber was sind schon Kosten, wenn man überdacht und ohne eigene körperliche Anstrengung von A nach B kommen kann.

Heutzutage radle ich mit meinem Mountainbike in den Biergarten oder zum Bäcker. Ziemlich langweilig, dieses Mountainbike fahren. Aber macht man halt so. Ich halt auch.

Aber so ein Rennrad. Das finde ich schon seit vielen Jahre toll. Die sind so schön, schmal, elegant und so schnell. Auch die Fahrer sehen so ganz anders aus als die durchschnittlichen Mountainbiker. So schmal, elegant und treten so schnell. Regelmäßig habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir so ein schickes und schnelles Zweirad zuzulegen. Da ich momentan wegen eines Gesundheitsproblems nicht so gut laufen kann, und mein Physio meinte, ich solle gleichmäßige Bewegungen machen, habe ich endlich meinen Freifahrtschein. Ein Besuch beim Fahrrad-Fachhandel muss sein. Und, da ist es nun. Mein neues, schmales, elegantes und schnelles Zweirad hat ein neues Zuhause gefunden. Bei mir.

Ich starte die erste Runde. Erst einmal die Straße hoch und runter. Schön, schmal und elegant ist es. Von schnell kann keine Rede sein. Es ist ein ganz anderes Fahrgefühl, so ein Rennrad im Vergleich zum Mountainbike. Zu erwähnen sei noch: Es ist ein Gravel-Bike. Quasi ein Rennrad, aber mit ein bisschen breiteren Reifen. Ein Miniprofil haben sie auch. Wenn ich auf der Straße unterwegs bin und zu viele Autos und deren Abgase um mich rum sind, kann ich schwupp die wupp ausweichen. Einfach im Wald oder auf Schotterstraßen weiter. Nichtsdestotrotz: es ist schlank, schnittig und leicht wie eine Feder. Nur die gewohnte Federung vom Mountainbike fehlt meinem Allerwertesten.

Es ist 6:45 Uhr morgens. Der erste Morgen mit meinem neuen Rad. Die Vögel zwitschern. Die Luft ist frisch und unverbraucht. Laufen gehe ich bevorzugt in der Natur. Abseits von Menschen, Häusern und Autos. Mit dem Rad düse ich erst einmal durch unseren Ort und dann über die Landstraße. Und hier kommt ein enormer Unterschied: Im Wald riecht man Natur. Wald. Feuchten Boden. Wasser. Im Ort riecht man Duschgels. Deos und Parfums wie Axe, Davidoff Cool Water oder Abercrombie & Fitch. Hauptsächlich Männerdüfte. Frauendüfte sind eher selten. Dafür sucht sich das Haarspray der Damen oft seinen Weg aus den Bädern raus auf die Straße. Überall kommt einem ein frisch gebrühter Kaffeeduft entgegen. Es ist überwältigend was einem alles um diese Uhrzeit durch die Nase fegt. Bei manchen halte ich vor lauter Igitt den Atem an und trete kräftiger in die Pedale. Bei anderen bin ich versucht umzudrehen, um noch einmal ein oder zwei Prisen zu nehmen. An der nächsten Ecke ist ein großes Restaurant. Der Bratengeruch, ergänzt um Knoblauch und Zwiebeln, sucht sich seinen Weg durch die Nase direkt in mein Gehirn. Morgens um 7:00 Uhr kommt das bei mir nicht so gut an. Ich beeile mich um diese jetzt unangemessenen Gerüche hinter mir zu lassen. Weiter auf die Landstraße. Ich sehe die Straße vor mir, wie sie sich durch die Natur schlängelt. Im Hintergrund die Berge. Es riecht nach frisch gemähten Wiesen. Kuhdung. An einem Waldstück riecht es nach Zimt. Nach ein paar Metern schießt mir plötzlich der Geruch von Bananen in die Nase. Und zwar so eine ganz frische, die gerade von Grün in Gelb geschlüpft ist. Weiter hinten riecht es nach Ziegenkäse. Stimmt, da vorne kommt auch ein Ziegengehege. Ein Traum für meine Nase und damit für meine Seele. Kurz vor zuhause kommt unser Bäcker. Ich bekomme akuten Speichelfluss. Mein Magen knurrt lauter als der LKW, der mich gerade überholt. Dem brummenden Bauch muss ich nachgeben. Ein lauwarmes Croissant wandert für den Transport in meine Kapuze. Ich suche mir ein schönes Plätzchen, um mein Frühstück zu mir zu nehmen: Eine Parkbank direkt an unserem Weiher mit Maibaum im Hintergrund. Ich öffne die Bäckertüte und der Geruch von frischem Backwerk umgibt mich. Ich greife in die Tüte und reiße ein Stück von dem verführerischen Teilchen ab. Es hinterlässt einen glänzenden Butterfilm auf meinen Fingern. Lecker. Was für ein Morgen. Das gute Gefühl, etwas für mich, meinen Körper und meine Nase getan zu haben. Daheim wartet eine erfrischende Dusche und ein heißer Kaffee. Aber jetzt habe ich fünf Minuten Zeit. Fünf Minuten nur für mich und den gerochenen Eindrücken. Und für mein Croissant. Einfach toll.

