Haarchaos Reloaded

Son Shitt - was fürn Schnitt!

Mütze drauf und gut ist – pic by Achim Matschiner

Son Shitt – was fürn Schnitt. Stimmt nicht ganz: der Schnitt ist es nicht. Oder besser gesagt, nur bedingt. Auf jeden Fall ist mir das seit zirka 30 Jahren nicht mehr passiert. Und ich habe nicht damit gerechnet, dass es mir überhaupt wieder passiert. Dieser Blog ist übrigens die Fortsetzung zu dem Blog „Haarchaos“. Noch vor zwei Wochen dachte ich, eine Fortsetzung hierzu wird es nicht geben. Habe mich wohl geirrt. Und wenn ich jetzt so drüber nachdenke, könnte es leicht passieren, dass es auch eine Episode drei und vier geben wird. 😉 Warum auch nicht. Hat bei Rocky, Rambo, und Co. funktioniert, warum nicht auch bei mir!? Aber ich fange besser mal von vorne an.

Vor einer Woche waren meine Standard-Vier-Wochen um. Ich schlug wieder bei meiner Friseurin zum Kürzen der Haarpracht auf. Die übliche Frage kam: was wir denn heute so machen wollen? Ich liebe diese dritte Person – diese Royal-Plural-Nummer. Denn ich mache beim Friseur gar nix. Sitze nur da und gucke, was der Mensch da so mit meinen Haaren tut. Bevorzugt mit einem Gläschen Prosecco in der Hand. Ich zückte mein Handy und zeigte wieder einmal ein typisches Bild aus dem Internet, was ich mir so vorgestellt hatte. Die Friseurin erschrak: „Bist Du sicher? Das ist aber echt radikal für Dich! Und wird zu hart sein!“ Ich nickte voller Überzeugung. Denn das war die tollste und beste Idee ever. Ja, so kurz sollten sie werden und ja, so wollte ich nachher aussehen. Grinsend mit roten Wangen (bedingt durch den Prosecco) freute ich mich schon auf den geringen Zeitaufwand für die Frise morgens im Bad.

Es machte Schnipp-Schnapp und Schnapp-Schnipp. Ein bisschen hier – ein bisschen dort.
Noch einmal mit dem Kamm und im Nacken mit dem Rasiermesser. Sie pinselte mich mit diesem wunderbaren Kuschelpinsel ab und nahm den Umhang weg. Noch ein bisschen Haarschaum in die Haare, dann kamen der Fön und die Skelettbürste zum Einsatz. Ein bisschen Volumen hier. Ein bisschen Zurück geföhnt dort. Fön aus. Haarspray rein, beim Rumzupfen drüber, drunter und rundherum. Traraaahhhhh – fertig!

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pic by Daniela St.

Ich schaue in den Spiegel. Ich schlucke. Ups. Ich schlucke noch einmal. Zweites Ups. Ähhh…. Moment mal…. Das hat doch so gar keine Ähnlichkeit mit … Ähhhmmm! Ich muß nochmal auf mein Handy schauen. Die Friseurin lächelt mich an und drückt mir den kleinen Spiegel in die Hand: „Zupf doch mal selber und schau es Dir von Hinten an. Der Hinterkopf ist total super geworden.“

Ich lächle, zahle und schlurfe mit hängendem Kopf nach Hause. So hab ich es mir wirklich nicht vorgestellt. Aber es ist eh abends und dunkel. In spätestens zwei Stunden bin ich sowieso im Bubuland. Dort dürfen die Haare sich in den 8-10 Stunden Schlaf in alle Richtungen biegen, dehnen, strecken. Am nächsten Morgen werden sie gewaschen und dann mache ich das so, wie ich das immer mache. Das wird schon. Das kriege ich hin. Alles gut. Lag bestimmt am Prosecco.

Mein Mann war begeistert und verstand das ganze Theater nicht. Trotzdem, der nächster Morgen. Darauffolgender Morgen. Und der Dritte in Folge. Ich fand keinen Draht zu den Haaren bzw. zu der Frisur. Es sah irgendwie immer komisch aus. Und ich fühlte mich auch komisch. Unpassend, unausgeglichen, völliges Unwohlsein. Tatsächlich schoss mir der kindische Gedanke ‚einfach Daheim bleiben‘ durch den Kopf. Am Besten vier Wochen am Stück. Homeoffice. Keinen treffen. Den Mann zum Einkaufen schicken. Und zum Laufen einfach Mütze drauf, denn dem Hund ist es ja egal – hoffe ich. Kurzes Innehalten. Denn bei den Gedanken erschrecke ich mich vor mir selber:

Hallo, Ich! Ticke ich noch ganz richtig? Bin ich Irre? Ich stehe doch mit beiden Beinen im Leben! Selbstbewusst! Überzeugt von mir und meinem Leben! Ich weiß wer ich bin! Umhauen kann mich nichts so schnell! Bis – tja – bis auf zwei bis vier Zentimeter kürzeres Haar. Ein Wunschbild einer Frisur, zu der ich ohne nachträgliche Hilfe und Zeit meiner Friseurin niemals einen Draht gefunden hätte. Einfach mal auf den Profi hören: „Zu extrem! Zu kurz! Zu hart für Dich!“ Das waren ihre Worte. Ich wollte nicht hören. Ich habe den Wunsch geäußert. Jetzt bitte keine Beschwerden! Wächst ja wieder!

Am vierten Morgen, der nächste Morgen nach der Standpauke mit meiner eigenen Eitelkeit und meinem Ich, klappt es wieder. Ich fühl mich wieder wohl. Ich gehe keinem Spiegel mehr aus dem Weg. Trage mein Haupt wieder hoch erhoben. Aber ein bisschen schäme ich mich trotzdem. Wegen dieser emotionalen Abhängigkeit einer Frise. Aber auch für den doch wiederkehrenden Wunsch. Den, den ich vor über 30 Jahren immer und immer wieder gebetet habe: gibt es immer noch kein Mittel, dass die Haare schneller wachsen lässt?

© by Marita Matschiner

Kopfschütteln

keine Details

Keine Details!

Montagmorgen im Büro. Meine Einstellung: neue Woche, neues Glück, neue Erfolge. Meine positive Haltung wird beim ersten Besuch der Toilette bzw. dem dazugehörigen Händewaschen schon einmal gegen die Wand gefahren.

Nach dem Händewaschen drehe ich mich zur Seite. Greife nach den Tüchern im Handtuchspender. Ich ziehe. Nichts passiert. Ich ziehe noch einmal. Das erste Tuch hängt noch im Spender – bis auf einen Schnipsel. Der ist in meiner Hand. Ich greife wieder zu und erhalte das nächste Papierstück. Vom ganzen Blatt keine Spur. Beim dritten Versuch greife ich beherzt in die untere Öffnung und erhalte – ÄTSCH – viele Stücke. Dieses Mal gleich von mehreren Tüchern. Aber keines ist vollständig. Super. Jetzt habe ich die Wahl! Entweder mit fünf Schnipseln – die natürlich mini sind – meine Hände so weit es geht zu trocknen oder noch einmal ziehen. Egal, einen Versuch habe ich noch! Wow. Jetzt habe ich zirka sieben zerrissene Papiertücher in der Hand. Aber immerhin: keine Schnipsel mehr! Diese bringen mich meinem Ziel trockene Hände leider nur bedingt näher. Was für eine Verschwendung! Ich schüttle den Kopf.

