Der Schuh, der so ist, wie er ist

Ein Bruchteil!

Sobald ich laufen konnte, ging meine Oma mit mir jeden Samstag zum Schuhe-Shoppen. Wir wohnten damals noch in Berlin und haben wirklich sämtliche Schuhläden im näheren und weiteren Umfeld durchforstet. Und wenn wir nach einigen Wochen alle Schuhläden durch hatten, konnten wir wieder von vorne anfangen. Mit Currywurst, Currybulette und Pommes wurden diese Ausflüge abgerundet. Bei einem dieser Ausflüge konnte ich mich nicht für eine Farbe entscheiden. Sollten es die Lackschuhe in hellgelb oder hellgrün sein? Beide passten perfekt zu meinem nagelneuen Kleidchen, weiß mit gelb-grünen Blümchen drauf. Meine Oma hat einfach beide gekauft. Und ich war das glücklichste Mädchen der Welt.

Meine Oma war die größte Schuhsammlerin, die ich jemals gesehen habe. Alle Schuhe waren in einem riesigen Schuhschrank farblich sortiert und aufgereiht. Für jeden Anlass hatte sie die richtigen Pumps, Sandalen oder Stiefel. Als Kind saß ich fasziniert im Schneidersitz vor diesem Schrank und habe ehrfürchtig die Schuhe begutachtet. Die einzelnen aber feinen Unterschiede bewundert und den Ledergeruch in mich aufgesogen. Um ihr Winteroutfit zu perfektionieren hatte sie zu jedem Stiefel auch die passenden Lederhandschuhe. Die farblich abgestimmte Handtasche war selbstverständlich. Ich gehe davon aus, dass damals meine Affinität zu Schuhen entstanden ist. Oder liegt so etwas in den Genen?

Die Schuhbranche lief schon immer gut. Aber der letzte Bahnbrechende Schub ist Carrie Bradshaw und Co. aus „Sex and the City“ geschuldet. Seitdem hechelt der größte Teil der Damenwelt zusätzlich den superedlen und vor allem teuren Stücken hinterher: Manolo Blahniks, Christian Louboutins und Jimmy Choos.

Eigentlich waren Frauen die Zielgruppe dieser Serie. Und ich sehe heute noch die Männer voller Unverständnis den Kopf schütteln. Aber ich kenne auch einen Mann, der damals jede Folge inhaliert hat. Bei einem unserer ersten Dates konnte er mir sogar sagen, wie der Hund von Aiden hieß. Das hat mich so beeindruckt, dass er circa zwei Jahre später von mir das „Ja“ erhalten hat, als er um meine Hand anhielt. Quatsch. Natürlich war das nicht der Grund. Aber beeindruckt war ich. Sehr sogar.

Um den Genen oder dem Anerzogenen nachzukommen: ja, mein Schuhschrank ist in den letzten Jahren auch um einiges größer geworden. Nicht nur Schläppchen in unzähligen Farben – auch Pumps und Ballerinas haben den Weg zu mir gefunden. Alle in Schuhkartons einsortiert, mit Fotos auf der Front versehen. Aber eine ganz große Liebe habe ich von meiner Oma übernommen: Stiefel. Egal ob ganz flach oder mit schwindelerregenden Absatz. Glattleder, Wildleder, Gesteppt. Edel, damenhaft oder Biker Boots. Ich liebe sie alle! Hier müssen es nicht immer die modernsten, hippsten oder angesagtesten Stiefel sein. Auch bei völlig zeitlosen, für andere unspektakulären Stiefeln bekomme ich große Augen und zücke die Kreditkarte. Denn leider ist es auch diese Schuhsorte, die am meisten Investition benötigt: Platz und Euros.

Allerdings muß ich jeden Sommer mindestens ein paar richtig hippe Schläppchen erwerben. Kurze Begriffsdefinition: Schläppchen sind leichte Schühchen (appropo „chen“: siehe auch hier), die möglichst viel Haut zeigen. Nur dieser von mir selbst aufgestellten „Regel“ nachzukommen, gestaltete sich diesen Sommer als äußerst schwierig. Trotz Shopping-Aktionen in unterschiedlichen Städten und das Durchforsten der typischen Onlineportale – irgendwie habe ich nicht das Richtige gefunden.