Das war vor zwei Monaten. In der Zwischenzeit weiß ich, wo welcher Geruch ungefähr ist und kann die Strecke entsprechend planen. Je nachdem, wonach mir ist. Ich bin immer noch in dieses Fahrrad verliebt. Wir haben uns gut aneinander gewöhnt. Heute kommt es in seinen ersten Service. Mit 800 km auf dem Tacho. In der Zwischenzeit hat es seinen ersten Kratzer, aber es ist immer noch schön, schmal und elegant. Und ich bin schnell!

© by Marita Matschiner

Täglich grüßt das Murmeltier! Manchmal auch mehrmals am Tag (Womo-Tour Teil 4)

Oldtimer-Womo – pic by Achim Matschiner

Frisch gestärkt dümpeln wir am nächsten Morgen los Richtung Niedersachsen. Das angekündigte Familienfest steht an. Wir sind nur ein paar Stunden davon entfernt. Wie es das Schicksal will, landen wir wieder einmal im Stau. Um es dann auch noch ganz unschön werden zu lassen, wird aus dem Stau eine Totalsperrung. Die Polizei lotst uns von der Autobahn runter. Wir haben das große Glück mit vielen anderen Autofahrern auf einer Landstraße vor uns hin zu stauen. Stop-and-Go fahren macht echt Spaß! Ich habe lange nicht mehr so viele unzufriedene Gesichter auf einem Haufen gesehen.

Nach etlichen Kilometern dürfen wir endlich wieder auf den Highway und die erste Ausfahrt, ein Autohof, gehört uns. Ein großer Cappuccino wird die Stimmung in unserem schönen grünen selbst lackierten Womo, der kurz davor steht ein Oldtimer-Kennzeichen zu erhalten, erheblich aufhellen. Daher gar nicht lange rum hampeln. Sondern direkt auf den Parkplatz vor einem Fastfood-Laden zusteuern. Während wir uns noch sortieren, Geldbeutel aus der Tasche, Navi verstecken, erscheint Besuch an der Beifahrertür sowie auch an der Fahrertür. Wir zucken zusammen. An jedem Fenster steht ein uniformierter Polizist.

Durch das Fenster geben sie uns zu verstehen: sitzenbleiben und die Fenster runter kurbeln. Ich glaube, ein Bitte kam in den Gesten nicht vor. Bin mir aber nicht ganz sicher. Also gut, Fenster runterlassen. Da das Womo ja etwas älter ist, erst einmal kräftig die Oberarme anstrengen und kurbeln was das Zeug hält. Kaum sind sie zur Hälfte unten, schallt es von beiden halboffenen Fenstern: „Nicht mit einander reden oder anschauen! Schauen Sie nur den Polizisten an, der an ihrem Fenster steht!“ Huch. Dieser Ton in Kombination mit der Uniform löst in meinem Körper erst einmal einen Reflex aus: er stellt sich umgehend in den Modus „Stillgestanden und Haltung annehmen“. Ein leichtes Kopfnicken kriege ich gerade noch so hin.