Damit meinen Kollegen und mir das bei dem nächsten Besuch nicht wieder passiert, öffne ich den Handtuchspender und möchte ein paar von den Tüchern herausnehmen. Jetzt wird mir klar warum es so schwierig ist, einzelne Tücher heraus zu bekommen: der Spender bis zum Anschlag mit Handtüchern vollgestopft. Und ich meine wirklich GESTOPFT! Da passt kein Minzblättchen mehr dazwischen! Der Druck in dem Handtuchspender ist so groß, dass gar keine Chance besteht ein heiles Tuch heraus zu bekommen.

Ich nehme also einen großen Schwung. Lege sie neben das Waschbecken und hoffe, die unnötige Verschwendung hat sich damit erledigt. Ich ärgere mich trotzdem. Nicht nur dass der Mülleimer jeden Tag mit zerrissenen und unbenutzten Papierhandtüchern überfüllt ist. Nein, auch die Umwelt wird unnötig belastet. Und irgendeine Person investiert offensichtlich viel Zeit, den Spender bis zum Bersten zu füllen. Geld wird auch gleich zum Fenster hinaus geworfen. Könnte man auch gleich anzünden. 

Nächster Tag. Gleiche Situation. Der Handtuchspender ist bis unters Dach aufgefüllt. Keine Chance auf eine vernünftige und heile Entnahme eines oder gar zwei Handtüchern. Der von mir am Vortag abgelegte Stapel ist natürlich verschwunden! Auch jetzt wage ich es, einen großen Schwung Handtücher neben das Waschbecken zu legen und ggf. den Unmut der Reinigungsfirma auf mich zu ziehen. Ich verstehe dieses Vorgehen nicht und verlasse den Raum. Kopfschüttelnd.

Es entwickelt sich zu einer Tradition. Ich entnehme jeden Morgen ein Schwung Handtücher und lege sie neben das Waschbecken. Spende ein Kopfschütteln. Die Putzfirma füllt den Spender in der Nacht bis zum Anschlag auf.

Eines Tages wird es mir zu viel. Ich schreibe einen Zettel in gut lesbaren Buchstaben. Ich klebe mein Anliegen, formuliert als Bitte (um nicht als besserwisserische, kleinkarierte Zicke dazustehen), kurzerhand auf den Handtuchspender.

Frohlockend gehe ich am nächsten Morgen zur Toilette und sehe: nichts! Der Zettel wurde entfernt. Die Handtücher neben dem Waschbecken ebenfalls. Wie es aussieht ist der Spender mit vielen Tüchern frisch aufgefüllt. Natürlich rappelvoll. Ich verstehe es nicht. Einzige Reaktion: Kopfschütteln.

Tief durchatmen. Nicht aufregen. Das Spiel geht weiter. Eine Kollegin übernimmt den „Job“ während ich im Urlaub bin. Wir führen dieses Absurdum weiter. Jeden Morgen. Bis zu diesem einen Morgen. Da ist plötzlich alles anders.

Die Reinigungsfirma hat mir und meiner Kollegin quasi die Arschkarte gezeigt:
es wurde einfach der Schlüssel vom Handtuchspender abgezogen!

Diese Dummheit. Diese Kurzsichtigkeit. Diese unnütze Verschwendung. Diese Ignoranz. Ich nehme es hin. Kann es nicht glauben. Ich schüttel einfach nur den Kopf. Rechts – links – rechts – links!

Es geht auch anders:

es geht auch so!

Lieblings-Damen-Büro-Waschraum

© by Marita Matschiner

Haarchaos

Bad Hair Day

Bad Hair Day

Schon in jungen Jahren habe ich erkannt, dass ich nicht gerade mit den perfekten Haaren auf die Welt gekommen bin. Ich habe wohl ziemlich laut „HIER“ gerufen, als der liebe Herrgott die Wirbel verteilt hat. Sie sind überall am Kopf und stehen in alle Richtungen ab. Als Kind hatte ich auf der rechten Stirnseite ein Hörnchen. Die Haare standen da wirklich in der Form eines Hornes ab. Egal wie lange ich gebürstet und die Strähne mit den Händen glatt gedrückt habe – es half nichts. Um die Sache so richtig herzig zu machen: die Haare sind unheimlich dünn und aalglatt. Sie liegen von Natur aus direkt am Kopf an. In den 60ern wäre ich ein perfektes Blumenkind gewesen! Woodstock pur. Der totale Sleek-Look. Ich habe mit allen erdenkbaren Mitteln versucht, Volumen in den Ansatz und die Wirbel unter Kontrolle zu bekommen. Erfolglos.

Als Teenager hat sich irgendwann meine Mama erbarmt und einer Dauerwelle zugestimmt. So rannte ich wie ein Pudel mit Seitenscheitel durch die 80er. Das war der weibliche Locken-Vokuhila-Look. Eigentlich sollte es wie bei Kelly McGillis aus „Top Gun“ oder Nena aussehen. Aber von diesem Look war ich meilenweit entfernt.

Ich ging sehr ungerne zum Friseur. Jedes Mal bin ich völlig motiviert mit einem Foto aus einer Zeitung hin gegangen. Mit der Hoffnung, im Anschluss genauso toll auszusehen. Nach dem Schneiden, den aufwändigen und schmerzhaften Chemiebehandlungen war ich meistens unglücklicher als vorher. Daheim flogen dann die Türen, die Tränen liefen und ich wollte nie wieder mein Zimmer verlassen. Erst wieder wenn die Länge, die Locken und/oder die Farbe rausgewachsen waren. Und das kann lange dauern. Es heißt, die Haare wachsen durchschnittlich einen Zentimeter pro Monat. Ich konnte das mit meiner Ungeduld wiederlegen! Bei mir hat das mindestens sechs Monate gedauert. Kein Scheiß. Ich betete täglich um ein Zaubermittel! Ein Mittel das die Haare schneller wachsen lässt. Aber meine Gebete wurden nicht erhört. Vielleicht dachte der liebe Gott ja, mit den Wirbeln hatte er mich genug bedacht und das reiche wohl an Aufmerksamkeit.

Irgendwann hatte ich dann meine Traumfrisur. Lang waren sie – bis über das Schulterblatt. Es hat Jahre gedauert. Ich habe gezüchtet. Um jeden Millimeter beim Friseur gekämpft. Und als Zusatzinfo: Meine Mama war die Friseurin. Eine Friseurmeisterin wohl gemerkt. Ein Vollblut-Profi, die ihren Job mit voller Liebe und Leidenschaft ausübt. Selbst im Urlaub mit Schere im Gepäck. Immer und zu jeder Zeit liebend gerne bereit ihren Beruf auszuüben.

