Die Strecke zu unserem nächsten Halt, haben wir leider etwas unterschätzt. Nach etlichen Kilometern, Stau und einer äußerst kurvigen Straße mitten in der Pampa, sind wir völlig entnervt, hungrig und suchen in der hügeligen Natur nach dem auserkorenen Stellplatz. Nach dem Weingut und dem „Jachthafen“ fiel unsere Wahl auf ein Reitgestüt. Nach gefühlten hundert Kurven und etlichen Kilometern haben wir den Platz endlich erreicht. Ganz toll: wir sind die Einzigen hier! Und wir sind auch die Einzigen hier mit einem Mordshunger. Leider ist weit und breit kein Restaurant in Sicht. Die ganze Strecke wieder zurück zum nächsten Ort? Nein, danke. Ich will endlich in dem bequemen Campingstuhl sitzen. Einen Vino in der Hand und mit Wackel-Jesus auf dem Tisch, die phänomenale Aussicht genießen. Bleibt nur der Pizzaservice.
Der Pizzamann braucht ewig. Er kennt das Reitgestüt nicht und hat erst recht keine Ahnung von dem Womo-Stellplatz, erklärt er entschuldigend. Mal davon abgesehen, hat er auch noch nie gehört, dass sich Camper eine Pizza beim Lieferservice bestellen. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Auch für dich mein Freund. Dieser Tag hat dir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Ist doch toll. Unsere gute Tat des Tages – Horizonterweiterung vom Pizzamann.
Wir sitzen an diesem herzlichen Flecken Natur. Zwischen Äpfel- und Birnbäumen. Der Blick auf eine Weide, auf der Pferde und Kühe grasen. Im Hintergrund sind noch Schafe und Ziegen unterwegs. In dieser Idylle genießen wir unsere lauwarme Pizza mit noch kühlerem Riesling. Wir beobachten die Tiere und stellen fest, sie kommen immer näher. Entweder haben sie keine Scheu oder der Pizzageruch lockt sie an. Gerade die Kühe kommen überraschend nahe. Unserem Hund gefällt das überhaupt nicht und erst nach längerem gut zureden legt er sich wiederstrebend auf seine Decke. Er lässt die großen Tiere aber nicht aus den Augen und beobachtet sehr konzentriert. Was sich da so hinter dem Holzzaun abspielt. Denn da passiert eine ganze Menge. Obwohl die Pizzen bereits vernichtet sind, kommen die Kühe immer näher. Sie sind extrem zutraulich. Ich genieße den Wein und habe nebenbei ein Auge auf unseren Hund. Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich eine riesen Kuh, die sich nur ein paar Meter vor mir heftig bewegt. Ich schaue genauer hin und kann es kaum glauben. Das ist keine riesen Kuh. Das sind zwei riesen Kühe die heftig miteinander kopulieren. Spricht ja erst einmal nichts dagegen. Sollen ja auch ihren Spaß im Leben haben. Das unglaubliche daran ist: die beiden schauen mich dabei an! Ich werde knallrot und fühle mich, warum auch immer, ertappt. Obwohl ich doch gar nichts gemacht habe. Ich bin kein Spanner. Kaum ist die Gesichtsfarbe zur vollen und tiefsten Röte angelaufen, hören die Zwei abrupt auf, drehen sich um und gehen ihres Weges. Was war das denn? Das glaubt mir doch keiner! Mein Mann war in der Zwischenzeit auf Hygienetour und kommt frisch geduscht mit Kulturbeutel unterm Arm wieder zurück. „Alles ok mit Dir? Oder warum bist du so rot?“ Ich berichte und er grinst mich an. „Die haben dich doch nicht angeschaut während sie …..!“ Doch. Habe sie. Ich bin mir ziemlich sicher.
Nach einer kurzen Aufräumaktion und nachfüllen des Vinos, wollen wir die letzten Sonnenstrahlen ausnutzen. Setzten uns, schmeißen die Musik an und stellen Wackel-Jesus in die Tischmitte. Da kommen doch tatsächlich wieder zwei Kühe angesneakt. Stellen sich hintereinander, schauen uns an und legen umgehend los. Und ja, sie schauen uns dabei an. Direkt in die Augen. Ich kann jede einzelne Wimper sehen. So nah sind sie. Wir grinsen, feuern die Kühe an. Können uns ein paar dreckige Bemerkungen nicht verkneifen. Aber kaum geben wir Aufmerksamkeit, hören die beiden auf, drehen sich um und gehen wieder weg. Was für komische Kühe. Oder ist das normal? Wollen Kühe Zuschauer? Sind sie exhibitionistisch veranlagt?
Mit einigen derben Witzen, Vino und Wackel-Jesus lassen wir den Abend bei Kerzenschein ausklingen. Der Plan, am nächsten Morgen zur Familie zum Familienfest zu fahren, mit dieser Geschichte in petto, lässt uns frohlocken. Alleine diese Story jetzt meine nennen zu können, war die ganze Reise schon wert. Welches Stadtkind kann das schon von sich behaupten. Tja. Irgendwann ist es immer das erste Mal. Nicht nur für einen Pizzalieferanten. Auch für mich. Dieser Tag hat auch mir eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht. Die gute Tat zweier Kühe – für mich eine Horizonterweiterung.
© by Marita Matschiner