Die erste Frage erschlägt mich umgehend: „Guten Morgen. Nehmen Sie Drogen?“ „Äh –  nein, tu ich nicht.“ „Haben Sie schon einmal Drogen genommen? Oder verschreibungspflichtige Medikamente?“ – „Äh –Aspirin und Ibuprofen fallen nicht unter Drogen und sind frei erhältlich.“ (Meine Sicherheit kommt langsam wieder.) „Haben Sie heute Alkohol getrunken? Wenn nein, wann das letzte Mal?“ „Nein, heute noch nicht. Mmhhh… gestern Abend. Weißwein um genau zu sein.“ „Nehmen Sie sonst irgendwelche Rauschmittel zu sich?“ (Ich denke: Was gibt es denn noch?) „Nein. Zigaretten sind ja keine Rauschmittel.“ Ich hebe eine Schachtel und zeige sie ihm. „Diese hier.“ Auch wenn ich mich sicher anhöre, innerlich bin ich alles andere als das. Ich fühle mich total unter Beobachtung und bin überzeugt ein völliges Fehlverhalten an den Tag zu legen. Genauso wenn ein Polizeiwagen hinter mir her fährt. Ich schaue dann schlagartig auf den Tacho und kontrolliere ob das Licht an ist. Überlege wo der Verbandskasten ist und ob ich eine Warnweste dabei habe. Es ist alles ok. Das weiß ich. Aber das Gefühl, gleich in Untersuchungshaft zu laden, geht auch dadurch nicht weg. Ich habe keine Ahnung warum, aber mein Puls und mein Bauch sind sich jetzt auch auf diesem Parkplatz einig: ich lande hinter Gittern.

Mein Mann zeigt seinen Führerschein und die Autopapiere. Die sind schon mal in Ordnung. Puuhhh. Nach der Klärung, wo das Womo hingehört (denn es passt optisch gar nicht zu den Insassen und läuft anhand der Papiere ja auch nicht auf unseren Namen), was unser Ziel sei und was wir hier auf dem Autohof wollen, lächeln die Polizisten. Nach der „Präsentation“ des Verbandkastens, Warndreiecks und unserer Warnwesten (sogar eine eigene für unseren Hund), waren sie völlig entspannt. Entschuldigen sich lächelnd für das ruppige Verhalten. Auch für ihre Vorurteile dem Wagen bzw. den angenommenen Insassen gegenüber. Sie haben ganz andere Menschen in dem grünen Oldtimer-Womo erwartet. Ich tippe auf besoffene Drogensüchtige die auf dem Autohof Leute ausrauben wollen und im Anschluss eine wilde Sexpartie feiern. Die Beamten verhalten sich jetzt total freundlich und zuvorkommend. Eigentlich würde mich eine Einladung auf einen Kaffee nicht wundern. Kaffee auf Staatskosten, auf einem Autohof, in einem Fastfood-Laden und in Begleitung zweier junger Polizisten. Das wär ne Nummer!

Sie wünschen uns noch eine gute und sichere Fahrt. „Und viel Spaß auf dem Familienfest!“ Einer dreht sich noch einmal um und ruft uns zu „Lassen Sie sich mit dem Kaffee Zeit. Oder vielleicht trinken sie gleich zwei und essen noch was. Auch wenn Ihre Feier nur ein paar Kilometer entfernt ist, es gab einen Unfall und die Autobahn ist schon wieder gesperrt!“.

© by Marita Matschiner

 

Always Look on the Bright Side of…

Monty Python’s Life of Brian – Handmade Films Ltd. (1979)

Die dritte Woche im neuen Zeitalter „Mitten drin statt nur dabei“ ist angebrochen. Die dritte Woche im Homeoffice für meinen Mann, mich und unseren Hund Gibson. Die dritte Woche mit dem Corona-Virus und den Einschränkungen. Wir sehen jetzt die Auswirkungen auf Menschheit, Wirtschaft, Familiensituationen, finanzielle Verluste und Psyche. In den Nachrichten wird viel erzählt, diskutiert, berichtet und ganz besonders viel spekuliert. Die geradezu unpersönlichen Kommunikationsmedien wie Facebook, Twitter, WhatApp, Videotelefonie usw. laufen zu Höchstleistungen auf. Das alles kann einen schon sehr runterziehen und mit der Zeit deprimieren.

Die Lage ist kritisch, glaubt ein Teil der Bevölkerung. Andere halten es nicht für notwendig, ihr Leben und ihre Gewohnheiten anzupassen. Nichtsdestotrotz sind Toilettenpapier, Nudeln und Desinfektionsmittel restlos ausverkauft. Irgendwann müsste doch mal der Lagerräume in den Privathaushalten völlig ausgeschöpft sein. Wo verstauen die Leute nur all das Zeug? Verstehen würde ich es ja, wenn Babynahrung ausverkauft wäre. Einer unserer ersten Maßnahmen war, für unseren Gibson genügend von seinem Spezialfutter auf Lager zu haben. Ebenso seine wichtigen Medikamente. Nicht zu vergessen die vegetarischen Leckerlies (gesundheitlich bedingt). „Sein“ Lagerraum für all seine Dinge war relativ schnell aufgefüllt und bietet nun keinen Platz mehr. Auch nicht für eine Rolle Toilettenpapier. Unser Gibson wird nicht verhungern und seine Gesundheit wird auch nicht leiden. Zumindest für die nächsten sechs bis acht Wochen. Und dann sehen wir weiter.