Seit einiger Zeit geht der Trend in Richtung Gesundheitsschuhe. Gut für die Füße, gut für langes Stehen, gut für den Rücken. Und ich fasse es nicht: Birkenstock hat sein Revival. Birkenstock hatte seinen letzten großen Hype in den 80ern. Und ich konnte es kaum fassen dass jetzt – 35 Jahre später – diese Marke mit einem ganz speziellen Schuh wieder so erfolgreich wird. Er ist der Flipflops unter den Birkenstocks. Das Model „Gizeh“. Es gibt ihn in schrillen Farben, in Leder, Lackleder und/oder mit Glitzer. Die Sohle wahlweise in weiß oder schwarz.

Nach einigen Wochen des Abwägens, entschied ich mich für die Toffee-Ausgabe. Leicht metallisch glänzend, in einem weichen Nougat Ton. Ich drückte den „in den Einkaufswagen“- Button. Noch Stunden später grübelte ich im Stillen, ob das ein Schuh für mich ist. Ob man wirklich so einen Sommertrend mitmacht oder es lieber seinlässt. Selbst als ich ihn 24 Stunden später in der Hand hielt, war ich mir immer noch nicht sicher. Dieser Schuh hat nichts von Eleganz. Keinerlei Charme. Eher unattraktiv, unweiblich und unvorteilhaft trifft es. Aber kaum schlüpft man hinein, stellt die Schnallen auf die richtige Größe – schon kommt ein „Meine Füße sind daheim“ – Gefühl auf. Meine Füße haben ihr Zuhause gefunden. Nach einem langen harten Tag in spitzen Pumps, viel zu flachen Ballerina, zu harten Sneaker oder hochhackigen Stiefeln werden meine Füße am Abend in ihr Wolkenbettchen geschoben und dürfen einfach Füße sein.

Meine Freundin hat es so passend, so traumhaft und so perfekt formuliert! Und ich glaube, ich darf ihre drei Sätze hier rezitieren:

„Die sollen bequem sein! Das ist der einzige Schuh auf der Welt, der einfach so ist, wie er ist und gerade deswegen super ist! Selbst wenn er hässlich ist.“

P.S.: vielen lieben Dank an Daniela S. aus S. für die auf den Punkt bringenden Worte!

© by Marita Matschiner

45? Scheiß drauf!

Scheiß aufs Alter

Scheiß aufs Alter // pic by Achim Matschiner

17. August 2016. Geburtstag. Wieder ein Jahr älter. Bis jetzt hat mich das Thema „Älter werden“ ziemlich kalt gelassen. Damals mit 14 war es natürlich ein ganz wichtiges Ereignis. Und 16 erst. Endlich bis um 22:00 Uhr in die Disco und den 50ger Führerschein machen. Die Freude auf das 18. Lebensjahr kann jeder nachempfinden. Besonders wichtig für mich: endlich open-end ins Nachtleben eintauchen. Ohne sich offiziell den elterlichen Regeln unterzuordnen (zumindest theoretisch) oder deren Segen für das extensive Nachtleben abzuholen.

Die darauffolgende Rundung war ziemlich lahm. Es änderte sich nichts. Also egal ob man 18 oder 20 Jahre alt wurde. Völlig wurscht. Einige Jahre später blickte ich dann gespannt der 30 entgegen. Denn bis zu diesem Alter sind die ersten Weichen für das Leben gestellt. Studieren oder Ausbildung? Arbeitet man um zu Leben oder lebt man um zu arbeiten (Fürchterlicher Spruch – aber passend). Ist man eher eine ausführende Kraft, ein Entscheider oder ein Macher. Auch ob man die Rolle als Arbeiter, Angestellter, Führungsperson oder Chef im Berufsleben einnehmen wird, ist meistens schon absehbar.

Im Privatleben stößt man erst einmal auf nur eine Frage: will/kann man alleine leben oder sieht man seine Zukunft eher im Kreise einer Familie. Der nächste Schritt ist dann eine logische Folgerung und relativ simpel im Ansatz: kommen Kinder in der gewünschten Lebensplanung vor? Diese Antwort entscheidet dann auch schon wieder über folgende Fragen. Wo und wie lässt man sich nieder? Land oder Stadt? Wohnung oder Haus? Mieten oder kaufen? Und so weiter und so fort.