Meine Frisur war nun mit Mitte 30 endlich perfekt. Die richtige Länge. Der richtige Schnitt. Die richtige Farbe. Ich musste zwar nach wie vor viel Zeit investieren um Volumen hineinzubekommen. Aber die Fingerfertigkeiten mit den unterschiedlichen Rundbürsten und dem Toupierkamm zielführend umzugehen, waren mir ja quasi in die Wiege gelegt. Also riesige Mengen von Haarschaum und Haarspray ins Haar. Und sie saßen perfekt.

Bis zu dem einen Tag – Jahre später. Ich war mit meinem Mann im Urlaub. Der Wind pfiff uns um die Ohren. Ich versuchte die Mähne mit geflochtenen Zöpfen und Dutt in den Griff zu bekommen. Selbst ein Kopftuch half nichts. Jeden Abend stand ich mit Tränen in den Augen im Bad, um die Haare von den Knoten zu befreien. Diese verfluchten Knoten, die der Wind im Laufe des Tages irgendwie in meine Wallewallemähne gezaubert hatte. Nichts hat geholfen. Auch die Superhaarpackung, die das Haar butterweich und damit kämmbar werden lassen sollte, hat seinen Zweck verfehlt. Außerdem war ich diese ewigen Haarspühlungen, Haarpackungen und Rundbürsten leid. Beim Schlafen auf den eigenen Haaren zu liegen und es ziept jedes Mal bei der Änderung der Schlafposition. Mal eben Haare waschen war nicht möglich. Dieser eigentlich simple Akt war mit einem immensen Aufwand verbunden. Wie machen das nur die Frauen, deren Haare voll und lockig und ggf. sogar noch länger waren? Nach ein paar Tagen war ich so verzweifelt, dass ich meiner Friseurin des Vertrauens eine WhatsApp schickte, mit der Bitte sich eine Kurzhaarfrisur für mich zu überlegen. Ich hatte mich entschieden. Meine Mähne musste ab. Und zwar schnellstens.

Natürlich habe ich vorab nach Inspirationen gesucht. Ich ging mit den Ergebnissen – Fotos auf dem Handy – zu meiner sehr gut befreundeten Friseurin. Meiner Mama hatte ich bereits vor Jahren diese Bürde abgenommen. Denn wenn man sich sieht, soll man die Zeit miteinander verbringen und nicht damit, dass sie an meinem Kopf rumwurschtelt. Einer der Vorschläge wurde von beiden Seiten angenommen und in die Tat umgesetzt. Meine erste Reaktion, nachdem die Haare weg waren: ich habe ja einen Hals!!! Ich konnte nun beherzt mit beiden Händen in meinen Haaren rumwuscheln. Was für ein Gefühl! Sorry für den Spruch: leider geil!

Die Reaktionen meines Umfelds waren überwältigend. Es gab nur zwei Personen, die mich für verrückt erklärt haben. Sie fragten mich fassungslos, wieso ich mir die wunderbaren langen Haare hab abschneiden lassen. Die waren doch sooo schön! Und was für eine Überraschung – es waren Männer! Sorry, aber ihr habt keine Ahnung was für ein Aufwand so eine Traumfrisur bedeutet. Glücklicherweise war es nicht mein eigener Mann, der diese Worte von sich gab. Denn als ich mich auf den Weg zum neuen Haarschnitt machte, meinte er: „Schatz, lass Dir die Haare schön kurz schneiden. Ich liebe Dich mit langen oder kurzen Haaren. Hauptsache Dir gefällt es. Aber eine Bitte habe ich. Bitte keinen Pony!“(Muss ich damals nach dem Kinobesuch „Der Teufel trägt Prada“ fürchterlich ausgesehen haben, als ich mir kurzerhand – mitten in der Nacht – einen Pony geschnitten habe!)

Eine weitere Überraschung, die ich nach der Kürzung erfahren habe: die Akzeptanz von weiblichen Kollegen. Anscheinend wird man nicht mehr als typische blonde, langhaarige Konkurrenz mit großen blauen Augen gesehen.

Jetzt, zwei Jahre später trage ich die moderne, etwas flippige Kurzhaarfrisur nach wie vor mit Freude und voller Überzeugung. Einen Nachteil hat es allerdings. Ich gehe nach wie vor nicht gerne zum Friseur. Allerdings jetzt aus einem anderen Grund. Die Haare wachsen jetzt viel schneller. Bestimmt! Garantiert! Und mindestens einen Zentimeter in einer Woche. Und es treibt mich in den Wahnsinn! Jetzt muss ich alle vier Wochen zum Friseur. Und jedes Mal sage ich: bitte schneid es noch ein bisschen kürzer! Gerne auch noch fünf Millimeter mehr abschneiden!

Gibt es denn nicht in der Zwischenzeit ein Mittelchen, dass die Haare langsamer wachsen?

© by Marita Matschiner

Deko-Daumen

Gartenträumchen

Unser Gartenträumchen bei Wind und Wetter

Nach einem Ausflug zu unserer Familie schauen wir auf dem Heimweg noch kurz bei Eltern von Freunden vorbei. Wir haben uns schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Ihr Haus kenne ich nur im Winter. Ich freue mich auf paar gemütliche Stunden mit ihnen im Garten.
Die Stimmung ist entspannt und mit traumhaftem Humor versehen. Die beiden werden bald zum ersten Mal Großeltern und so geht uns der Gesprächsstoff schon zweimal nicht aus. Nach einiger Zeit kümmern sich die Gastgeber um flüssigen Nachschub und ich nutze die Gelegenheit mir die Beine zu vertreten. Ich stöbere durch den Garten.

Bei der Ankunft ist er mir gar nicht aufgefallen. Was für eine Oase! Wie liebevoll alles arrangiert ist. So grün. So viele Blüten. Eine wahre Farbenpracht. Ich habe den Eindruck, die Flora ist auf ihrer eigenen Hochzeit. Prall gefüllt und in den schönsten Farben. Ein Meer von Rhododendren und Hortensien. Letztere mit Blüten so groß wie Basketbälle. Die herzlich platzierten und dekorierten Kleinigkeiten. Hier eine Holzbank mit einer Laterne inmitten von vor Kraft strotzenden Büschen. Dort eine fast von Blüten explodierende Pflanze und daneben steht eine buntgestrichene Keramikkuh. Ums Eck ist eine wahre Lavendelfarm. Ein Wunder, dass die einzelnen Stiele nicht unter dem Gewicht ihrer begehrten Frucht zusammenbrechen – dekoriert mit Laternen und Fackeln.

Ich liebe solche Gärten, die so farbenfroh, fröhlich und einfach nur schön aussehen. Diese gepflegten Büsche und Bäume, die einen zum Verweilen einladen. Ergänzt durch diese kleinen gut akzentuierten Deko-Elemente. Hier sieht man, wie viel Zeit investiert wurde und wird. Und alles lässt den riesigen grünen Daumen, das richtige Händchen und viel Liebe zum Detail erkennen. Ein unfassbar schöner Garten. Hier will man bleiben. So einen will ich auch.