Unser Einkaufsverhalten haben wir 100% dem Angebot in unserem Lebensmittelladen im Ort angepasst. Gibt es keine Nudeln, weichen wir auf Reis oder Kartoffeln aus. Oder wir machen Pasta einfach selber (Mehl, Eier, Salz und Olivenöl). Hat man momentan fast immer im Haus.

Bei unseren notwendigen Fahrten zum Supermarkt alle drei Tage ist mir aufgefallen, wie entspannt das von mir sonst so sehr verhasste einkaufen von Lebensmitteln geworden ist. Früher war das ein Hauen und Stechen. Jeder wollte der Erste sein. Keiner wollte dem anderen Kunden Platz machen oder den Einkaufswagen auch nur einen Millimeter auf die Seite schieben. Diese Einstellung hat sich völlig in Luft aufgelöst. Obwohl es in unserer jetzigen Situation eigentlich eher umgekehrt sein sollte. Das Toilettenpapierangebot ist ja begrenzt (verstehe ich immer noch nicht!). Stattdessen sind die shoppenden Personen freundlich, zuvorkommend und rücksichtsvoll. Es ist ein netter, auf Abstand basierender Umgang miteinander. Man grüßt sich. Lächelt sich dabei an. Auch beim Spazieren gehen und beim Outdoor-Sport. Früher wurde mein „Guten Morgen“ oder „Hallo“ zu 95% ignoriert. Oder ich wurde giftig angeschaut, weil ich mit Höflichkeit „gestört“ habe.  Jetzt habe ich den Eindruck, alle besinnen sich wieder auf Werte, die in den letzten Jahren verdrängt wurden. Verdrängt durch Zeitnöte, Kommerzialisierung, Egoismus, Intoleranz und Statusdenken.

Letzte Woche sind mir auf dem Parkplatz eine Mutter mit ihren zwei Teenager-Mädels aufgefallen. In der Vergangenheit war Mama immer alleine. Höchstens mit einem Töchterchen unterwegs, welches gemault hat und keinerlei Ambitionen hatte, Mama zur Hand zu gehen. Aber an diesem Tag waren die Mädels frohlockend und beide dabei. „Endlich raus und shoppen gehen!“ Auch wenn es nur bei Aldi ist. Hauptsache raus und was anderes sehen. Sie lachten alle drei und hatten echt Spaß miteinander. Was für ein schönes Bild!

Am Anfang hatte ich ein bisschen Respekt davor, solange Daheim zu sein. Nur zu Hause mit meinem Mann und meinem Hund. Wir haben unsere Tage gut geplant und vergessen trotz Arbeit und Verpflichtungen nicht den Anderen. Wir haben einen höflichen Umgangston miteinander. Sagen brav „Danke“ und „Bitte“. Versuchen nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Wir lachen unheimlich viel – vor allem miteinander. Sind zwischendurch kindisch und blödeln rum. Situationen, die ich vor ein paar Wochen noch belächelt habe, lösen jetzt einen totalen Lachanfall aus. Ich hoffe das sind nicht die ersten Anzeichen von Durchdrehen, sondern von Entspannung und Zufriedenheit in dieser gruseligen Zeit. Heute war ich sogar das erste Mal seit Jahren entspannt und zufrieden beim und nach dem Lebensmitteleinkauf. Die Kinder spielen wieder im Freien (zumindest bei uns auf dem Land). Die Spaziergänger sind harmonisch und grüßen alle.