Um wieder auf den 30sten zurück zu kommen, dem ich mit großer Vorfreude entgegensah. Die Weichen waren auch bei mir im Großen und Ganzen soweit gestellt. Er fühlte es sich genauso an, wie der Tag davor. Einen wirklichen Unterschied gab es nicht. Mit einer Ausnahme. Die Erkenntnis das man zumindest optisch altert. Gels, Cremes und Pflegemasken haben eine klare Daseinsberechtigung!

Dann ging es auf die 40 zu. Urlaub, Hotel, das kleine Bad im niedlichen Laura-Ashley-Style und ganz viele Spiegelkacheln an der Badezimmertür. Ich war ca. 39 und stand kopfüber im Badezimmer, um möglichst viel Volumen in das Haar zu föhnen. Während ich so vor mich hin föhnte und vor mich hin schaute, fällt mein Blick durch meine Beine auf die Spiegelkacheln. Vor lauter Schreck hätte ich beinahe den Hotelföhn fallen gelassen. Aber in der nächsten Sekunde fing ich herzhaft laut und schallend an zu lachen. Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Die Tränen liefen und es dauerte ewig bis ich meinem Mann den Grund meines Lachanfalls erklären konnte. Ich gebe jetzt mal keine Detailinformationen, sondern empfehle – bei Interesse -, einfach mal diese Position einzunehmen und die Äuglein zu öffnen.

Ich habe kein Problem damit älter zu werden. Diese paar Fältchen, die sich in den letzten Jahren immer ausgeprägter in meinem Gesicht verewigen, sind hart erarbeitet. Lachen, Spaß im Leben und eine positive Einstellung, verändern das Gesicht. Diese Lachfalten und die ersten Anzeichen von Krähenfüße: sie gehören zu mir. Ebenso wie die ersten grauen Haare. Natürlich versuche ich mit Vernunft und nicht im übertriebenen Maße dagegen vorzugehen. Ich liebe z.B. mein Augengel – sorry, Plural – meine Augengels! Morgens, abends und gerne auch mal zwischendrin. Nach einer harten Nacht gerne mehrmals am Vormittag. Bei mir liegt dieses heißgeliebte Mittel auch direkt greifbar auf dem Nachtkasterl.  Meine erste Tat man Morgen: Schmieri auf die Augen! Im Badezimmer liegt sie auch direkt neben den weiteren Pflegemitteln. Tagescreme sowie ein Nachtöl für die reife Haut. Und blonde Strähnen kaschieren die immer grauer werdenden Haare.

Nichtsdestotrotz: bis zu meinem 44sten hatte ich nie ein Problem mit meinem Alter. Im Gegenteil. Ich habe immer die positiven Seiten gesehen: Lebenserfahrung, Altersautorität, Reife und dadurch auch mehr Gelassenheit vielen Themen gegenüber. Genau diese Themen, die mich mit 20 völlig ausrasten ließen. Inklusive Türen schmeißen und rumbrüllen. Heute nehme ich einen tiefen Atemzug und gut ist’s.

Aber die Fünf mit der Null im Schlepptau naht! Und das fühlt sich komisch an. Trotz meiner gesunden Einstellung zum Älter werden – ich hoffe, ich habe diese wirklich -, musste ich beim Bewusstwerden kurz inne halten. Durchatmen. Die Fünfzig. Wie fühlt sich das wohl an? Wie sehe ich mit 50 aus? Bin ich dann noch so fit? Kann ich dann immer noch so viele Kilometer durchs Isartal rennen? Welche Zipperlein melden sich als erste? Welche bleiben? Welche gehen wieder? Werde ich immer noch so tolerant neuen und jungen Themen gegenüber sein? Oder startet da schon die Alterszickigkeit? Bin ich dann noch offen für die Themen und Probleme der jungen Kollegen? Oder bin ich dann echt raus und werde als alt gesehen?

