45? Scheiß drauf!

Scheiß aufs Alter

Scheiß aufs Alter // pic by Achim Matschiner

17. August 2016. Geburtstag. Wieder ein Jahr älter. Bis jetzt hat mich das Thema „Älter werden“ ziemlich kalt gelassen. Damals mit 14 war es natürlich ein ganz wichtiges Ereignis. Und 16 erst. Endlich bis um 22:00 Uhr in die Disco und den 50ger Führerschein machen. Die Freude auf das 18. Lebensjahr kann jeder nachempfinden. Besonders wichtig für mich: endlich open-end ins Nachtleben eintauchen. Ohne sich offiziell den elterlichen Regeln unterzuordnen (zumindest theoretisch) oder deren Segen für das extensive Nachtleben abzuholen.

Die darauffolgende Rundung war ziemlich lahm. Es änderte sich nichts. Also egal ob man 18 oder 20 Jahre alt wurde. Völlig wurscht. Einige Jahre später blickte ich dann gespannt der 30 entgegen. Denn bis zu diesem Alter sind die ersten Weichen für das Leben gestellt. Studieren oder Ausbildung? Arbeitet man um zu Leben oder lebt man um zu arbeiten (Fürchterlicher Spruch – aber passend). Ist man eher eine ausführende Kraft, ein Entscheider oder ein Macher. Auch ob man die Rolle als Arbeiter, Angestellter, Führungsperson oder Chef im Berufsleben einnehmen wird, ist meistens schon absehbar.

Im Privatleben stößt man erst einmal auf nur eine Frage: will/kann man alleine leben oder sieht man seine Zukunft eher im Kreise einer Familie. Der nächste Schritt ist dann eine logische Folgerung und relativ simpel im Ansatz: kommen Kinder in der gewünschten Lebensplanung vor? Diese Antwort entscheidet dann auch schon wieder über folgende Fragen. Wo und wie lässt man sich nieder? Land oder Stadt? Wohnung oder Haus? Mieten oder kaufen? Und so weiter und so fort.

Um wieder auf den 30sten zurück zu kommen, dem ich mit großer Vorfreude entgegensah. Die Weichen waren auch bei mir im Großen und Ganzen soweit gestellt. Er fühlte es sich genauso an, wie der Tag davor. Einen wirklichen Unterschied gab es nicht. Mit einer Ausnahme. Die Erkenntnis das man zumindest optisch altert. Gels, Cremes und Pflegemasken haben eine klare Daseinsberechtigung!

Dann ging es auf die 40 zu. Urlaub, Hotel, das kleine Bad im niedlichen Laura-Ashley-Style und ganz viele Spiegelkacheln an der Badezimmertür. Ich war ca. 39 und stand kopfüber im Badezimmer, um möglichst viel Volumen in das Haar zu föhnen. Während ich so vor mich hin föhnte und vor mich hin schaute, fällt mein Blick durch meine Beine auf die Spiegelkacheln. Vor lauter Schreck hätte ich beinahe den Hotelföhn fallen gelassen. Aber in der nächsten Sekunde fing ich herzhaft laut und schallend an zu lachen. Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Die Tränen liefen und es dauerte ewig bis ich meinem Mann den Grund meines Lachanfalls erklären konnte. Ich gebe jetzt mal keine Detailinformationen, sondern empfehle – bei Interesse -, einfach mal diese Position einzunehmen und die Äuglein zu öffnen.

Ich habe kein Problem damit älter zu werden. Diese paar Fältchen, die sich in den letzten Jahren immer ausgeprägter in meinem Gesicht verewigen, sind hart erarbeitet. Lachen, Spaß im Leben und eine positive Einstellung, verändern das Gesicht. Diese Lachfalten und die ersten Anzeichen von Krähenfüße: sie gehören zu mir. Ebenso wie die ersten grauen Haare. Natürlich versuche ich mit Vernunft und nicht im übertriebenen Maße dagegen vorzugehen. Ich liebe z.B. mein Augengel – sorry, Plural – meine Augengels! Morgens, abends und gerne auch mal zwischendrin. Nach einer harten Nacht gerne mehrmals am Vormittag. Bei mir liegt dieses heißgeliebte Mittel auch direkt greifbar auf dem Nachtkasterl.  Meine erste Tat man Morgen: Schmieri auf die Augen! Im Badezimmer liegt sie auch direkt neben den weiteren Pflegemitteln. Tagescreme sowie ein Nachtöl für die reife Haut. Und blonde Strähnen kaschieren die immer grauer werdenden Haare.