So sehr ich diese Wandlung mit Freude betrachte, Sorgen mache ich mir trotzdem. Wie wird die Welt wohl nach Corona aussehen? Stürzen wir uns sofort wieder in die unpersönliche, unhöfliche, egoistische und schnelle Welt zurück? Oder bleibt man dann beim Spazierengehen auch mal stehen und lernt sich kennen? Grüßt man die Kassiererin mit einem Lächeln oder schmeißen wir nur unseren Einkauf auf das Rollband, in der Hoffnung, diese Verpflichtung möglichst schnell erfüllt zu haben? Wir werden es sehen. Ich hoffe, die Menschheit lernt daraus. Immerhin ist es ein globales Thema. Was uns allerdings zugutekommt: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier! Nennt mich naiv, blauäugig oder zu optimistisch. Aber ich hoffe darauf, dass diese paar Wochen ausreichen, dass diese wiedergewonnene Gewohnheit bei den Menschen anhält und von Dauer ist. Auch nach Corona.

Es ist eine schlimme Zeit. Es ist eine harte Zeit. Aber vergesst nicht, zwischendurch das Positive zu sehen. Man muss gar nicht danach suchen. Sie sind da. In unseren Wohnzimmern. Vor der Tür. Beim Einkaufen. Nehmt es war, genießt diese Situation und lächelt.

Denn, wie hieß es eben im Radio: „Durch ein Lächeln und eine freundliche Begrüßung steckt man sich nicht mit Corona an! Ein Lächeln verbindet Menschen!“ Genau so ist es! Das geht nicht per Facebook, Twitter, WhatsApp oder Videotelefonie. Das geht nur persönlich. Von Mensch zu Mensch.

© by Marita Matschiner

Horizonterweiterung mit Aussicht (Womo-Tour Teil 3)

Kühe in Leidenschaft – pic by Achim Matschiner

Die Strecke zu unserem nächsten Halt, haben wir leider etwas unterschätzt. Nach etlichen Kilometern, Stau und einer äußerst kurvigen Straße mitten in der Pampa, sind wir völlig entnervt, hungrig und suchen in der hügeligen Natur nach dem auserkorenen Stellplatz. Nach dem Weingut und dem „Jachthafen“ fiel unsere Wahl auf ein Reitgestüt. Nach gefühlten hundert Kurven und etlichen Kilometern haben wir den Platz endlich erreicht. Ganz toll: wir sind die Einzigen hier! Und wir sind auch die Einzigen hier mit einem Mordshunger. Leider ist weit und breit kein Restaurant in Sicht. Die ganze Strecke wieder zurück zum nächsten Ort? Nein, danke. Ich will endlich in dem bequemen Campingstuhl sitzen. Einen Vino in der Hand und mit Wackel-Jesus auf dem Tisch, die phänomenale Aussicht genießen. Bleibt nur der Pizzaservice.

Der Pizzamann braucht ewig. Er kennt das Reitgestüt nicht und hat erst recht keine Ahnung von dem Womo-Stellplatz, erklärt er entschuldigend. Mal davon abgesehen, hat er auch noch nie gehört, dass sich Camper eine Pizza beim Lieferservice bestellen. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Auch für dich mein Freund. Dieser Tag hat dir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Ist doch toll. Unsere gute Tat des Tages – Horizonterweiterung vom Pizzamann.

Wir sitzen an diesem herzlichen Flecken Natur. Zwischen Äpfel- und Birnbäumen. Der Blick auf eine Weide, auf der Pferde und Kühe grasen. Im Hintergrund sind noch Schafe und Ziegen unterwegs. In dieser Idylle genießen wir unsere lauwarme Pizza mit noch kühlerem Riesling. Wir beobachten die Tiere und stellen fest, sie kommen immer näher. Entweder haben sie keine Scheu oder der Pizzageruch lockt sie an. Gerade die Kühe kommen überraschend nahe. Unserem Hund gefällt das überhaupt nicht und erst nach längerem gut zureden legt er sich wiederstrebend auf seine Decke. Er lässt die großen Tiere aber nicht aus den Augen und beobachtet sehr konzentriert. Was sich da so hinter dem Holzzaun abspielt. Denn da passiert eine ganze Menge. Obwohl die Pizzen bereits vernichtet sind, kommen die Kühe immer näher. Sie sind extrem zutraulich. Ich genieße den Wein und habe nebenbei ein Auge auf unseren Hund. Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich eine riesen Kuh, die sich nur ein paar Meter vor mir heftig bewegt. Ich schaue genauer hin und kann es kaum glauben. Das ist keine riesen Kuh. Das sind zwei riesen Kühe die heftig miteinander kopulieren. Spricht ja erst einmal nichts dagegen. Sollen ja auch ihren Spaß im Leben haben. Das unglaubliche daran ist: die beiden schauen mich dabei an! Ich werde knallrot und fühle mich, warum auch immer, ertappt. Obwohl ich doch gar nichts gemacht habe. Ich bin kein Spanner. Kaum ist die Gesichtsfarbe zur vollen und tiefsten Röte angelaufen, hören die Zwei abrupt auf, drehen sich um und gehen ihres Weges. Was war das denn? Das glaubt mir doch keiner! Mein Mann war in der Zwischenzeit auf Hygienetour und kommt frisch geduscht mit Kulturbeutel unterm Arm wieder zurück. „Alles ok mit Dir? Oder warum bist du so rot?“ Ich berichte und er grinst mich an. „Die haben dich doch nicht angeschaut während sie …..!“ Doch. Habe sie. Ich bin mir ziemlich sicher.