An meinem 45ten Geburtstag hat man sich natürlich auch darüber unterhalten. Meine Schwiegermama fragte mich, was sie denn erst sagen soll. Natürlich hatte sie recht. Das ist der Lauf der Dinge. Das ist mir bekannt. Und ja, ich stehe zu meinem Alter. Zu meiner Lebenserfahrung. Und trage die Falten mit dem verdientem Stolz. Ich weiß wer ich bin und renne nicht mehr wie mit 20 suchend und irrend durch die Gegend in der Hoffnung, mich selbst zu finden. Zu wissen wer ich bin. Wo meine Stärken und auch meine Schwächen sind. Mir selber Fragen zu stellen und auch beantworten zu können: Wo will ICH hin! Welche Träume habe ICH. Wer bin ICH. Die Fragen, Antworten und Aussagen zu kennen, die wirklich MIR gehören. Nicht von den Medien, der Werbung, und fremden Menschen aufgedrückt zu bekommen. Nicht von Menschen in meinem Umfeld aufoktroyiert – weil sich das so gehört, weil es immer so war und weil die Nachbarn das so erwarten.

Auf einem Grillabend von Freunden fragte mich der Papa der Gastgeberin, wie ich alt denn in zwei Tagen werde. Ich verharrte eine Sekunde. Alle oben erwähnten Fragen schossen gleichzeitig durch meinen Kopf. Aber die Worte kamen glasklar über die Lippen: 45! Und er schaute mir direkt in die Augen. Seine Augen strahlten fröhlich und er antwortete: „So siehst Du nicht aus! Nicht das es was Schlechtes ist, wie 45 auszusehen. Nein, du siehst nach Lebensfreude aus. Du bist ein netter und vor allem ein guter Mensch und Du hast der Welt etwas beizutragen. Du verbesserst sie! Egal wie alt Du bist.“

Seit ein paar Tagen bin ich in meinem 45. Lebensjahr angekommen. Und ich fühle mich wie vor dem Ereignis. Nun blicke ich gespannt und entspannt der 50 entgegen und in der Zwischenzeit freue mich sogar darauf!

© by Marita Matschiner

Fräulein Tongtong!

Fräulein Tongtong!

Icke. Süß, wa?

Ich weiß nicht, wo ich es her habe. Keiner in meiner Familie tut so etwas. Und auch keiner achtet wirklich darauf, ob es einer tut. Und genaugenommen verstehe ich auch gar nicht, warum der Duden diese von mir so geliebte und für mich positive Angewohnheit verunglimpft! Das Thema geht um Verniedlichung.

Im Duden steht: als unbedeutender, geringfügiger, harmloser hinstellen. Sogar der Begriff „bagatellisieren“ fällt dort. Das kann ich nicht nachvollziehen und ich wehre mich dagegen, dass diese emotionale Eigenschaft von mir als eine Bagatelle abgetan wird.

Bereits kleine Kinder nutzen völlig unbewusst die Form der Verniedlichung. Nicht nur Mami, Papi, Omi und/oder Opi. Auch die Stofftiere und Puppen werden nicht immer nur völlig banal „Peter“ oder „Susanne“ getauft. Bei mir war es das „Peterle“ und die „Susi“. Die Tochter einer Freundin bekam zu Weihnachten ihre erste Puppe geschenkt. Die kleine Maus hat das Wort „Puppe“ einfach nicht über ihre kleine Zuckerschnute bekommen. Und da wurde die Puppe zu „Puppa Jesus“. Es war ja schließlich Jesus Geburtstag. Einschub: es geht auch anders herum. Das niedliche Glubschi (eine neonpinkfarbige Giraffe) der Tochter einer anderen Freundin, wird wiederum „Frau Müller“ genannt. Das bringt einen doch nun wirklich zum Schmunzeln. Wie viel pragmatische Fantasie in Kinderköpfen steckt. Was kann daran bitte unbedeutend, geringfügig oder sogar eine Bagatelle sein?

Meinen ersten offiziellen Spitznamen habe ich übrigens erst vor vier Jahren erhalten. Was will man bei dem Namen Marita auch verniedlichen. Unser Patenkind hat es aber geschafft. Denn Marita war ihr wohl zu schwer. Daraufhin hat sie einfach ein paar Buchstaben weggelassen, und heraus kam Mita. Die ganze Familie des Patenkindes (inkl. ihrer jüngeren Schwester) haben den Spitznamen übernommen und auch heute heißt es z.B. noch „Mita und Achim sind da!“.

