Guckst Du Himbeertörtchen

pic by Achim Matschiner

Die Kommunikation der Menschen geht derzeit in zwei Richtungen. Zum einen haben wir die „Hey, Alder!“-Nachwuchsgeneration. Die benutzten Wörter werden hier auf ein Minimum reduziert. Es geht nicht darum, große anspruchsvolle Sätze von sich zu geben. Vielmehr ist das Ziel, mit möglichst wenigen, einfachen und cool klingenden Begriffen die Kommunikation herzustellen. Eben mit „Was kuckst du!“ oder „Was ist, Alder?“.  Gut, man könnte hier tatsächlich eine Wertung verstehen. Ein herablassender Umgang untereinander. Die nicht wertgeschätzte Gesprächsperson. Das ist damit aber gar nicht so gemeint. Sie reden halt einfach so miteinander. Allerdings alleine die Vorstellung, dass das unsere Zukunft sein soll. Die Generation, die sich um unsere Renten und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft kümmert! Und das ist keine Frage. Das ist ein Fakt. Denn genauso ist es. Dieser Nachwuchs werden die zukünftigen Verkäufer, Beamten und Büroangestellten sein.

Wenn man sich dagegen mit anderen Menschen außerhalb dieser oben beschriebenen Generation unterhält, wird mir auch manchmal Angst und Bange. Für viele zählt eine normale Kommunikation nicht mehr. Es heißt, möglichst viele Fremdwörter in einen Satz einzustreuen. Da heißt es dann, um einige einfache Beispiele zu nennen: „Das tangiert mich peripher“ oder „Sie hat so ein urbanes Wesen!“. Wenn man dann auch noch geschäftlich im Gespräch ist, kommen nicht nur Fremdwörter zum Einsatz. Auch Fachbegriffe nehmen Einzug ebenso wie Abkürzungen. Und dann könnte es besonders schwierig werden. Oder wisst ihr sofort was gemeint ist, wenn der Friseur von „effilieren“ spricht?  Oder im Büro die Champagnerkorken knallen, weil einer einen „Pitch“ gewonnen hat. Oder man heute Abend noch ein „RFI“ oder „RFP“ bearbeiten muss?

Es wird immer komplizierter in dieser Welt. Spätestens wenn man mit Menschen zu tun hat. Denn ich habe nur eine ungefähre Vorstellung von dem, was der Teenager mit seiner Frage „Was kuckst Du?“ meint – oder was er damit ausdrücken möchte. Also 100% sicher bin ich mir mit meiner Erklärung nicht.

Der große Journalist Henri Nannen hat einst gesagt, man soll für Lieschen Müller schreiben. Man sollte seine Texte so formulieren, dass sie jeder versteht. Ich bin der Meinung, das gilt auch für die mündliche Kommunikation (ich wollte jetzt eigentlich verbale Kommunikation schreiben – aber: Selbstreflektion und so. 😉). Allerdings fällt es schwer, auch mir. Denn man will ja möglichst gebildet rüberkommen. Nicht als Landei, Dummkopf oder sogar Wurstbrot dastehen. Daher versucht man möglichst oft, eine anspruchsvolle Formulierung mit möglichst komplizierten Fremdwörtern zu kombinieren. Aber mal ganz ehrlich: „Das interessiert mich einen Scheiß!“ versteht nun wirklich jeder. Dein Gegenüber wird eine ziemlich klare Vorstellung davon haben, wie deine Einstellung zu einem Thema ist.  Damit kann jeder Normalsterbliche etwas anfangen. Sogar die „Hey, Alder!“-Generation.

Ich wollte bei unserem Super-Spezial-Best-Konditor-Ever einen Kuchen per Telefon vorbestellen, da dieses leckerer Schnittchen oft ausverkauft ist. So ein kleines Mürbeteig-Ding, gefüllt mit Pudding, Mascarpone und frischen Himbeeren drauf. Und was da auch sonst noch immer drinnen ist – egal. Es ist hammerlecker und hat für mich pures Suchtpotenzial. Ich wusste nicht wie ich das Zuckerteilchen benennen sollte, damit mir auch genau das richtige Teil reserviert wird. Mr. Google hat mir zwar gesagt, wie man es schreibt. Leider aber nicht, wie man es ausspricht. Ich fragte einen Kollegen (gelernter Bäcker). Aber er ist eben gelernter Bäcker und kein Konditor. Auch andere Kollegen stotterten durch die Gegend. Alle hatten nur ein Bauchempfinden für die Aussprache.

Na gut, dachte ich. Mach ich mich halt zum Obst. Wär ja nicht das erste Mal. Und ich kann ja über mich lachen. Ich wählte tapfer die Nummer. Stammelte meinen Namen und fing an, dieses Teil zu beschreiben. „So ein Mürbeteil-Ding mit frischen Himbeeren drauf und in klein. Und jetzt bitte nicht lachen. Ich bin mir nicht sicher wie man es ausspricht. So ein T-A-R-T-L-E-S. Das mit frischen Himbeeren drauf.“ Ich merkte richtig, wie ich mich bei den Worten kleiner machte und mich genierte. Warum eigentlich? Es gab gar keinen Grund. Die Beschreibung traf es doch auf den Punkt! Durch das Telefon konnte ich ein freundliches Lächeln hören, als die Stimme antwortete: „Sie meinen bestimmt unsere Himbeertörtchen?“. Ich lächelte in mich hinein und nickte tatsächlich zur Bestätigung mit dem Kopf. Himbeertörtchen, na klar. Was sonst. Kein Tartles, auch kein Petit Four. Einfach nur ein Himbeertörtchen.

Tja. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Dieser Konditor hat es einfach drauf! Nicht nur mit Himbeertörtchen. Sie halten es auch wie Henri Nannen empfiehlt: Lieschen Müller muss es verstehen. In diesem Fall eher bestellen können. Hat funktioniert! Auch die „Hey, Alder!“- Generation wird mit Himbeertörtchen etwas anfangen können.

© by Marita Matschiner

3 Gedanken zu „Guckst Du Himbeertörtchen

  1. Lotsch sagt:

    ist ne köstliche Geschichte.Die Lösung kann so einfach sein .Warum auf verschlungenen und undurchsichtigen Wegen wandeln, wenn der gerade Weg doch zielführend ist. .-)

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