Nach einer kurzen Aufräumaktion und nachfüllen des Vinos, wollen wir die letzten Sonnenstrahlen ausnutzen. Setzten uns, schmeißen die Musik an und stellen Wackel-Jesus in die Tischmitte. Da kommen doch tatsächlich wieder zwei Kühe angesneakt. Stellen sich hintereinander, schauen uns an und legen umgehend los. Und ja, sie schauen uns dabei an. Direkt in die Augen. Ich kann jede einzelne Wimper sehen. So nah sind sie. Wir grinsen, feuern die Kühe an. Können uns ein paar dreckige Bemerkungen nicht verkneifen. Aber kaum geben wir Aufmerksamkeit, hören die beiden auf, drehen sich um und gehen wieder weg. Was für komische Kühe. Oder ist das normal? Wollen Kühe Zuschauer? Sind sie exhibitionistisch veranlagt?

Mit einigen derben Witzen, Vino und Wackel-Jesus lassen wir den Abend bei Kerzenschein ausklingen. Der Plan, am nächsten Morgen zur Familie zum Familienfest zu fahren, mit dieser Geschichte in petto, lässt uns frohlocken. Alleine diese Story jetzt meine nennen zu können, war die ganze Reise schon wert. Welches Stadtkind kann das schon von sich behaupten. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Nicht nur für einen Pizzalieferanten. Auch für mich. Dieser Tag hat auch mir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Die gute Tat zweier Kühe – für mich eine Horizonterweiterung.

© by Marita Matschiner

Laute Türen und Feinripp (Womo-Tour Teil 2)

Wackel-Jesus – pic by Achim Matschiner

Die Fahrt zum nächsten Stopp am Jachthafen, beginnt erst einmal mit einem Stau auf der Autobahn. Was mich in einem Wohnmobil erst einmal relativ kalt lässt. Die Toilette funktioniert ja trotzdem. Nimmt den Stress und den Druck. Am Nachmittag treffen wir in dem Örtchen ein und finden den Jachthafen relativ schnell. Den Begriff „Jachthafen“ für diese paar Boote und den kleinen, schmalen Fluss zu verwenden, ist etwas übertrieben. Um dem Namen „Jachthafen“ aber eine Daseinsberechtigung zu geben und zusätzlich mehr Pepp zu verleihen, hat man eine kleine Anlegestelle gebaut. Ergänzt wurde diese mit einem „Clubhaus“. Das nennt sich nun Jachthafen. Das sind echt große Buchstaben für diese kleine leicht improvisierte Anlegestelle.

Der Stellplatz ist umzäunt und der Boden ist aus altem geraspeltem Straßenteer. Was uns trotz 28 Grad Außentemperatur abhält, barfuß durch die Gegend zu laufen. Die ersten Camper stehen schon. Merkwürdig ist nur: alle haben geschlossene Fenster und Türen. Na gut, vielleicht sind sie gerade mit ihren Booten unterwegs.

Wir suchen uns eine freie Ecke. Direkt an einer kleinen grünen Hecke und ein Stückchen Wiese. Nach einem Besuch im Lebensmittelladen haben wir unser Refugium dann komplettiert. Markise ausgefahren. Stühle aufgestellt. Und ganz wichtig, ein Wackel-Jesus kommt direkt auf die Mitte des Esstischs. Diesen Wackel-Jesus hatten wir unseren Freunden als Glücksbringer zum Erwerb des Womos geschenkt. Dieses unglaublich kitschige Dekoteil begleitet jetzt das Womo überall hin. Von uns wird er bei jedem Halt ausgepackt und darf die Zeit mit uns gemeinsam verbringen. Ein kleines Stück Glückseligkeit gepaart mit Humor, in diesem skurrilen Umfeld.