Während die Gespräche voranschreiten, überlege ich, ob ich das nicht doch noch einmal versuchen sollte: meinen grünen Daumen herausfordern. In der Vergangenheit habe ich es immer wieder versucht. Leider ohne Erfolg. Und wenn, dann war selbiger nur sehr kurzweilig.

In meinem ersten Garten versuchte ich mich zu allererst an Sonnenblumen. Allerdings wurden diese niemals zwei Meter groß. Obwohl die Samenverpackung das ausdrücklich ausgewiesen hatte. Sie hatten keine Nudelteller großen Köpfe. Bei mir waren es höchstens Sonnenblümchen. Genau genommen sahen sie bei mir aus wie gelbe Gänseblümchen. Die Margeriten überlebten keine vier Wochen. Parasiten und Schleimschnecken erledigten das Thema ratzfatz. Die Tomaten waren kleine, grüne, kümmerliche, kugelähnliche Teile. Garantiert nicht zum Verzehr geeignet.

Dann kam der erste richtige gemeinsame Garten in meinem Eheleben. Nicht gerade viel Platz für Hecken, Büsche und Pflanzen. Aber für Töpfe. Finde ich eigentlich eh viel schöner. Viele verschiedene Behältnisse mit möglichst unterschiedlich großen Pflanzen und jede mit anderen Formen, Farben und Blüten.

Wir versuchten es jedes Jahr aufs Neue. Im Frühling huschte ich zu Pflanzen Kölle oder Dehner (doof das ich den MX-5 gegen einen SUV ausgetauscht habe. In den SUV passt eindeutig mehr rein). Ich gab ein Vermögen für Pflanzen, Erde und Töpfe aus. Die ersten Wochen war der Anblick fantastisch. Je länger der Sommer jedoch dauerte, desto einsamer und trauriger sahen die Pflanzen aus. Trotz regelmäßigem wässern, düngen, pflegen. Alte Blüten abschneiden und gut zureden. Keine Chance!

Wir brachten es allerdings nicht übers Herz, die Pflanzen direkt dem Kompost zukommen zu lassen. Sie bekamen alle noch eine Chance. Durften alle auf unserer überdachten Terrasse, brav vor Kälte und Schnee geschützt, überwintern. Trotz der Pflege hatte es wohl nicht sollen sein. Denn zu Beginn des nächsten Frühlings machten wir erst einmal tabula rasa und alles was echt übel aussah, wanderte direkt in die Biotonne. Bis auf die Buxbäume. Seit über 15 Jahren sind sie in meiner Obhut und wachsen und gedeihen. Freut uns natürlich. Alles andere funktioniert aber nicht. Lavendel hält durchschnittlich drei Jahre. Im zweiten Jahr sieht er in der Regel schon ziemlich erbärmlich aus. Rhododendron – eine tolle Pflanze. Nur eben nicht bei uns. Nach zwei Jahren hatte er das zeitliche gesegnet. Wir lieben Oleander. So schöne Blätter. So ein schöner Wuchs. Nur uns mag er nicht. Von ihm haben wir uns ebenfalls nach drei Jahren gemeinsamen Gartenlebens trauernd getrennt.

Wir haben es dann irgendwann aufgegeben. Allerdings bestehe ich auf Rosmarin. Leider jedes Jahr ein neuer Topf. Nur durchhalten will er nicht. Aber wir brauchen ihn einfach zum Kochen und Grillen. Außerdem lieben wir das Aroma seiner Nadeln. Einmal kurz mit der Hand durch die Pflanze gleiten und an den Händen riechen. Der Wahnsinn.

Die Hoffnung auf den grünen Daumen haben wir begraben. Wir leben nun den Deko-Daumen aus. Funktioniert auch. Hier eine Laterne. Dort ein Lampion. Eine kleine Tonfigur. Da eine Sitzmöglichkeit mit Marmortisch und Kerze. Noch eine kuschelige Decke auf den Schaukelstuhl und ganz viele Kissen auf unserem Lounge-Sofa. Macht einen Garten auch gemütlich, einladend und kuschelig.

Viele Gäste sind begeistert von unserem saugemütlichen Garten. Aber hauptsächlich genießen wir es, dort viel Zeit zu verbringen – bei Wind und Wetter. Immerhin ist es unser zweites Wohnzimmer. Und regelmäßig fängt einer von uns beiden an: wir haben so einen schönen und gemütlichen Garten.

© by Marita Matschiner

Der Schuh, der so ist, wie er ist

Ein Bruchteil!

Sobald ich laufen konnte, ging meine Oma mit mir jeden Samstag zum Schuhe-Shoppen. Wir wohnten damals noch in Berlin und haben wirklich sämtliche Schuhläden im näheren und weiteren Umfeld durchforstet. Und wenn wir nach einigen Wochen alle Schuhläden durch hatten, konnten wir wieder von vorne anfangen. Mit Currywurst, Currybulette und Pommes wurden diese Ausflüge abgerundet. Bei einem dieser Ausflüge konnte ich mich nicht für eine Farbe entscheiden. Sollten es die Lackschuhe in hellgelb oder hellgrün sein? Beide passten perfekt zu meinem nagelneuen Kleidchen, weiß mit gelb-grünen Blümchen drauf. Meine Oma hat einfach beide gekauft. Und ich war das glücklichste Mädchen der Welt.

Meine Oma war die größte Schuhsammlerin, die ich jemals gesehen habe. Alle Schuhe waren in einem riesigen Schuhschrank farblich sortiert und aufgereiht. Für jeden Anlass hatte sie die richtigen Pumps, Sandalen oder Stiefel. Als Kind saß ich fasziniert im Schneidersitz vor diesem Schrank und habe ehrfürchtig die Schuhe begutachtet. Die einzelnen aber feinen Unterschiede bewundert und den Ledergeruch in mich aufgesogen. Um ihr Winteroutfit zu perfektionieren hatte sie zu jedem Stiefel auch die passenden Lederhandschuhe. Die farblich abgestimmte Handtasche war selbstverständlich. Ich gehe davon aus, dass damals meine Affinität zu Schuhen entstanden ist. Oder liegt so etwas in den Genen?

Die Schuhbranche lief schon immer gut. Aber der letzte Bahnbrechende Schub ist Carrie Bradshaw und Co. aus „Sex and the City“ geschuldet. Seitdem hechelt der größte Teil der Damenwelt zusätzlich den superedlen und vor allem teuren Stücken hinterher: Manolo Blahniks, Christian Louboutins und Jimmy Choos.

Eigentlich waren Frauen die Zielgruppe dieser Serie. Und ich sehe heute noch die Männer voller Unverständnis den Kopf schütteln. Aber ich kenne auch einen Mann, der damals jede Folge inhaliert hat. Bei einem unserer ersten Dates konnte er mir sogar sagen, wie der Hund von Aiden hieß. Das hat mich so beeindruckt, dass er circa zwei Jahre später von mir das „Ja“ erhalten hat, als er um meine Hand anhielt. Quatsch. Natürlich war das nicht der Grund. Aber beeindruckt war ich. Sehr sogar.

