Laute Türen und Feinripp (Womo-Tour Teil 2)

Wackel-Jesus – pic by Achim Matschiner

Die Fahrt zum nächsten Stopp am Jachthafen, beginnt erst einmal mit einem Stau auf der Autobahn. Was mich in einem Wohnmobil erst einmal relativ kalt lässt. Die Toilette funktioniert ja trotzdem. Nimmt den Stress und den Druck. Am Nachmittag treffen wir in dem Örtchen ein und finden den Jachthafen relativ schnell. Den Begriff „Jachthafen“ für diese paar Boote und den kleinen, schmalen Fluss zu verwenden, ist etwas übertrieben. Um dem Namen „Jachthafen“ aber eine Daseinsberechtigung zu geben und zusätzlich mehr Pepp zu verleihen, hat man eine kleine Anlegestelle gebaut. Ergänzt wurde diese mit einem „Clubhaus“. Das nennt sich nun Jachthafen. Das sind echt große Buchstaben für diese kleine leicht improvisierte Anlegestelle.

Der Stellplatz ist umzäunt und der Boden ist aus altem geraspeltem Straßenteer. Was uns trotz 28 Grad Außentemperatur abhält, barfuß durch die Gegend zu laufen. Die ersten Camper stehen schon. Merkwürdig ist nur: alle haben geschlossene Fenster und Türen. Na gut, vielleicht sind sie gerade mit ihren Booten unterwegs.

Wir suchen uns eine freie Ecke. Direkt an einer kleinen grünen Hecke und ein Stückchen Wiese. Nach einem Besuch im Lebensmittelladen haben wir unser Refugium dann komplettiert. Markise ausgefahren. Stühle aufgestellt. Und ganz wichtig, ein Wackel-Jesus kommt direkt auf die Mitte des Esstischs. Diesen Wackel-Jesus hatten wir unseren Freunden als Glücksbringer zum Erwerb des Womos geschenkt. Dieses unglaublich kitschige Dekoteil begleitet jetzt das Womo überall hin. Von uns wird er bei jedem Halt ausgepackt und darf die Zeit mit uns gemeinsam verbringen. Ein kleines Stück Glückseligkeit gepaart mit Humor, in diesem skurrilen Umfeld.

Mein Mann beginnt die Kochlöffel zu schwingen und kümmert sich um die feste Nahrung. Ich öffne solange eine Flasche Vino. Mal schauen, ob er hier auch so gut schmeckt wie am Herstellungsort. Es geht auf die reguläre Deutsche Abendessenszeit zu. Mit einem Schlag öffnet sich die Tür vom Womo auf der gegenüberliegenden Seite. Ein älterer Mann mit Bauch, Feinrippunterhemd, Unterhose und Adiletten klettert heraus. Er stellt eine Mülltüte vor sein Gefährt und klettert wieder hinein. Schlägt krachend die Tür hinter sich zu. Huch. Wir zucken zusammen. Was war das denn? Wir wenden uns kopfschüttelnd wieder einander zu. Nun geht bei einem anderen Womo eine Tür auf. Und ein Fenster. Die Ehefrau scheint gerade zu kochen, denn der Mann wedelt heftig mit einer Zeitung. In Feinrippunterwäsche. Und Adiletten. Er versucht offenbar irgendeinen Nebel aus dem Auto zu fächern. Der Geruch von zu scharf angebratenen Zwiebeln schwebt nun auch zu uns rüber. Ja, den möchte ich auch nicht in meinem Schlafzimmer haben. Nach einer Minute hat er bereits einen knallroten Kopf und schwitzt stark. Ich nehme vorsichtshalber schon einmal das Handy in die Hand um für einen Notarztanruf gerüstet zu sein. Wenn der Mann diese hektischen Bewegungen weiter macht, wird das wohl auch notwendig sein. Nach einiger Zeit gibt er sich zufrieden. Steigt schwerfällig die Stufen empor und schmeißt mit einem riesen Karacho die Tür hinter sich zu. Die Türen möglichst laut zu schließen scheint hier Gang und Gebe zu sein.

Ein paar Minuten später öffnet sich das große, hintere Fenster eines anderen Wagens. Da sitzt ein Mann direkt am Fenster. Er schreibt wie wild irgendetwas auf. Klopft zwischendurch mit der Faust und dem Kugelschreiber auf den Tisch, kuckte in die Luft als scheint er zu überlegen. Plötzlich geht ihm wohl ein Licht auf. Ich kann richtig sehen, wie es Klick bei ihm macht. Er kritzelt wieder irgendetwas. Allerdings ist er damit wohl nicht zufrieden und er zerknüllt das geschriebene etwas und schmeisst es sehr emotional aus dem Fenster. Er schließt das Fenster, natürlich, mit einem riesen Knall. Es scheint hier normal zu sein, sich nur akustisch bemerkbar zu machen. Na, das können wir auch. Demonstrativ setzten wir uns lautstark auf unsere Stühle. Drehen die Musik auf und lassen den Wackel-Jesus kräftig schunkeln. Er gibt alles! Er bewegt sich im Takt zu der Urlaubsmucke und wir bestärken ihn tatkräftig mit Applaus und Gesang.

Der nächste Morgen. Die Ruhe wird nur durch ein paar zuschlagende Türen und Fenster unterbrochen. Wir fragen uns, warum diese Menschen einen Campingurlaub machen, wenn sie eh nur drinnen sitzen und zwischendurch Fenster und Türen zuschlagen. Geht das zuhause nicht? So ganz schlüssig ist uns das alles nicht. Kaffeeschlürfend kommt der Womo-Führer zum Einsatz. Eine weitere Nacht wollen wir hier garantiert nicht bleiben. Der Ort sowie auch der Stellplatz geben so ganz und gar nicht das her, was der Ortsname und der „Jachthafen“ vermuten lässt. Daher: Augen zu und mit dem Finger auf der Karte.

Jetzt geht es auf in die Pampa. So richtig aufs Land. Das neue Ziel: ein Reitgestüt das wir in ungefähr vier Stunden erreichen können. Das klingt doch mal toll. So richtig toll vor allem, da es nur drei Stellplätze gibt. Das klingt nach unserem Platz. Schnell zusammen gepackt. Wir müssen ja früh dort sein, um wirklich einen Platz zu ergattern. Vorher wollen wir uns aber noch standesgemäß verabschieden. Deshalb: noch einmal kurz mit den Fenstern und der Tür gescheppert. Man passt sich ja an.

© by Marita Matschiner

Ein Gedanke zu „Laute Türen und Feinripp (Womo-Tour Teil 2)

  1. Amalie sagt:

    Liebe Marita, habe gerade jetzt erst diesen wunderschönen neuen Blog-post entdeckt. Herrlich wie Du immer alles beobachtest und dann so wunderbar in Worte fassen kannst. Habe mich mal wieder beim Lesen Deines Artikels köstlich amüsiert Das tut gut in diesen Zeiten! Alles Liebe von Deiner Amalie.

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