Mein Mann beginnt die Kochlöffel zu schwingen und kümmert sich um die feste Nahrung. Ich öffne solange eine Flasche Vino. Mal schauen, ob er hier auch so gut schmeckt wie am Herstellungsort. Es geht auf die reguläre Deutsche Abendessenszeit zu. Mit einem Schlag öffnet sich die Tür vom Womo auf der gegenüberliegenden Seite. Ein älterer Mann mit Bauch, Feinrippunterhemd, Unterhose und Adiletten klettert heraus. Er stellt eine Mülltüte vor sein Gefährt und klettert wieder hinein. Schlägt krachend die Tür hinter sich zu. Huch. Wir zucken zusammen. Was war das denn? Wir wenden uns kopfschüttelnd wieder einander zu. Nun geht bei einem anderen Womo eine Tür auf. Und ein Fenster. Die Ehefrau scheint gerade zu kochen, denn der Mann wedelt heftig mit einer Zeitung. In Feinrippunterwäsche. Und Adiletten. Er versucht offenbar irgendeinen Nebel aus dem Auto zu fächern. Der Geruch von zu scharf angebratenen Zwiebeln schwebt nun auch zu uns rüber. Ja, den möchte ich auch nicht in meinem Schlafzimmer haben. Nach einer Minute hat er bereits einen knallroten Kopf und schwitzt stark. Ich nehme vorsichtshalber schon einmal das Handy in die Hand um für einen Notarztanruf gerüstet zu sein. Wenn der Mann diese hektischen Bewegungen weiter macht, wird das wohl auch notwendig sein. Nach einiger Zeit gibt er sich zufrieden. Steigt schwerfällig die Stufen empor und schmeißt mit einem riesen Karacho die Tür hinter sich zu. Die Türen möglichst laut zu schließen scheint hier Gang und Gebe zu sein.

Ein paar Minuten später öffnet sich das große, hintere Fenster eines anderen Wagens. Da sitzt ein Mann direkt am Fenster. Er schreibt wie wild irgendetwas auf. Klopft zwischendurch mit der Faust und dem Kugelschreiber auf den Tisch, kuckte in die Luft als scheint er zu überlegen. Plötzlich geht ihm wohl ein Licht auf. Ich kann richtig sehen, wie es Klick bei ihm macht. Er kritzelt wieder irgendetwas. Allerdings ist er damit wohl nicht zufrieden und er zerknüllt das geschriebene etwas und schmeisst es sehr emotional aus dem Fenster. Er schließt das Fenster, natürlich, mit einem riesen Knall. Es scheint hier normal zu sein, sich nur akustisch bemerkbar zu machen. Na, das können wir auch. Demonstrativ setzten wir uns lautstark auf unsere Stühle. Drehen die Musik auf und lassen den Wackel-Jesus kräftig schunkeln. Er gibt alles! Er bewegt sich im Takt zu der Urlaubsmucke und wir bestärken ihn tatkräftig mit Applaus und Gesang.

Der nächste Morgen. Die Ruhe wird nur durch ein paar zuschlagende Türen und Fenster unterbrochen. Wir fragen uns, warum diese Menschen einen Campingurlaub machen, wenn sie eh nur drinnen sitzen und zwischendurch Fenster und Türen zuschlagen. Geht das zuhause nicht? So ganz schlüssig ist uns das alles nicht. Kaffeeschlürfend kommt der Womo-Führer zum Einsatz. Eine weitere Nacht wollen wir hier garantiert nicht bleiben. Der Ort sowie auch der Stellplatz geben so ganz und gar nicht das her, was der Ortsname und der „Jachthafen“ vermuten lässt. Daher: Augen zu und mit dem Finger auf der Karte.

Jetzt geht es auf in die Pampa. So richtig aufs Land. Das neue Ziel: ein Reitgestüt das wir in ungefähr vier Stunden erreichen können. Das klingt doch mal toll. So richtig toll vor allem, da es nur drei Stellplätze gibt. Das klingt nach unserem Platz. Schnell zusammen gepackt. Wir müssen ja früh dort sein, um wirklich einen Platz zu ergattern. Vorher wollen wir uns aber noch standesgemäß verabschieden. Deshalb: noch einmal kurz mit den Fenstern und der Tür gescheppert. Man passt sich ja an.

© by Marita Matschiner