Um den Genen oder dem Anerzogenen nachzukommen: ja, mein Schuhschrank ist in den letzten Jahren auch um einiges größer geworden. Nicht nur Schläppchen in unzähligen Farben – auch Pumps und Ballerinas haben den Weg zu mir gefunden. Alle in Schuhkartons einsortiert, mit Fotos auf der Front versehen. Aber eine ganz große Liebe habe ich von meiner Oma übernommen: Stiefel. Egal ob ganz flach oder mit schwindelerregenden Absatz. Glattleder, Wildleder, Gesteppt. Edel, damenhaft oder Biker Boots. Ich liebe sie alle! Hier müssen es nicht immer die modernsten, hippsten oder angesagtesten Stiefel sein. Auch bei völlig zeitlosen, für andere unspektakulären Stiefeln bekomme ich große Augen und zücke die Kreditkarte. Denn leider ist es auch diese Schuhsorte, die am meisten Investition benötigt: Platz und Euros.

Allerdings muß ich jeden Sommer mindestens ein paar richtig hippe Schläppchen erwerben. Kurze Begriffsdefinition: Schläppchen sind leichte Schühchen (appropo „chen“: siehe auch hier), die möglichst viel Haut zeigen. Nur dieser von mir selbst aufgestellten „Regel“ nachzukommen, gestaltete sich diesen Sommer als äußerst schwierig. Trotz Shopping-Aktionen in unterschiedlichen Städten und das Durchforsten der typischen Onlineportale – irgendwie habe ich nicht das Richtige gefunden.

Seit einiger Zeit geht der Trend in Richtung Gesundheitsschuhe. Gut für die Füße, gut für langes Stehen, gut für den Rücken. Und ich fasse es nicht: Birkenstock hat sein Revival. Birkenstock hatte seinen letzten großen Hype in den 80ern. Und ich konnte es kaum fassen dass jetzt – 35 Jahre später – diese Marke mit einem ganz speziellen Schuh wieder so erfolgreich wird. Er ist der Flipflops unter den Birkenstocks. Das Model „Gizeh“. Es gibt ihn in schrillen Farben, in Leder, Lackleder und/oder mit Glitzer. Die Sohle wahlweise in weiß oder schwarz.

Nach einigen Wochen des Abwägens, entschied ich mich für die Toffee-Ausgabe. Leicht metallisch glänzend, in einem weichen Nougat Ton. Ich drückte den „in den Einkaufswagen“- Button. Noch Stunden später grübelte ich im Stillen, ob das ein Schuh für mich ist. Ob man wirklich so einen Sommertrend mitmacht oder es lieber seinlässt. Selbst als ich ihn 24 Stunden später in der Hand hielt, war ich mir immer noch nicht sicher. Dieser Schuh hat nichts von Eleganz. Keinerlei Charme. Eher unattraktiv, unweiblich und unvorteilhaft trifft es. Aber kaum schlüpft man hinein, stellt die Schnallen auf die richtige Größe – schon kommt ein „Meine Füße sind daheim“ – Gefühl auf. Meine Füße haben ihr Zuhause gefunden. Nach einem langen harten Tag in spitzen Pumps, viel zu flachen Ballerina, zu harten Sneaker oder hochhackigen Stiefeln werden meine Füße am Abend in ihr Wolkenbettchen geschoben und dürfen einfach Füße sein.

Meine Freundin hat es so passend, so traumhaft und so perfekt formuliert! Und ich glaube, ich darf ihre drei Sätze hier rezitieren:

„Die sollen bequem sein! Das ist der einzige Schuh auf der Welt, der einfach so ist, wie er ist und gerade deswegen super ist! Selbst wenn er hässlich ist.“

P.S.: vielen lieben Dank an Daniela S. aus S. für die auf den Punkt bringenden Worte!

© by Marita Matschiner

45? Scheiß drauf!

Scheiß aufs Alter

Scheiß aufs Alter // pic by Achim Matschiner

17. August 2016. Geburtstag. Wieder ein Jahr älter. Bis jetzt hat mich das Thema „Älter werden“ ziemlich kalt gelassen. Damals mit 14 war es natürlich ein ganz wichtiges Ereignis. Und 16 erst. Endlich bis um 22:00 Uhr in die Disco und den 50ger Führerschein machen. Die Freude auf das 18. Lebensjahr kann jeder nachempfinden. Besonders wichtig für mich: endlich open-end ins Nachtleben eintauchen. Ohne sich offiziell den elterlichen Regeln unterzuordnen (zumindest theoretisch) oder deren Segen für das extensive Nachtleben abzuholen.

Die darauffolgende Rundung war ziemlich lahm. Es änderte sich nichts. Also egal ob man 18 oder 20 Jahre alt wurde. Völlig wurscht. Einige Jahre später blickte ich dann gespannt der 30 entgegen. Denn bis zu diesem Alter sind die ersten Weichen für das Leben gestellt. Studieren oder Ausbildung? Arbeitet man um zu Leben oder lebt man um zu arbeiten (Fürchterlicher Spruch – aber passend). Ist man eher eine ausführende Kraft, ein Entscheider oder ein Macher. Auch ob man die Rolle als Arbeiter, Angestellter, Führungsperson oder Chef im Berufsleben einnehmen wird, ist meistens schon absehbar.

Im Privatleben stößt man erst einmal auf nur eine Frage: will/kann man alleine leben oder sieht man seine Zukunft eher im Kreise einer Familie. Der nächste Schritt ist dann eine logische Folgerung und relativ simpel im Ansatz: kommen Kinder in der gewünschten Lebensplanung vor? Diese Antwort entscheidet dann auch schon wieder über folgende Fragen. Wo und wie lässt man sich nieder? Land oder Stadt? Wohnung oder Haus? Mieten oder kaufen? Und so weiter und so fort.

Um wieder auf den 30sten zurück zu kommen, dem ich mit großer Vorfreude entgegensah. Die Weichen waren auch bei mir im Großen und Ganzen soweit gestellt. Er fühlte es sich genauso an, wie der Tag davor. Einen wirklichen Unterschied gab es nicht. Mit einer Ausnahme. Die Erkenntnis das man zumindest optisch altert. Gels, Cremes und Pflegemasken haben eine klare Daseinsberechtigung!

Dann ging es auf die 40 zu. Urlaub, Hotel, das kleine Bad im niedlichen Laura-Ashley-Style und ganz viele Spiegelkacheln an der Badezimmertür. Ich war ca. 39 und stand kopfüber im Badezimmer, um möglichst viel Volumen in das Haar zu föhnen. Während ich so vor mich hin föhnte und vor mich hin schaute, fällt mein Blick durch meine Beine auf die Spiegelkacheln. Vor lauter Schreck hätte ich beinahe den Hotelföhn fallen gelassen. Aber in der nächsten Sekunde fing ich herzhaft laut und schallend an zu lachen. Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Die Tränen liefen und es dauerte ewig bis ich meinem Mann den Grund meines Lachanfalls erklären konnte. Ich gebe jetzt mal keine Detailinformationen, sondern empfehle – bei Interesse -, einfach mal diese Position einzunehmen und die Äuglein zu öffnen.

