Solange ich zurückdenken kann war ich die Kleinste. Es ging schon los im Mini-Club in West-Berlin. Bei uns gab es in der Nähe keinen Kindergarten – läuft aber am Ende auf das Gleiche hinaus. Die Jüngste in der gesamten Nachbarschaft. Trotz einer Ehrenrunde in der 2. Klasse, nach unserem Umzug nach Bayern, sah es in der Schule nicht viel anders aus. Gut, da war ich dann nicht mehr die Jüngste, aber mit der Körpergröße lag ich immer noch ziemlich unter dem Durchschnitt.
In der Ausbildungszeit war ich der Steppke oder das Küken. Das änderte sich auch nicht bei meinem ersten Job. Ebenso setzte sich das bei allen weiteren Arbeitgebern fort: Ich hatte das Los, das kleine Hascherl zu sein. Selbst im Freundeskreis war es nicht anders. Auf einer Party hat mir einmal jemand eine Trittbrettleiter angeboten: Damit ich mal in Augenhöhe mit ihm reden kann. Haha. Wie witzig! Danke!
Bedenken, einen zu kleinen Mann abzubekommen, hatte ich keine. Die Wahrscheinlichkeit war ja eher gering. Die einzig knifflige Situation hätte sein können, wenn mir Prince begegnet wäre. Aber: Hätte, hätte, Fahrradkette. Immerhin war dieser sexy Mann und kreative Kopf gerade mal 157 cm groß. Da kann ich ja mal locker mithalten und das auch noch um ganze fünf Zentimeter toppen.
Genau an diesem Punkt kommt jetzt für mich ein ganz wichtiges Thema. Schuhe! Erstens habe ich durch meine 162 cm eine angenehme Schuhgröße und bekomme überall welche. Vor allem auch genau die, die ich will. Ich muss keine Kompromisse eingehen und kann sogar frei bei den unterschiedlichen Farben, Materialien und Styles wählen. Zweitens ist es völlig wurscht wie hoch der Absatz ist. Egal ob drei, fünf oder zehn Zentimeter. Ich kann wirklich alles tragen. Ohne dass ich meinen Mann körperlich überrage oder meine Erscheinung leicht unproportioniert wirkt.
Es gibt noch einen weiteren Vorteil bei meiner Körpergröße. Die 7/8-Hosen. Fand ich großartig! Endlich mal keine Hosen kürzen müssen. Je nach Laune der Modeindustrie habe ich den Luxus, das erworbene Stück in der perfekten Länge direkt anziehen zu können. Klasse! Große Menschen haben da ein entgegengesetztes Problem. Und auch diejenigen, die körperlich ihrer bisherigen Beinlänge entwachsen sind. Hierzu hat die Modebranche in den 1970er-Jahren eine Lösung kreiert. Es wurden einfach Borten unten ans Hosenbein genäht. Bevorzugt in bunten und schrillen Farben. Sah genau genommen ziemlich scheiße aus. Aber was macht man nicht alles, wenn das Beinkleid zu kurz ist. War aber nicht mein Problem. Wird es wohl auch nie werden.
Vor einigen Jahren hatte ich berufliche eine ganz andere Herausforderung. Mit einem niederbayrischen Kollegen. Er war von sich selbst ziemlich überzeugt und hatte die Einstellung, er müsse den große starken Mann geben. Nur dann ist man(n) toll. Zu seinem Leidwesen war ich ihm im Job allerdings gleichgestellt. Was ihm echt große Probleme bereitete. Er kam damit einfach nicht klar. Eine Frau. Klein. Und ihm dann auch noch gleichgestellt. Das ging für ihn gar nicht! Meine Taktik: Ich fragte ihn mit einem Augenaufschlag immer mal wieder, ob er mir bitte den Ordner/Karton von da ganz oben runterreichen könnte, weil ich ja so klein sei und da einfach nicht rankomme. Damit war das Eis gebrochen. Zwar musste ich diese Worte fast jede Woche von mir geben, aber er fühlte sich geschmeichelt, unentbehrlich und groß. Ab dem Zeitpunkt klappte unsere Zusammenarbeit wunderbar.
Man gewöhnt sich daran, aufgezogen zu werden und mit Sprüchen wie „Keine Arme, keine Kekse!“ oder „Versuch da mal ranzukommen!“ veräppelt zu werden. Ich hatte nie Komplexe deswegen. Denn: Ich bin nämlich gar nicht klein. Ich habe die durchschnittliche Größe einer südeuropäischen Frau. Demzufolge bin ich ja fast Italienerin. Was auch mein Hang zu schönen Schuhen und guter Pasta erklärt. Und da ich bei München lebe und München auch die nördlichste Stadt Italiens ist, macht das Ganze sogar doppelt Sinn.
© by Marita Matschiner