Menschen in meinem Umfeld nehmen im Laufe der Zeit bei mir unterschiedliche Plätze ein. Natürlich gibt es die, mit denen ich nicht in den Urlaub fahren möchte. Manche sieht man jeden Tag und man weiß, sie sind nett und sympathisch, aber mehr auch nicht. Bei anderen ist es sofort um einen geschehen und man redet intensiv, öffnet sich. Bei der Verabschiedung wird spontan gedrückt und geknuddelt. Es kommt ein vertrautes Gefühl auf, als ob man bereits als Kinder nackig miteinander gespielt hat. Und natürlich gibt es auch Begegnungen, bei denen relativ schnell klar wird: das positive Karma wird nur von einer Seite empfangen. Aber so ist das halt. Jeder ist anders. Das macht uns zu Individuen. Zu Menschen. Und das macht es doch auch so spannend. Das Leben. Das Miteinander.

Aber es gibt sie! Natürlich gibt es sie. Die Personen, die die ich so richtig gerne mag. Die, die ich gerne um mich habe. Mit denen ich gerne stundenlang rede, lache und auch mal mehr von mir Preis gebe. Ich brauche nicht darüber nachdenken wie ich mich verhalte. Wer ich bin. Ich habe nicht das Gefühl mich verteidigen oder sogar zu verargumentieren zu müssen. Ich kann so sein wie ich bin. Mit denen würde ich gerne Schuhe kaufen gehen (früher nannte man das Pferde stehlen). Genau diese Personen haben irgendwann das Glück oder vielleicht das „Pech“, dass ich anfange ihren Namen in irgendeiner Form zu verniedlichen. Gern angeknüpft an eine winzige Auffälligkeit. Etwas ganz spezielles in ihrem Charakter. Für mich etwas ganz Besonderes an diesem Menschen. Diese Menschen werden nicht nur von mir geherzt, nein, sie kriegen einen liebevollen Kosenamen von mir.

Natürlich gibt es auch die Kosenamen innerhalb einer Partnerschaft. Das wird auch in unserem Umfeld kräftig genutzt. Ein Bärli, Mausi oder Hase stehen doch für Vertrautheit, Sicherheit, Hingabe. Wir haben gleich zwei Hasen zu Hause. Hase und Hasehase (das bin ich). Doppelt gemoppelt hält besser.

Um es dann allerdings etwas spooky zu machen, ich kriege das sogar mit Gebrauchsgegenständen hin. Nicht nur mein Auto hat einen eigenen Namen, nein auch alle vorherigen Autos haben einen. Das Erschreckende daran ist, ich kann den Spitznamen auch noch „begründen“ und „erklären“. Und jedes Mal wenn ich ins Auto steige, wird mein Auto persönlich begrüßt. Morgens auf dem Weg zur Arbeit. Abends auf dem Weg nach Hause. Natürlich hat auch mein Fahrrad einen Kosenamen. Und mein Mann und ich reden sogar in dritter Person von ihm. Ich kenne viele Männer, die ihren Fahrrädern einen gegeben haben. Bevorzugt einen weiblichen Vornamen. Es gibt sogar die, die sich diese Fortbewegungsmittel im Schlafzimmer an die Wand hängen. Da will ich aber mal lieber keinen persönlich nennen. 😉

Von mir erhalten auch ganz normale Dinge gerne ein nettes Ende. Wie z.B. ein Weinchen, ein Gläschen. Gerne auch mal „ich geh dann ins Bettchen“ oder „ich gehe mal Zähnchen putzen“. Selbst der Hund wird liebevoll gefragt ob er ein Leckerli oder ein Sticki möchte.

Apropos Hund. Ich glaube am meisten würde unser Hund unter seinen ganzen Kosenamen leiden, wenn er sie denn auch so verknüpfen würde. Von Mupfel über Frosch zu Cowboy ist alles dabei. Und ganz gerne auch unterschiedliche Kombinationen wie z.B. Mausebär, oder Mausebärchen, wenn ich ganz besonders viel Liebe für ihn empfinde. Und eigentlich nur wenn er „Funktionieren“ soll oder etwas tun bzw. es nicht tun soll, kommt der richtige Name zum Einsatz. Dann auch gerne mit Anrede. Wenn ich so drüber nachdenke, war das bei meinen Eltern eigentlich auch so. Im „lieben“ Leben hatte ich einen süßen, netten Spitznamen. Den kennen übrigens auch nur sehr wenig Menschen außerhalb der Familie. Aber sobald ich etwas angestellt habe, klang die Ansprache ganz und gar nicht mehr liebevoll. Dann hieß es „Fräulein Tongtong!!!!!“. Und ja, mit mindestens fünf Ausrufezeichen. Damals fand ich das gar nicht lustig. Heute kann ich darüber schmunzeln. Aber ich befürchte, wenn er in dem richtigen Tonfall kommen würde… wer weiß, vielleicht würde ich auch heute noch „stramm“ stehen und auf die sicherlich verdiente Schelte warten. Aber selbst dann, ist und wird es niemals eine Bagatelle sein!