Ich habe kein Problem damit älter zu werden. Diese paar Fältchen, die sich in den letzten Jahren immer ausgeprägter in meinem Gesicht verewigen, sind hart erarbeitet. Lachen, Spaß im Leben und eine positive Einstellung, verändern das Gesicht. Diese Lachfalten und die ersten Anzeichen von Krähenfüße: sie gehören zu mir. Ebenso wie die ersten grauen Haare. Natürlich versuche ich mit Vernunft und nicht im übertriebenen Maße dagegen vorzugehen. Ich liebe z.B. mein Augengel – sorry, Plural – meine Augengels! Morgens, abends und gerne auch mal zwischendrin. Nach einer harten Nacht gerne mehrmals am Vormittag. Bei mir liegt dieses heißgeliebte Mittel auch direkt greifbar auf dem Nachtkasterl.  Meine erste Tat man Morgen: Schmieri auf die Augen! Im Badezimmer liegt sie auch direkt neben den weiteren Pflegemitteln. Tagescreme sowie ein Nachtöl für die reife Haut. Und blonde Strähnen kaschieren die immer grauer werdenden Haare.

Nichtsdestotrotz: bis zu meinem 44sten hatte ich nie ein Problem mit meinem Alter. Im Gegenteil. Ich habe immer die positiven Seiten gesehen: Lebenserfahrung, Altersautorität, Reife und dadurch auch mehr Gelassenheit vielen Themen gegenüber. Genau diese Themen, die mich mit 20 völlig ausrasten ließen. Inklusive Türen schmeißen und rumbrüllen. Heute nehme ich einen tiefen Atemzug und gut ist’s.

Aber die Fünf mit der Null im Schlepptau naht! Und das fühlt sich komisch an. Trotz meiner gesunden Einstellung zum Älter werden – ich hoffe, ich habe diese wirklich -, musste ich beim Bewusstwerden kurz inne halten. Durchatmen. Die Fünfzig. Wie fühlt sich das wohl an? Wie sehe ich mit 50 aus? Bin ich dann noch so fit? Kann ich dann immer noch so viele Kilometer durchs Isartal rennen? Welche Zipperlein melden sich als erste? Welche bleiben? Welche gehen wieder? Werde ich immer noch so tolerant neuen und jungen Themen gegenüber sein? Oder startet da schon die Alterszickigkeit? Bin ich dann noch offen für die Themen und Probleme der jungen Kollegen? Oder bin ich dann echt raus und werde als alt gesehen?

An meinem 45ten Geburtstag hat man sich natürlich auch darüber unterhalten. Meine Schwiegermama fragte mich, was sie denn erst sagen soll. Natürlich hatte sie recht. Das ist der Lauf der Dinge. Das ist mir bekannt. Und ja, ich stehe zu meinem Alter. Zu meiner Lebenserfahrung. Und trage die Falten mit dem verdientem Stolz. Ich weiß wer ich bin und renne nicht mehr wie mit 20 suchend und irrend durch die Gegend in der Hoffnung, mich selbst zu finden. Zu wissen wer ich bin. Wo meine Stärken und auch meine Schwächen sind. Mir selber Fragen zu stellen und auch beantworten zu können: Wo will ICH hin! Welche Träume habe ICH. Wer bin ICH. Die Fragen, Antworten und Aussagen zu kennen, die wirklich MIR gehören. Nicht von den Medien, der Werbung, und fremden Menschen aufgedrückt zu bekommen. Nicht von Menschen in meinem Umfeld aufoktroyiert – weil sich das so gehört, weil es immer so war und weil die Nachbarn das so erwarten.

Auf einem Grillabend von Freunden fragte mich der Papa der Gastgeberin, wie ich alt denn in zwei Tagen werde. Ich verharrte eine Sekunde. Alle oben erwähnten Fragen schossen gleichzeitig durch meinen Kopf. Aber die Worte kamen glasklar über die Lippen: 45! Und er schaute mir direkt in die Augen. Seine Augen strahlten fröhlich und er antwortete: „So siehst Du nicht aus! Nicht das es was Schlechtes ist, wie 45 auszusehen. Nein, du siehst nach Lebensfreude aus. Du bist ein netter und vor allem ein guter Mensch und Du hast der Welt etwas beizutragen. Du verbesserst sie! Egal wie alt Du bist.“

Seit ein paar Tagen bin ich in meinem 45. Lebensjahr angekommen. Und ich fühle mich wie vor dem Ereignis. Nun blicke ich gespannt und entspannt der 50 entgegen und in der Zwischenzeit freue mich sogar darauf!

© by Marita Matschiner

Fräulein Tongtong!

Fräulein Tongtong!

Icke. Süß, wa?

Ich weiß nicht, wo ich es her habe. Keiner in meiner Familie tut so etwas. Und auch keiner achtet wirklich darauf, ob es einer tut. Und genaugenommen verstehe ich auch gar nicht, warum der Duden diese von mir so geliebte und für mich positive Angewohnheit verunglimpft! Das Thema geht um Verniedlichung.

Im Duden steht: als unbedeutender, geringfügiger, harmloser hinstellen. Sogar der Begriff „bagatellisieren“ fällt dort. Das kann ich nicht nachvollziehen und ich wehre mich dagegen, dass diese emotionale Eigenschaft von mir als eine Bagatelle abgetan wird.

Bereits kleine Kinder nutzen völlig unbewusst die Form der Verniedlichung. Nicht nur Mami, Papi, Omi und/oder Opi. Auch die Stofftiere und Puppen werden nicht immer nur völlig banal „Peter“ oder „Susanne“ getauft. Bei mir war es das „Peterle“ und die „Susi“. Die Tochter einer Freundin bekam zu Weihnachten ihre erste Puppe geschenkt. Die kleine Maus hat das Wort „Puppe“ einfach nicht über ihre kleine Zuckerschnute bekommen. Und da wurde die Puppe zu „Puppa Jesus“. Es war ja schließlich Jesus Geburtstag. Einschub: es geht auch anders herum. Das niedliche Glubschi (eine neonpinkfarbige Giraffe) der Tochter einer anderen Freundin, wird wiederum „Frau Müller“ genannt. Das bringt einen doch nun wirklich zum Schmunzeln. Wie viel pragmatische Fantasie in Kinderköpfen steckt. Was kann daran bitte unbedeutend, geringfügig oder sogar eine Bagatelle sein?

Meinen ersten offiziellen Spitznamen habe ich übrigens erst vor vier Jahren erhalten. Was will man bei dem Namen Marita auch verniedlichen. Unser Patenkind hat es aber geschafft. Denn Marita war ihr wohl zu schwer. Daraufhin hat sie einfach ein paar Buchstaben weggelassen, und heraus kam Mita. Die ganze Familie des Patenkindes (inkl. ihrer jüngeren Schwester) haben den Spitznamen übernommen und auch heute heißt es z.B. noch „Mita und Achim sind da!“.