Nichtsdestotrotz: bis zu meinem 44sten hatte ich nie ein Problem mit meinem Alter. Im Gegenteil. Ich habe immer die positiven Seiten gesehen: Lebenserfahrung, Altersautorität, Reife und dadurch auch mehr Gelassenheit vielen Themen gegenüber. Genau diese Themen, die mich mit 20 völlig ausrasten ließen. Inklusive Türen schmeißen und rumbrüllen. Heute nehme ich einen tiefen Atemzug und gut ist’s.

Aber die Fünf mit der Null im Schlepptau naht! Und das fühlt sich komisch an. Trotz meiner gesunden Einstellung zum Älter werden – ich hoffe, ich habe diese wirklich -, musste ich beim Bewusstwerden kurz inne halten. Durchatmen. Die Fünfzig. Wie fühlt sich das wohl an? Wie sehe ich mit 50 aus? Bin ich dann noch so fit? Kann ich dann immer noch so viele Kilometer durchs Isartal rennen? Welche Zipperlein melden sich als erste? Welche bleiben? Welche gehen wieder? Werde ich immer noch so tolerant neuen und jungen Themen gegenüber sein? Oder startet da schon die Alterszickigkeit? Bin ich dann noch offen für die Themen und Probleme der jungen Kollegen? Oder bin ich dann echt raus und werde als alt gesehen?

An meinem 45ten Geburtstag hat man sich natürlich auch darüber unterhalten. Meine Schwiegermama fragte mich, was sie denn erst sagen soll. Natürlich hatte sie recht. Das ist der Lauf der Dinge. Das ist mir bekannt. Und ja, ich stehe zu meinem Alter. Zu meiner Lebenserfahrung. Und trage die Falten mit dem verdientem Stolz. Ich weiß wer ich bin und renne nicht mehr wie mit 20 suchend und irrend durch die Gegend in der Hoffnung, mich selbst zu finden. Zu wissen wer ich bin. Wo meine Stärken und auch meine Schwächen sind. Mir selber Fragen zu stellen und auch beantworten zu können: Wo will ICH hin! Welche Träume habe ICH. Wer bin ICH. Die Fragen, Antworten und Aussagen zu kennen, die wirklich MIR gehören. Nicht von den Medien, der Werbung, und fremden Menschen aufgedrückt zu bekommen. Nicht von Menschen in meinem Umfeld aufoktroyiert – weil sich das so gehört, weil es immer so war und weil die Nachbarn das so erwarten.

Auf einem Grillabend von Freunden fragte mich der Papa der Gastgeberin, wie ich alt denn in zwei Tagen werde. Ich verharrte eine Sekunde. Alle oben erwähnten Fragen schossen gleichzeitig durch meinen Kopf. Aber die Worte kamen glasklar über die Lippen: 45! Und er schaute mir direkt in die Augen. Seine Augen strahlten fröhlich und er antwortete: „So siehst Du nicht aus! Nicht das es was Schlechtes ist, wie 45 auszusehen. Nein, du siehst nach Lebensfreude aus. Du bist ein netter und vor allem ein guter Mensch und Du hast der Welt etwas beizutragen. Du verbesserst sie! Egal wie alt Du bist.“

Seit ein paar Tagen bin ich in meinem 45. Lebensjahr angekommen. Und ich fühle mich wie vor dem Ereignis. Nun blicke ich gespannt und entspannt der 50 entgegen und in der Zwischenzeit freue mich sogar darauf!

