Die dritte Woche im neuen Zeitalter „Mitten drin statt nur dabei“ ist angebrochen. Die dritte Woche im Homeoffice für meinen Mann, mich und unseren Hund Gibson. Die dritte Woche mit dem Corona-Virus und den Einschränkungen. Wir sehen jetzt die Auswirkungen auf Menschheit, Wirtschaft, Familiensituationen, finanzielle Verluste und Psyche. In den Nachrichten wird viel erzählt, diskutiert, berichtet und ganz besonders viel spekuliert. Die geradezu unpersönlichen Kommunikationsmedien wie Facebook, Twitter, WhatApp, Videotelefonie usw. laufen zu Höchstleistungen auf. Das alles kann einen schon sehr runterziehen und mit der Zeit deprimieren.
Die Lage ist kritisch, glaubt ein Teil der Bevölkerung. Andere halten es nicht für notwendig, ihr Leben und ihre Gewohnheiten anzupassen. Nichtsdestotrotz sind Toilettenpapier, Nudeln und Desinfektionsmittel restlos ausverkauft. Irgendwann müsste doch mal der Lagerräume in den Privathaushalten völlig ausgeschöpft sein. Wo verstauen die Leute nur all das Zeug? Verstehen würde ich es ja, wenn Babynahrung ausverkauft wäre. Einer unserer ersten Maßnahmen war, für unseren Gibson genügend von seinem Spezialfutter auf Lager zu haben. Ebenso seine wichtigen Medikamente. Nicht zu vergessen die vegetarischen Leckerlies (gesundheitlich bedingt). „Sein“ Lagerraum für all seine Dinge war relativ schnell aufgefüllt und bietet nun keinen Platz mehr. Auch nicht für eine Rolle Toilettenpapier. Unser Gibson wird nicht verhungern und seine Gesundheit wird auch nicht leiden. Zumindest für die nächsten sechs bis acht Wochen. Und dann sehen wir weiter.
Unser Einkaufsverhalten haben wir 100% dem Angebot in unserem Lebensmittelladen im Ort angepasst. Gibt es keine Nudeln, weichen wir auf Reis oder Kartoffeln aus. Oder wir machen Pasta einfach selber (Mehl, Eier, Salz und Olivenöl). Hat man momentan fast immer im Haus.
Bei unseren notwendigen Fahrten zum Supermarkt alle drei Tage ist mir aufgefallen, wie entspannt das von mir sonst so sehr verhasste einkaufen von Lebensmitteln geworden ist. Früher war das ein Hauen und Stechen. Jeder wollte der Erste sein. Keiner wollte dem anderen Kunden Platz machen oder den Einkaufswagen auch nur einen Millimeter auf die Seite schieben. Diese Einstellung hat sich völlig in Luft aufgelöst. Obwohl es in unserer jetzigen Situation eigentlich eher umgekehrt sein sollte. Das Toilettenpapierangebot ist ja begrenzt (verstehe ich immer noch nicht!). Stattdessen sind die shoppenden Personen freundlich, zuvorkommend und rücksichtsvoll. Es ist ein netter, auf Abstand basierender Umgang miteinander. Man grüßt sich. Lächelt sich dabei an. Auch beim Spazieren gehen und beim Outdoor-Sport. Früher wurde mein „Guten Morgen“ oder „Hallo“ zu 95% ignoriert. Oder ich wurde giftig angeschaut, weil ich mit Höflichkeit „gestört“ habe. Jetzt habe ich den Eindruck, alle besinnen sich wieder auf Werte, die in den letzten Jahren verdrängt wurden. Verdrängt durch Zeitnöte, Kommerzialisierung, Egoismus, Intoleranz und Statusdenken.
Letzte Woche sind mir auf dem Parkplatz eine Mutter mit ihren zwei Teenager-Mädels aufgefallen. In der Vergangenheit war Mama immer alleine. Höchstens mit einem Töchterchen unterwegs, welches gemault hat und keinerlei Ambitionen hatte, Mama zur Hand zu gehen. Aber an diesem Tag waren die Mädels frohlockend und beide dabei. „Endlich raus und shoppen gehen!“ Auch wenn es nur bei Aldi ist. Hauptsache raus und was anderes sehen. Sie lachten alle drei und hatten echt Spaß miteinander. Was für ein schönes Bild!
Am Anfang hatte ich ein bisschen Respekt davor, solange Daheim zu sein. Nur zu Hause mit meinem Mann und meinem Hund. Wir haben unsere Tage gut geplant und vergessen trotz Arbeit und Verpflichtungen nicht den Anderen. Wir haben einen höflichen Umgangston miteinander. Sagen brav „Danke“ und „Bitte“. Versuchen nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Wir lachen unheimlich viel – vor allem miteinander. Sind zwischendurch kindisch und blödeln rum. Situationen, die ich vor ein paar Wochen noch belächelt habe, lösen jetzt einen totalen Lachanfall aus. Ich hoffe das sind nicht die ersten Anzeichen von Durchdrehen, sondern von Entspannung und Zufriedenheit in dieser gruseligen Zeit. Heute war ich sogar das erste Mal seit Jahren entspannt und zufrieden beim und nach dem Lebensmitteleinkauf. Die Kinder spielen wieder im Freien (zumindest bei uns auf dem Land). Die Spaziergänger sind harmonisch und grüßen alle.
So sehr ich diese Wandlung mit Freude betrachte, Sorgen mache ich mir trotzdem. Wie wird die Welt wohl nach Corona aussehen? Stürzen wir uns sofort wieder in die unpersönliche, unhöfliche, egoistische und schnelle Welt zurück? Oder bleibt man dann beim Spazierengehen auch mal stehen und lernt sich kennen? Grüßt man die Kassiererin mit einem Lächeln oder schmeißen wir nur unseren Einkauf auf das Rollband, in der Hoffnung, diese Verpflichtung möglichst schnell erfüllt zu haben? Wir werden es sehen. Ich hoffe, die Menschheit lernt daraus. Immerhin ist es ein globales Thema. Was uns allerdings zugutekommt: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier! Nennt mich naiv, blauäugig oder zu optimistisch. Aber ich hoffe darauf, dass diese paar Wochen ausreichen, dass diese wiedergewonnene Gewohnheit bei den Menschen anhält und von Dauer ist. Auch nach Corona.
Es ist eine schlimme Zeit. Es ist eine harte Zeit. Aber vergesst nicht, zwischendurch das Positive zu sehen. Man muss gar nicht danach suchen. Sie sind da. In unseren Wohnzimmern. Vor der Tür. Beim Einkaufen. Nehmt es war, genießt diese Situation und lächelt.
Denn, wie hieß es eben im Radio: „Durch ein Lächeln und eine freundliche Begrüßung steckt man sich nicht mit Corona an! Ein Lächeln verbindet Menschen!“ Genau so ist es! Das geht nicht per Facebook, Twitter, WhatsApp oder Videotelefonie. Das geht nur persönlich. Von Mensch zu Mensch.
© by Marita Matschiner
Die kürzeste Verbindung zwischen 2 Menschen ist ein Lächeln…auch wenn dieses jetzt 1,5mq überwinden muss! Sehr schöner Text, sehr reflektiert und ganz nah im Hier und Jetzt! Danke fürs Teilen!