Menschen in meinem Umfeld nehmen im Laufe der Zeit bei mir unterschiedliche Plätze ein. Natürlich gibt es die, mit denen ich nicht in den Urlaub fahren möchte. Manche sieht man jeden Tag und man weiß, sie sind nett und sympathisch, aber mehr auch nicht. Bei anderen ist es sofort um einen geschehen und man redet intensiv, öffnet sich. Bei der Verabschiedung wird spontan gedrückt und geknuddelt. Es kommt ein vertrautes Gefühl auf, als ob man bereits als Kinder nackig miteinander gespielt hat. Und natürlich gibt es auch Begegnungen, bei denen relativ schnell klar wird: das positive Karma wird nur von einer Seite empfangen. Aber so ist das halt. Jeder ist anders. Das macht uns zu Individuen. Zu Menschen. Und das macht es doch auch so spannend. Das Leben. Das Miteinander.

Aber es gibt sie! Natürlich gibt es sie. Die Personen, die die ich so richtig gerne mag. Die, die ich gerne um mich habe. Mit denen ich gerne stundenlang rede, lache und auch mal mehr von mir Preis gebe. Ich brauche nicht darüber nachdenken wie ich mich verhalte. Wer ich bin. Ich habe nicht das Gefühl mich verteidigen oder sogar zu verargumentieren zu müssen. Ich kann so sein wie ich bin. Mit denen würde ich gerne Schuhe kaufen gehen (früher nannte man das Pferde stehlen). Genau diese Personen haben irgendwann das Glück oder vielleicht das „Pech“, dass ich anfange ihren Namen in irgendeiner Form zu verniedlichen. Gern angeknüpft an eine winzige Auffälligkeit. Etwas ganz spezielles in ihrem Charakter. Für mich etwas ganz Besonderes an diesem Menschen. Diese Menschen werden nicht nur von mir geherzt, nein, sie kriegen einen liebevollen Kosenamen von mir.

Natürlich gibt es auch die Kosenamen innerhalb einer Partnerschaft. Das wird auch in unserem Umfeld kräftig genutzt. Ein Bärli, Mausi oder Hase stehen doch für Vertrautheit, Sicherheit, Hingabe. Wir haben gleich zwei Hasen zu Hause. Hase und Hasehase (das bin ich). Doppelt gemoppelt hält besser.

Um es dann allerdings etwas spooky zu machen, ich kriege das sogar mit Gebrauchsgegenständen hin. Nicht nur mein Auto hat einen eigenen Namen, nein auch alle vorherigen Autos haben einen. Das Erschreckende daran ist, ich kann den Spitznamen auch noch „begründen“ und „erklären“. Und jedes Mal wenn ich ins Auto steige, wird mein Auto persönlich begrüßt. Morgens auf dem Weg zur Arbeit. Abends auf dem Weg nach Hause. Natürlich hat auch mein Fahrrad einen Kosenamen. Und mein Mann und ich reden sogar in dritter Person von ihm. Ich kenne viele Männer, die ihren Fahrrädern einen gegeben haben. Bevorzugt einen weiblichen Vornamen. Es gibt sogar die, die sich diese Fortbewegungsmittel im Schlafzimmer an die Wand hängen. Da will ich aber mal lieber keinen persönlich nennen. 😉

Von mir erhalten auch ganz normale Dinge gerne ein nettes Ende. Wie z.B. ein Weinchen, ein Gläschen. Gerne auch mal „ich geh dann ins Bettchen“ oder „ich gehe mal Zähnchen putzen“. Selbst der Hund wird liebevoll gefragt ob er ein Leckerli oder ein Sticki möchte.

Apropos Hund. Ich glaube am meisten würde unser Hund unter seinen ganzen Kosenamen leiden, wenn er sie denn auch so verknüpfen würde. Von Mupfel über Frosch zu Cowboy ist alles dabei. Und ganz gerne auch unterschiedliche Kombinationen wie z.B. Mausebär, oder Mausebärchen, wenn ich ganz besonders viel Liebe für ihn empfinde. Und eigentlich nur wenn er „Funktionieren“ soll oder etwas tun bzw. es nicht tun soll, kommt der richtige Name zum Einsatz. Dann auch gerne mit Anrede. Wenn ich so drüber nachdenke, war das bei meinen Eltern eigentlich auch so. Im „lieben“ Leben hatte ich einen süßen, netten Spitznamen. Den kennen übrigens auch nur sehr wenig Menschen außerhalb der Familie. Aber sobald ich etwas angestellt habe, klang die Ansprache ganz und gar nicht mehr liebevoll. Dann hieß es „Fräulein Tongtong!!!!!“. Und ja, mit mindestens fünf Ausrufezeichen. Damals fand ich das gar nicht lustig. Heute kann ich darüber schmunzeln. Aber ich befürchte, wenn er in dem richtigen Tonfall kommen würde… wer weiß, vielleicht würde ich auch heute noch „stramm“ stehen und auf die sicherlich verdiente Schelte warten. Aber selbst dann, ist und wird es niemals eine Bagatelle sein!

© by Marita Matschiner

Unkontrollierte Tränen

Licht und Schatten

Licht und Schatten // pic by Achim Matschiner

Ich sitze hier. Und mir fehlen die Worte. Was soll man auch sagen? Die Frau liegt in meinen Armen, zittert, schluchzt. Ich halte sie einfach nur fest. Streichle ihr über den Rücken. Auch meine Tränen laufen unkontrolliert. Aber es geht nicht um mich. Es geht um sie. Um ihren Mann. Um deren Familie.

Was soll man nur sagen, wenn sie einen mit verquollen, roten, verheulten Augen anschaut und verzweifelt flüstert „Ich will nicht, dass er geht!!!“. Sie versucht die immer wieder kehrenden Tränen wegzuwischen und schluchzt die zwei logischen Folgesätze „Was soll ich nur ohne ihn tun? Wie soll ich weitermachen?“

Da fehlen einem die Worte. Da gibt es keine Antwort. Geschweige eine richtige. Was kann man nur sagen? Man sitzt nur da, die Hände des Gegenübers drückend. Festhalten. Eine Schulter anbieten. Ein Taschentuch reichen. Verständnis zeigen. Stabilität geben. Zeigen dass man da ist und auch wirklich da ist.

Es dauert lange bis man damit umgehen kann. Als betroffene Person und als Externer.

Seit Jahren weiß man es. Aber die Zeit läuft. Unaufhörlich. Tick. Tick. Tick. Ohne Erbarmen.