© by Marita Matschiner

Unkontrollierte Tränen

Licht und Schatten

Licht und Schatten // pic by Achim Matschiner

Ich sitze hier. Und mir fehlen die Worte. Was soll man auch sagen? Die Frau liegt in meinen Armen, zittert, schluchzt. Ich halte sie einfach nur fest. Streichle ihr über den Rücken. Auch meine Tränen laufen unkontrolliert. Aber es geht nicht um mich. Es geht um sie. Um ihren Mann. Um deren Familie.

Was soll man nur sagen, wenn sie einen mit verquollen, roten, verheulten Augen anschaut und verzweifelt flüstert „Ich will nicht, dass er geht!!!“. Sie versucht die immer wieder kehrenden Tränen wegzuwischen und schluchzt die zwei logischen Folgesätze „Was soll ich nur ohne ihn tun? Wie soll ich weitermachen?“

Da fehlen einem die Worte. Da gibt es keine Antwort. Geschweige eine richtige. Was kann man nur sagen? Man sitzt nur da, die Hände des Gegenübers drückend. Festhalten. Eine Schulter anbieten. Ein Taschentuch reichen. Verständnis zeigen. Stabilität geben. Zeigen dass man da ist und auch wirklich da ist.

Es dauert lange bis man damit umgehen kann. Als betroffene Person und als Externer.

Seit Jahren weiß man es. Aber die Zeit läuft. Unaufhörlich. Tick. Tick. Tick. Ohne Erbarmen.

Es gibt immer wieder eine Hoffnung. Täglich werden neue Medikamente entwickelt und freigegeben. Neue Behandlungsmethoden setzen sich durch. Ein anderes Krankenhaus. Ein anderer Arzt. Die Hoffnung auf eine andere Diagnose. Man betet. Man hofft. Aber, irgendwann ist es so weit. Da ist keine Hoffnung mehr. Es folgt die Verdrängung. Es wird schon. Morgen wird ein besserer Tag. Nächste Woche ist alles wieder ok. Nächsten Monat haben wir ja Urlaub gebucht, da geht es bestimmt wieder. Und dann der Rückschlag. Man bekommt keine Luft mehr. Der Boden wird einem unter den Füßen weggerissen. Ist wie betäubt. Das einzige Gefühl ist der Magenschwinger von Mike Tyson. Atmen. Aber es geht nicht. Man will es nicht glauben. Man kann es nicht glauben. Man verdrängt. Aufs Neue. Die einzige Möglichkeit um weiter zu Leben. Verdrängen um zu atmen. Verdrängen um zu essen. Verdrängen um zu leben. Nicht zusammenbrechen. Stark sein. Für diesen einen Menschen. Und man weiß nicht, wie lange man das durchhalten kann.

Menschen werden oft zu früh aus dem Leben gerissen. Unvermutet, ruckartig, ohne Vorwarnung. Aber macht es das besser? Wird es für die Hinterbliebenen dadurch leichter? Wenn jemand einfach so ohne Vorwarnung plötzlich nicht mehr da ist? Ohne Chance auf Vorbereitung. Auf das was da auf einen zusteuert? Unaufhörlich. Ohne Pause. Ohne Umweg. Ohne Unterbrechung. Keine Möglichkeit mehr alles zu sagen. Die letzten wichtigen Worte. Die letzten wahren Worte. Dem Anderen diese Worte zu geben, die so wichtig sind!

Ist es egal ob man sich vorbereitet oder ob es von heute auf morgen passiert?
Ist es einfacher?
Ist es schmerzloser?
Ist es menschlicher?
Ist es erträglicher?

Ich sitze hier. Mir fehlen die Worte. Meinen Tränen laufen unkontrolliert.

© by Marita Matschiner