© by Marita Matschiner

Arbeitsloser Mülleimer

Am Wochenende gibt es bei mir einen geregelten Vormittag. Normalerweise weckt mich der Hund zu seiner gewohnten Frühstückszeit, das ist so gegen 5:30 Uhr. Manchmal auch schon etwas früher. Da mein Mann ein Früh-Frühaufsteher ist, versucht er das Tapsen der Krallen auf dem Packet und Fliesenboden frühzeitig abzustellen, um mich weiter schlafen zu lassen. Das bedeutet, dem Hundewunsch schnell nachzukommen und ihm sein Frühstück zu servieren. Danach schleicht sich das Kuscheltier, und hiermit meine ich den Vierbeiner, wieder gemächlich ins Bett. Er rollt sich ein, schmatzt noch einmal versonnen und fällt umgehend in die nächste Tiefschlafphase.

Ein bis zwei Stunden später stehen wir dann auf, schmeißen uns voller Elan in die atmungsaktiven Sportklamotten und laufen in lockerer Geschwindigkeit gen Isar. Der Hund erfüllt in der Regel schnell seinen Hauptjob – er erledigt sein Geschäft. Als verantwortungswusste Hundemama habe ich ein Entsorgungstütchen dabei. Dieses kommt auch gleich zum Einsatz.  Um die Ecke ist der öffentliche Mülleimer und die Tüte wandert mit dem unangenehmen Inhalt, sicher zugeknotet, direkt hinein.

Nun kann ich mich entspannen. Meine Ohren lauschen einem netten Hörspiel oder bassorientierter Musik. Denn das Ziel ist ca. 60-90 Minuten in der Natur abzuschalten und das Leben Leben sein zu lassen. Einfach durchatmen. Nicht nachdenken müssen. Nicht „gut“ aussehen oder angenehm riechen zu müssen. Auch auf die Laufgeschwindigkeit oder die Pulshöhe gebe ich in diesen Momenten gar nichts. Diese Zeit gehört nur mir, meinem Hund und der Natur.

Der von uns bevorzugte Waldweg, der eigentlich den Begriff „Weg“ gar nicht verdient, führt uns immer weiter runter an die Isar. Hier fließt sie Richtung München und wir folgen dem Wasser bis in den nächsten Ort. Hier unten gibt es schöne ruhige Plätzchen, an denen man im Sommer gerne mal ein Handtuch ausbreitet und sich einfach ins Wasser stürzt. Einige Stellen sind in der Zwischenzeit schon von weitem zu erkennen, hauptsächlich geprägt durch die entstandenen Grillstationen. Ein paar größere Steine in einer Kreisformation angeordnet und in der Mitte die letzten Überreste von verbranntem Holz oder Kohle. Es gibt also Mitmenschen, und ich gehe davon aus, jüngere Mitmenschen, die die Natur auch so schätzen wie ich. Und anscheinend verbringen sie auch gerne und viel von ihrer Freizeit dort.

Ich komme wieder an einem dieser offensichtlichen Spaßgebiete vorbei. Der Wasserstand ist an diesem Teil der Isar sehr niedrig. Gut knöcheltief kann man hier sehr weit hineinwaten. Was anscheinend die letzten Isargäste auch gemacht haben. Denn ich kann es nicht fassen, was ich da  ehe. So circa 5-7 Meter vom Ufer entfernt steht mitten in der Isar eine einsame, leere Kiste Augustiner. Einfach so. Ohne Flaschen. Ohne „Wachpersonal“. In unregelmäßigen Abständen sind am Ufer die geleerten Bierflaschen verteilt. Hier muss es ganz schön abgegangen sein.

Es stellt sich mir nur die Frage, warum lassen sie das Pfandgut einfach liegen?

Anscheinend sind sie der Meinung, „ich habe es hier her geschleppt, dann muss ich es auch nicht wieder nach Hause tragen.“ Oder was zum Henker geht in diesen Köpfen vor? Ich will gar nicht drüber nachdenken, wie lange diese Kiste Bier benötigt, um von der Landschaft assimiliert zu werden. Oder sie wird bei dem nächsten Hochwasser weiter bis nach München getragen. Vielleicht freut sich ja in der Stadt ein armer Obdachloser über das Pfand der Kiste. Aber hätten die verfluchten Übeltäter dann nicht wenigstens soweit mitdenken und die leeren Flaschen in die Kiste verfrachten können? Dann hätte sich das wenigstens für den Obdachlosen richtig rentiert. Oder noch besser: einfach die Kiste mit gefüllten Flaschen direkt in die Isar stellen – ein Traum jeden Bierfreund: eiskaltes Bier!

Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier viel Hirn am Start war. Die Leute haben nichts mehr zum Denken in ihren Köpfen. Wollen nur ihren Spaß, sich den Kopf vollschütten und vertrauen darauf, irgendjemand wird sich schon darum kümmern. Hauptsache sie kommen in der Nacht irgendwie in ihr trockenes, sauberes Bett.

Von dieser Sorte Mensch gibt es immer mehr in unserem ach so schön sauberem und ordentlichen Deutschland. Wieso müssen an einer Ampelkreuzung Aschenbecher auf dem mittleren Grünstreifen ausgeleert werden? Wieso schmeißen Menschen ihre McDonald-Verpackungen einfach aus dem Autofenster? Wieso stehen mitten in Wäldern Kühlschränke und Waschmaschinen?

Nur zur Info an diese Leute: es gibt Abgabestationen hierfür. Hier kann man kostenfrei, ohne Umstände, ohne Formalitäten oder Frage-Antwort-Spielchen alle Dinge die ausgedient haben, fachgerecht entsorgen.

Habt Ihr eine Ahnung, was Ihr Natur und Landschaft damit antut?

Ebenso an meine Hundebesitzerkollegen. Wieso können sie die Hinterlassenschaft von ihrem Vierbeiner nicht entsorgen. Schlimmer sind die, die das Geschäft in die dafür vorgesehen Tüten packen, diese zuknoten und dann schön brav einfach irgendwo hinschmeißen. Bevorzugt auf dem Weg oder angrenzenden Grünstreifen.

Ich könnte kotzen, wenn ich so etwas sehe. Wie arrogant! Wie selbstverständlich! Wie herablassend gehen wir mit der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder um? Mit der Flora und Fauna, die langsam an unserem Dreck und Müll ersticken. Wir nehmen ihnen alles, die Luft, das Licht, die Erde, die Energie. Es würde völlig ausreichen, wenn jeder Erdbewohner alles in seiner Macht stehende tut und diese Welt und alle Bewohner und sein Umfeld mit Respekt behandelt.

Daher: liebe Isar-Party-Gäste! Habt Spaß heute Abend und gebt alles. Aber bitte nehmt Euren Müll auch wieder mit! Bitte lieber Radfahrer, guten Appetit bei Deinem Energieriegel. Bitte steck die Verpackung wieder ein! Du hast sie bis hierher in Deinem Supersportrucksack transportiert. Dann geht es bestimmt auch wieder bis nach Hause. Bitte liebe Eltern, wenn ihr die Windeln eures Kindes im Wald wechseln müsst, nehmt die verbrauchte und vollgeschissene Windel auch wieder mit. Ihr armen vom Schnupfen geplagten Ausflügler, ich leide mit Euch. Aber steckt das vollgerotzte Taschentücher doch bitte wieder in Eure Taschen. Auch Du, lieber Hundebesitzer, der garantiert herzlich, liebevoll und respektvoll mit Deinem Haustier umgeht. Respektiere seine freie Entscheidung dort sein Geschäft zu erledigen, wo er möchte bzw. kann. Es liegt in DEINER Verantwortung, diese Hinterlassenschaft zu entfernen! Und Du, lieber McDonald-Besucher! Ich esse das Zeug auch ganz gerne mal zwischendurch. Aber dieser Fastfood-Anbieter hat tatsächlich Mülleimer vor der Tür. Und diese gibt auch auf jedem Rastplatz, jeder Tankstelle und an und in jeder U-Bahn-/S-Bahnstationen. Und wenn Du nicht weißt wie so etwas aussieht: ein rundes, hohes Behältnis in unterschiedlichen Farben und Formen. Meist dunkelgrün oder grau. Und oben oder an der Seite ist eine Öffnung. Und genau da kannst Du Deinen Müll reinschmeißen.

Das ist der Job des Mülleimers und den möchte er gerne erfüllen. Er möchte nicht arbeitslos werden.

Gib dem Mülleimer eine Chance!

© by Marita Matschiner