Es gibt immer wieder eine Hoffnung. Täglich werden neue Medikamente entwickelt und freigegeben. Neue Behandlungsmethoden setzen sich durch. Ein anderes Krankenhaus. Ein anderer Arzt. Die Hoffnung auf eine andere Diagnose. Man betet. Man hofft. Aber, irgendwann ist es so weit. Da ist keine Hoffnung mehr. Es folgt die Verdrängung. Es wird schon. Morgen wird ein besserer Tag. Nächste Woche ist alles wieder ok. Nächsten Monat haben wir ja Urlaub gebucht, da geht es bestimmt wieder. Und dann der Rückschlag. Man bekommt keine Luft mehr. Der Boden wird einem unter den Füßen weggerissen. Ist wie betäubt. Das einzige Gefühl ist der Magenschwinger von Mike Tyson. Atmen. Aber es geht nicht. Man will es nicht glauben. Man kann es nicht glauben. Man verdrängt. Aufs Neue. Die einzige Möglichkeit um weiter zu Leben. Verdrängen um zu atmen. Verdrängen um zu essen. Verdrängen um zu leben. Nicht zusammenbrechen. Stark sein. Für diesen einen Menschen. Und man weiß nicht, wie lange man das durchhalten kann.

Menschen werden oft zu früh aus dem Leben gerissen. Unvermutet, ruckartig, ohne Vorwarnung. Aber macht es das besser? Wird es für die Hinterbliebenen dadurch leichter? Wenn jemand einfach so ohne Vorwarnung plötzlich nicht mehr da ist? Ohne Chance auf Vorbereitung. Auf das was da auf einen zusteuert? Unaufhörlich. Ohne Pause. Ohne Umweg. Ohne Unterbrechung. Keine Möglichkeit mehr alles zu sagen. Die letzten wichtigen Worte. Die letzten wahren Worte. Dem Anderen diese Worte zu geben, die so wichtig sind!

Ist es egal ob man sich vorbereitet oder ob es von heute auf morgen passiert?
Ist es einfacher?
Ist es schmerzloser?
Ist es menschlicher?
Ist es erträglicher?

Ich sitze hier. Mir fehlen die Worte. Meinen Tränen laufen unkontrolliert.

© by Marita Matschiner

Was’n für’n Wetter?

100 Prozent Luftfeuchtigkeit

100 Prozent Luftfeuchtigkeit

Petrus kann es uns einfach nicht recht machen. Wir sind nie mit dem Wetter zufrieden. Egal wo man sich aufhält, es ist nie gut genug für uns. Entweder ist es zu heiß, zu nass, zu schwül, zu trocken oder zu kalt. Zu viel Schnee. Zu viel Wind. Zu wenig Schnee. Zu wenig Wind.

Facebook hat hier alle Arten von Gejammer, Genöle, Schimpftiraden und Motzerein am Start. Gut – manche Bilder, Comics und vor allem einige Fotomontagen sind sensationell. Viele davon sind äußerst kreativ und phantasievoll. Nichtsdestotrotz, das Wetter entspricht niemals unseren Wünschen oder unseren Vorstellungen.

Im Sommer 2015 war DAS am meist gespielte Lied im Radio (öffentlich bayrischer Radiosender) „36 Grad – und es wird immer heißer…“. Dieses Jahr hört man eher „Wann wirds mal wieder richtig Sommer…“. Gibt es eigentlich auch solche Lieder für Herbst oder Winter (Umfrage ist hiermit gestartet!)?

Und ja, der Sommer 2015 war wirklich unglaublich! Über zwei Monate hatten wir durchgehend stabile warmesehr warmeTemperaturen. Durchschnittlich über 30 Grad, und das am Stück. Viele in unserem Umfeld inklusiver meiner einer beschlossen: wegfahren braucht man gar nicht. Ist doch superschön hier. Kein teurer Auslandsurlaub. Geld gespart. Und selbst nach einem superstressigen Arbeitstag konnte man sich schön auf der Terrasse, Balkon, im Park und sämtlichen frei zugänglichen Gewässern erholen. Ich war noch in keinem Sommer so erholt wie nach diesen zwei Monaten. Bis abends um 23:00 Uhr konnte man gepflegt draußen sitzen. Gerne auch mal länger. Den Glühwürmchen beim Rumschwirren zuschauen und rufen: da ist eins. Uiii – noch eins. Vielleicht ein kleines Lagerfeuer oder den Grill noch einmal angeschmissen. Die Füße noch einmal in den Pool gehalten. So 100% erfrischend war es nicht. Außer man hat spätestens jeden zweiten Tag das Wasser erneuert.

Den Partyzimmerkühlschrank haben wir praktischerweise gleich auf die Terrasse gestellt. Dieser war mit kühlen Getränken gefüllt. Im Eisfach steckte eine große Tüte Eiswürfel, die sich von Tag zu Tag leerte. Auch für den Hund gab es ein Fach. Sein Hunde-EisRindermarkknochen eingefroren. Und wenn es besonders heiß war, bekam er eines davon. Die beste Abkühlung ist einfach die von innen. Für Mensch und Tier.

Früher oder später passierte es aber dann doch – Beschwerden der ganz besonderen Art. Genau genommen auf superhohem Niveau. „Es ist sooo heiß!“ „Sooooo warm!“ „Die Natur braucht doch mal eine Abkühlung.“ „Wann regnet es wieder? Unsere Regenwassertonne ist leer!“

Mein Gott. Ja, ich bin auch sehr impulsiv. Ich kann mich auch wunderbar in Dinge reinsteigern und auch bei dem kleinsten Impuls sofort wieder an dieses „Ich bin auf 180“-Gefühl anknüpfen. Vor ein paar Jahren war ich wieder an so einem Punkt. Mein Mann hatte zwei einfache Sätze für seine völlig abhebende Frau „Du kannst es nicht ändern! Es ist nun mal so.“. Auch wenn ich im ersten Moment dachte, ich höre nicht recht. Ich war kurz davor, in die nächste Schimpftirade zu rutschen. Und in dieser wäre er das Opfer gewesen. Ich hielt kurz inne und schaffte es, seine Worte auch bei mir ankommen zu lassen. Ja, er hatte Recht. Genau so ist es!

Daher möchte ich diese Sätze gerne ins Internet und damit auch an dich weiter reichen. Wir können das Wetter nicht ändern. Das sind Fakten. Und wir haben keine Möglichkeit diese Rahmenbedingungen zu ändern. Devise heißt: hinnehmen. Genießen. Oder es sein lassen und Flieger buchen!

Petrus, ich verstehe Dich diesen Sommer 2016: zwei Tage über 30 Grad und Hochsommer. Dann wieder vier Tage unter 20, manchmal sogar unter 15 Grad. Kombiniert mit Regen und Unwetterwarnungen. Warum sollte Petrus sich auch Mühe geben? Er kann es uns ja doch nicht Recht machen. Daher eine gesunde Mischung von allem. Macht Sinn.

 

Und wenn wieder jemand in meinem Umfeld bitterböse über das Wetter jammert, fällt mir immer Matthias Schweighöfer in der Rolle des Paparazzo Moritz in „Kein Ohr Hasen“ ein. Dort brüllt er ins Telefon Was’n für ’n Wetter?, und ich muss lachen. Jedes Mal. Immer. Jetzt kann ich das Wetter und das Gejammer ganz leicht nehmen. Danke an meinen Mann, der mich mit zwei Sätzen vor mindestens einem Magengeschwür bewahrt hat, und an Matthias, für die wunderbar umgesetzten zwölf Sekunden!

© by Marita Matschiner